Protokollerklärung der Bundesvorsitzenden Gitta Connemann zur Grundgesetzänderung

Datum des Artikels 19.03.2025
Bund aktuell

Der Bundestag hat am 18. März Änderungen am Grundgesetz beschlossen. Dabei geht es um die Finanzierung von Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben sowie die Einrichtung eines Sondervermögens für Infrastruktur. Unsere Bundesvorsitzende Gitta Connemann hat diesen Änderungen zugestimmt, jedoch eine Protokollerklärung abgegeben.

 

Erklärung nach § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu TOP 1 der Plenardebatte am 18. März 2025 zur 2./3. Lesung des von den Fraktionen SPD und CDU/SU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art.109, 115 und 143 h GG)

 

Heute stimmen wir über Änderungen des Grundgesetzes ab. Diese sollen zukünftigen Bundesregierungen ermöglichen, Schulden in erheblicher Höhe aufzunehmen. Dabei geht es um die Finanzierung von Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben sowie die Einrichtung eines Sondervermögens für Infrastruktur.

Für und Wider haben mich in den letzten Tagen umgetrieben. Eine solche Verschuldung lässt sich nur mit außerordentlichen Bedingungen rechtfertigen. Aber am Ende einer sorgfältigen Abwägung steht meine Entscheidung. Ich stimme dem Gesetzentwurf zu. Denn die aktuelle Zuspitzung der geopolitischen Lage erfordert ein sofortiges Handeln. Wir müssen die Ausstattung unserer Streitkräfte unverzüglich verbessern. Dafür sehe ich keinen anderen Weg. Alle anderen Alternativen kann ich nicht verantworten. Denn sie würden in einer Staatskrise mit europa- und weltweiten Folgen münden.

Dabei ist mir bewusst, dass dieses Schuldenpaket ein gravierendes Ausmaß hat. Ich verstehe deshalb Kritik und Sorgen. Wir stellen einen hohen Scheck auf die Zukunft aus - insbesondere auf Kosten der jungen Generation. Steigende Schulden lösen steigende Zinslasten aus. Und müssen auch getilgt werden. Damit werden langfristig Spielräume im Haushalt enger. Deshalb ist die Schuldenbremse geschaffen worden. Sie zwingt uns zur erforderlichen Haushaltsdisziplin. Also darf eine Ausnahme von der Schuldenbremse nur das letzte Mittel sein.

Darum gehen wir aus meiner Sicht mit dem geplanten Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro auch den zweiten vor dem ersten Schritt. Es gibt aktuell (noch) Spielräume. Noch nie vereinnahmten alle staatlichen Ebenen gemeinsam mehr als jetzt, nämlich fast 1 Billion Euro. Deutschland hat ein Ausgabenproblem. Es wäre besser gewesen, zuerst zu priorisieren, um Mittel aus dem Haushalt freizusetzen. Denn der Bedarf für Investitionen in die Infrastruktur unseres Landes ist unübersehbar. Brücken, Straßen, Schienen sind marode. Leitungen fehlen.

Der Sanierungsstau bedroht unser Land und unsere Wirtschaft. Mit dem Sondervermögen sollen Bund, Länder und Kommunen darauf reagieren können. Dabei muss es sich zwingend um zusätzliche Ausgaben handeln. So verhindern wir, dass freiwerdende Mittel an anderer Stelle konsumiert werden. Es wird also keinen Verschiebebahnhof geben. Wenn wir es klug anstellen, lässt sich damit privates Kapital mobilisieren und eine Hebelwirkung entfalten. Dafür wird es auf die gesetzliche Umsetzung in der kommenden Legislaturperiode ankommen. Mit diesem Gesetz werden wir definieren, was Infrastruktur ist.

Dazu werden auch Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität gehören - wie zum Beispiel der Netz- und Leitungsbau. Damit wird kein neues Staatsziel im Grundgesetz verankert. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen hat seit 1994 durch Art. 20a GG Verfassungsrang. Das Bundesverfassungsgericht hat daraus schon 2021 den Klimaschutz als Verfassungsauftrag hergeleitet. Es geht also am Ende um das Zieldatum 2045 - aber in einer rein finanztechnischen Regelung. Dieses kann nicht als Anlass bzw. Grund für eine Klimaklage genommen werden. Und es hindert uns nicht daran, die Klimaziele realistisch anzupassen, wenn wir in den nächsten Jahren feststellen sollten, dass die Klimaneutralität 2045 nicht erreicht werden kann. Dann müssen wir reagieren, auch um Investitionen weiter möglich zu machen.

Ausschlaggebend für mein "Ja" ist das Wissen um die tatsächliche Sicherheitslage. Diese ist schlechter als das, was wir in den Nachrichten lesen. Das Putin-Regime bedroht nicht nur die Ukraine. Es führt schon heute einen hybriden Krieg gegen uns. Europa, unsere offene und freiheitliche Gesellschaft werden angegriffen. Jeden Tag. Es finden Angriffe auf Netze und Versorgungsleitungen und systematische Propagandaoperationen statt. Wir haben uns in einer trügerischen Sicherheit gewähnt. Wir haben für unsere Verteidigung im Wesentlichen auf die USA vertraut. Aber die letzten Wochen haben gezeigt, dass wir uns darauf nicht mehr verlassen können. Und deshalb müssen wir die Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft unseres Landes so schnell wie möglich wieder herstellen - gemeinsam mit Europa. Darum sehen uns heute auch unsere Verbündeten zu - ebenso wie unsere Gegner. Wir entscheiden nicht alleine für uns, sondern für Freiheit und Frieden im vereinten Europa und dem demokratischen Westen. Ich möchte nichts mehr, als dass auch unsere Kinder in Frieden und Freiheit aufwachsen können.

Diese Entscheidung können und wollen wir nicht von AfD und Linken abhängig machen. Denn unter dem Deckmantel des Pazifismus versteckt sich Putins 5. Kolonne. Darum treffen wir mit dem amtierenden und legitimen Bundestag Vorsorge für die nächste Legislaturperiode. Das Bundesverfassungsgericht hat uns dafür auf ganzer Linie Recht gegeben.

Die Entscheidung ist nur der erste Schritt. Konkrete Gesetze müssen folgen. Aber auch die Erkenntnis: Geld allein löst noch kein Problem. Und Schulden müssen getilgt werden. Der Konsolidierungsdruck in den nächsten Jahren wird erheblich werden. Diesen müssen wir schultern. Denn wir können die finanziellen Lasten nicht nur der jungen Generation überlassen. Wir brauchen dafür eine umfassende Reformierung des Gemeinwesens. Kommunen müssen von Aufgaben entlastet werden. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen durchgreifend beschleunigt werden. Überbordende Bürokratie muss beseitigt werden. So schaffen wir auch wieder Freiheit für unsere Betriebe. Und damit das zwingend erforderliche Wirtschaftswachstum. Denn eines ist klar: Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.

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