Kreislaufwirtschaft als Zukunftsmarkt stärken

Beschluss

BESCHLUSS DES MIT-BUNDESVORSTANDS VOM 28. JANUAR 2025.

Die deutsche Wirtschaft benötigt Impulse für mehr Wachstum. In der Stärkung der Kreislaufwirtschaft sieht die Mittelstands- und Wirtschaftsunion große Chancen nicht nur für Wirtschaftswachstum, sondern auch für Energiesicherheit und Klimaschutz. Eine leistungsfähige Kreislaufwirtschaft ist wichtige Vorbedingung, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können.  Jetzt müssen Weichen gestellt werden, um die Kreislaufwirtschaft in ein marktwirtschaftliches Gesamtkonzept zu führen. Der Mittelstand ist auf neuen Schwung zur Expansion im Binnen- und Weltmarkt angewiesen. Produktions- und Umwelttechniken aus Deutschland haben international einen hohen Stellenwert. Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft in Deutschland wird im Transformationsprozess ein notwendiger Schritt zur Ressourcenbereitstellung werden und kann dadurch einen wichtigen Beitrag zu höherer Nachfrage in den Märkten leisten.

Im Mittelstand besteht ein hohes Interesse an besseren Rahmenbedingungen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft in der industriellen Produktion, bei Dienstleistungen und im Handel. Unternehmen liefern und beziehen Sekundärrohstoffe, Rezyklate, Dienstleistungen und Know-how für viele verschiedene Kreislaufprodukte und -prozesse. Entscheidend ist ein marktwirtschaftlicher und wettbewerblicher Ansatz, der über die Instrumente verpflichtenden Ordnungsrechts hinausgeht. Der Mittelstand muss frühzeitig in die Mitgestaltung der Kreislaufwirtschaft eingebunden sein, um die Akzeptanz zu fördern. Nur so ist gewährleistet, dass Wertschöpfung und Innovation im Mittelstand stattfinden und deutsche Unternehmen mit Produkten und Dienstleistungen wettbewerbsfähig bleiben.

Schon heute hat die Kreislaufwirtschaft im Rahmen des Green Deals große EU-weite Bedeutung. Mit der Verabschiedung des Circular Economy Action Plan (CEAP) wurden bereits 2020 die Grundlagen für eine nachhaltige Produktpolitik in zentralen Produktwertschöpfungsketten und eine verbesserte Abfallpolitik mit einer Stärkung des Kreislaufprinzips gelegt. Die EU-Kommission strebt eine kreislauforientierte und widerstandsfähigere Wirtschaft an. Ein neuer Rechtsakt zur Kreislaufwirtschaft soll dazu beitragen, die Marktnachfrage nach Sekundärrohstoffen und einen Binnenmarkt für End-of-Life-Produkte, insbesondere mit Blick auf kritische Rohstoffe zu schaffen.

Deutschland ist als rohstoffarmes Land ganz besonders auf eine leistungsfähige Kreislaufwirtschaft angewiesen. Das Modell der Kreislaufwirtschaft basiert auf dem Prinzip, Ressourcen im Wirtschaftskreislauf so lange wie möglich auf einem hohen Nutzungsniveau zu halten. Durch intelligente Gestaltung, innovative Verwertungsprozesse und regenerative Ansätze führt sie Ressourcen kontinuierlich in den Kreislauf zurück. Abfälle werden dadurch minimiert. Ziel ist es, durch Wiederverwendung, Reparatur, Aufbereitung und Recycling von Materialien und Produkten einen geschlossenen Kreislauf zu schaffen, der die Umweltbelastung und den Ressourcenverbrauch nachhaltig reduziert. Dieses Modell kann nur erfolgreich sein, wenn es systematisch und ganzheitlich umgesetzt wird. Es erfordert Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette und neue, innovative Geschäftsmodelle. Wir wollen politische Rahmenbedingungen schaffen, die die Kreislaufwirtschaft in einer umfassenden Rohstoffstrategie integriert und so Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaften fördern.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion sieht in der Kreislaufwirtschaft darüber hinaus Innovationspotenziale in allen Branchen. Wir möchten Deutschlands Wirtschaft dabei unterstützen, Wertschöpfungspotenziale zu identifizieren und die dafür notwendigen Veränderungen praxisnah und schrittweise vorzunehmen. Dabei müssen gezielt Freiräume für Produktionsunternehmen, Handel, Handwerk und die Entsorgungswirtschaft geschaffen werden, um eine echte Kreislaufwirtschaft als neue deutsche Schlüsselkompetenz zu etablieren. Deutschland kann so seine Position als globaler Innovationsführer weiter ausbauen und einen bedeutenden Beitrag zur Ressourcenschonung, Rohstoffsicherung und CO₂-Reduktion leisten.

