Im digitalen Schmelztiegel voller Innovationen und Talente

Datum der Veranstaltung
26.10.2015 bis 30.10.2015

MIT auf Intensivkur im Silicon Valley

‚Wir Europäer sehen freundlich-aufgeschlossen dabei zu, wie Kalifornier eine neue Innovationskultur schaffen und damit beispiellose technische Durchbrüche und unternehmerische Erfolge erzielen. Wie dort eine ganze Generation begabter Techniker zu Gründern wird und Millionen Arbeitsplätze schafft, während bei uns Anstellungsverhältnisse in herkömmlichen Unternehmen noch immer als allgemeines Ideal und Vorbild gelten.‘ Dieses Resümee zog der Journalist Christoph Keese vor einem Jahr in seinem Buch „Silicon Valley – was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt“. Obwohl dieses viel beachtete Buch einen bisher kaum dagewesenen Einblick in die Erfolgsmechanismen des Silicon Valleys und in die Herausforderungen des digitalen Wandels gibt, scheint in Deutschland alles beim alten zu bleiben. Woran liegt das und gibt es für Deutschland wirklich nichts vom Silicon Valley zu lernen?

Volles Programm im Silicon Valley

Dieser Frage ging die MIT im Rahmen einer Delegationsreise nach Kalifornien auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Oktober 2015 nach. MIT-Teilnehmer waren der Bundesvorsitzende Dr. Carsten Linnemann MdB, Hauptgeschäftsführer Thorsten Alsleben und Geschäftsführerin Astrid Jantz, der erfahrene Wagniskapitalgeber Sven Sixt sowie Startup-Experte und Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung Niklas Veltkamp. Auch Vertreter des #cnetz waren dabei, wie der Sprecher Prof. Jörg Müller-Lietzkow. Das von Dr. Lars Hänsel (Leiter der KAS-Außenstelle in Washington D.C.) und seiner Kollegin Jeanene Lairo zusammengestellte fünftägige Programm war kompakt und anspruchsvoll: Apple, Facebook, Google, Founder World, Salesforce, Airbnb, At&t Foundry, Alibaba, Transatlantic West, German Accelerator, US Startup Pitch Night sowie Gespräche mit Stanford-Professor Burton Lee, dem Sicherheitsexperten Michael McNerney, Jörg Geier vom Borderstep Institute, Prof. Dr. Olaf Groth von der Hult International Business School und Rene van den Hoevel von der German American Chamber of Commerce.

Auf das Netzwerken kommt es an

Die wichtigste Erkenntnis: Das Fundament für den Erfolg des Silicon Valley ist die einzigartige Kultur des Netzwerkgedanken, dem offenen Teilen von Ideen, dem gegenseitigen Profitieren von der Expertise des anderen, dem Denken in globalen Dimensionen und dem unnachlässigen Streben nach der Umsetzung der eigenen Idee in ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Diese Kultur zieht Wagniskapitalgeber, junge Gründer und Fachkräfte aus aller Welt an. Bei allen Gesprächen konnte man diesen besonderen Mindset des Silicon Valley spüren. Es erscheint wie eine Symbiose zwischen Unternehmen, Startups und Kapitalgebern innerhalb eines Ökosystems, welches alle Akteure durch das Vertrauen darauf vereint, dass die Digitalisierung ungeahnte Chancen bringt und neue Effizienzen schafft.

Europäische Skepsis

Gleichwohl die Digitalisierung in Kalifornien in erster Linie als Chance begriffen wird, besteht auch hier ein Problembewusstsein mit Blick auf den Umgang mit personenbezogenen Daten, Datenschutz und die ethischen Fragen, die durch Big Data und den Einsatz künstlicher Intelligenz zum automatischen Filtern von Informationen aufgeworfen werden. Mitten in die Delegationsreise fiel die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, die Safe-Harbor-Regelung für ungültig zu erklären, wonach Unternehmen personenbezogene Daten in Übereinstimmung mit der europäischen Datenschutzrichtlinie aus der EU in die USA übermitteln konnten. Diese Entscheidung bereitet vielen Digitalunternehmen im Valley Sorgen. Zielführender als Gerichtsurteile fände man hier offene Gesprächsebenen zwischen staatlichen Behörden sowie Entscheidungsträgern und den Privatunternehmen, um gemeinsam nach konstruktiven Lösungen zu suchen.

Der Wettkampf um die besten Köpfe

Ein besonderer Moment für die Delegation war der Einblick in die Arbeitswelt der Digitalriesen. Im Wettkampf um die besten Mitarbeiter der Welt lassen sich die Unternehmen so einiges einfallen. Gewöhnliche Büro-Tower darf man hier nicht erwarten. Es ist vielmehr wie der Eintritt in kleine in sich geschlossene Städte. Der kostenfreie Shuttle zwischen Wohn- und Arbeitsort ist Standard. Das Mittagessen für die Mitarbeiter ist kostenfrei. Großkantinen-Feeling kommt allerdings nicht auf. Zur Auswahl stehen jede Menge Restaurants aller kulinarischen Richtungen, in denen das Essen frisch zubereitet wird. Fitnessstudios, Schwimmbecken mit Gegenstromanlage, Gemeinschaftsküchen mit allen denkbaren Getränke- und Snacksorten, Sport- und Freizeitkurse – es gab kaum etwas, was es nicht gab.

So klar wie die Annehmlichkeiten vor Augen liegen, so klar ist aber auch, dass sich junge Deutsche nicht allein wegen einem kostenfreien Snackriegel oder einem Pool am Arbeitsplatz auf den Weg über den Ozean machen. Kati Schmidt aus Deutschland, seit vier Jahren im Silicon Valley, Global Public Policy Manager und eine der ersten Mitarbeiterinnen bei Airbnb, erklärte diese Entwicklung vielmehr damit, dass junge Menschen in Unternehmen arbeiten wollen, die den Trend der Zeit erkannt haben, mutig in die Zukunft denken, innovativ sind, etwas Wertvolles kreieren, neue Effizienzen für den Menschen schaffen und neue Wege ausprobieren.

Hausaufgaben für Deutschland

Im Umkehrschluss ist es also wenig erstrebenswert, für ein Unternehmen zu arbeiten, das sich auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruht und keine Unternehmensperspektive im Zeitalter der Digitalisierung entwickelt. Das klingt plausibel und hierin liegt sicherlich auch der Kern auf die Frage, was Deutschland unternehmen muss, um nicht den Anschluss zu verlieren. Die deutsche Industrie und der Mittelstand müssen noch besser verstehen, in welchem Ausmaß die Digitalisierung Einfluss auf Gesellschaft und Wirtschaft nehmen wird und was ihre Rolle hierbei ist. Es geht eben nicht darum, dass man die Kommunikation innerhalb eines Betriebs von Papier auf Email umstellt. Das ist sicherlich sehr zugespitzt und viele deutsche Unternehmen befinden sich auch bereits in einem erfolgreichen Prozess der digitalen Transformation. Aber wir brauchen in den Unternehmen ein neues grundlegendes Verständnis darüber, was disruptive Innovation bedeutet.  Vielen Unternehmen droht in zwei bis vier Jahren der Verlust der aktuellen Marktstellung, wenn es ihnen nicht gelingt, sich im Zeitalter der Digitalisierung aus eigener Kraft neu aufzustellen. Dann werden andere ihnen die Arbeit abnehmen.

Anregungen für die MIT

 Die MIT nimmt viele Anregungen für die Politik mit. Wichtiger als neue Gesetze ist die Offenheit des Staates und der Gesellschaft gegenüber Innovationen. Nicht zuerst die Frage, warum etwas nicht geht, sondern wie man etwas möglich machen kann, sollte im Vordergrund stehen. Eine konkrete Maßnahme könnte sein, dass der Staat – ähnlich wie in den USA mit den ‚living labs‘ - noch viel aktiver Freiflächen, Verkehrsstrecken und Räume für Pilotprojekte und Testverfahren deklariert. Der Staat selbst sollte mit gutem Beispiel voran gehen und durch die Digitalisierung von operativen Prozessen und digitalen Schnittstellen zwischen den Behörden die Effizienz von Verwaltung und Politikabläufen steigern. Die deutsche Wirtschaft sollte nicht vor neuen Wegen zurückschrecken. Auf die Frage von Carsten Linnemann an die Experten vom German Accelerator, warum wir in Deutschland bei der Digitalisierung nur langsam vorankommen, wurde der Leitspruch aus dem Valley entgegengesetzt: „good is good enough“. In Deutschland verliert die Wirtschaft viel zu viel Zeit, weil man nach dem perfekten Produkt strebe, wodurch unnötige Ineffizienzen entstünden. In den USA werden Produkte vielleicht nicht so perfekt, dafür aber schnell auf dem Markt platziert und erst nach der Markteinführung erfolgen anhand von Erfahrung und Konsumentenfeedback die Produktanpassungen. Und last, but not least muss es gelingen, Deutsche, die im Silicon Valley Erfolg hatten und ihrer Heimat verbunden sind, als Vorbilder für Auftritte vor dem deutschen Mittelstand zu gewinnen. Dieser Aufgabe wird sich auch die MIT annehmen. Erste Kontakte wurden auf der Reise geknüpft, zwei Gesprächspartner aus dem Silicon Valley bringt die MIT-Delegation mit zum diesjährigen Bundesmittelstandstag in Dresden, ein neues MIT-Mitglied und zwei neue Sponsoren konnten gewonnen werden. Und so mancher Gesprächsgast aus dem Silicon Valley hat schon heute seine Bereitschaft erklärt, beim Innovations-Event der MIT, der INNOVATION INTERACTION in 2016 mitzuwirken.