Um die Wirtschaft erfolgreich auf die „Circular Economy“ auszurichten, bedarf es konkreter wirtschaftlicher und technologischer Maßnahmen. Fiskalische und rechtliche Rahmenbedingungen sind zu schaffen. Es braucht weitreichende politische Initiativen, die Innovation und Unternehmergeist fördern, anstatt sie zu hemmen. Dabei setzen wir auf pragmatische Schritte, um den Transformationsprozess nachhaltig zu unterstützen und Planungssicherheit für Unternehmen zu gewährleisten. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert:

  • Deutschland kann mit einer ambitionierten Kreislaufwirtschaft erhebliche wirtschaftliche Potenziale heben. Hierfür ist eine enge Koordinierung zwischen den europäischen und deutschen Institutionen sowie eine rechtliche Harmonisierung erforderlich.
  • Zirkuläre Geschäftsmodelle sind weiterzuentwickeln. Der Fokus muss auf geschlossenen Stoffkreisläufen liegen und visionär in das Next-Cycling münden. Die Kreislaufwirtschaft und die Schließung von Stoffkreisläufen müssen sich für alle Beteiligten ökonomisch auszahlen. Die Kreislaufwirtschaft braucht eine Verbesserung der Recyclinginfrastruktur und mehr Forschung.
  • Geschäftsmodelle von Herstellern, bei denen Produktverantwortung unmittelbar selbst wahrgenommen wird, müssen unterstützt werden. Dies gilt ebenso für Geschäftsmodelle, bei denen Aufarbeitung oder werkstoffliches Recycling in eigenen Anlagen erfolgt. Dazu müssen auch Maßnahmen zur Schaffung eines kreislauffähigen Produktdesigns (Design for Circularity) unterstützt werden. Zusätzliche Steuern oder Abgaben für nicht-recycelte Produkte führen zu zusätzlichen Belastungen der Wirtschaft, die abzulehnen sind. 
  • Ein wirksamer Anschub können in einem klar definierten Übergangszeitraum Markteinführungsmaßnahmen und Anlauffinanzierungen sein. Dadurch kann der Absatz gefördert werden und Investitionssicherheit entstehen, auch wenn primäre Rohstoffe noch preisgünstiger auf dem Markt zu erwerben sind. 
  • Wir wollen die Förderprogramme für Forschung und Innovation im Bereich der Recycling- und Kreislauftechnologien ausbauen, um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen. Wir setzen uns dafür ein, im Rahmen der  Förderziele bei Verbundprojekten zu öffentlich geförderten Forschungsprogrammen gezielt die Einbindung oder vorgesehene Ausgründung von Start-ups zu berücksichtigen, sowie eine Anschlussförderung im europarechtlich zulässigen Rahmen zu ermöglichen.
  • Wir wollen chemisches Recycling als Ergänzung zum mechanischen Recycling für bestimmte Abfallarten ermöglichen, wobei der grundsätzliche Vorrang des mechanischen Recyclings in der Abfallhierachie zu beachten ist. Hierbei sind handhabbare, transparente und überprüfbare Standards zu schaffen.
  • In der öffentlichen Beschaffung soll ein neu zu schaffendes ISO 14024 Typ I Kreislauf-Umweltzeichen die Bevorzugung von kreislauffähigen Produkten und von Recyclingprodukten, in denen z.B. Rezyklate verwendet wurden, ermöglichen.
  • Förderung öko-industrieller Hubs (Industrieparks 2.0) mit experimentellen Freiräumen („regulatory sandboxes“) ist entscheidend, um großflächige Kreislaufkonzepte in der Praxis zu erproben und Wertschöpfungsketten standortübergreifend zu optimieren.
  • Wir wollen die Teile der Kreislaufwirtschaft gezielt unterstützen, die einen besonderen Beitrag zur Ressourcenschonung und Rohstoffsicherung leisten, analog zur steuerlichen F&E-Förderung.
  • Wir wollen die beihilfekonforme Senkung der Strom- und Energiesteuern für die   gewerbliche Wirtschaft. 
  • Unternehmen sollen grundsätzlich von Bürokratie entlastet werden, etwa durch ein „One-stop-shop“-Prinzip für Informationspflichten von Unternehmen (z.B. als Standortregister wie in Norwegen) und für Verwaltungsverfahren oder durch Einführung eines „überragenden öffentlichen Interesses“ in Planungs- und Genehmigungsverfahren mit zeitlicher Beschleunigung und qualitativer Fokussierung. Insbesondere Unternehmen der Kreislaufwirtschaft, die einen Beitrag zur Ressourcenschonung und Rohstoffsicherung leisten, sind auf diese Entlastungen angewiesen.
  • Wir wollen Unternehmen, die im Rahmen des neuen europäischen digitalen Produktpasses oder freiwillig Informationen zu ihrem Produkt und den Ressourcen verfügbar machen, von Doppelpflichten entlasten („one only“). Digitale Produktpässe oder „Ressourcen-Pässe“ enthalten typischerweise Informationen zur Materialzusammensetzung, Herkunft der Materialien, CO2-Bilanz, Recyclingfähigkeit, ggf. Lebensdauer und Reparaturmöglichkeiten.
  • Unternehmen, die bereits in Anlehnung an die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) über ihre Nachhaltigkeit berichten, legen oft sehr unterschiedliche und kaum vergleichbare Informationen offen. Die geforderten Informationen sind für Verbraucher, Anleger und Wettbewerber hochrelevant. Die MIT unterstützt eine grundsätzliche Vereinfachung der ESRS-Standards und der einzelnen Berichtspflichten sowie der darin enthaltenen Leistungskennzahlen. Wir setzen uns auch dafür ein, dass z.B. standardisierte, schlanke Wesentlichkeitsanalysen als Grundlage präferiert werden. So kann der Aufwand der Datenerfassung für den Mittelstand begrenzt und eine Vergleichbarkeit der Daten entlang der Wertschöpfungskette gewährleistet werden.
  • Fehlerhaft oder falsch zertifizierten Importprodukten soll der Marktzutritt verweigert werden, und Verstöße gegen Deklarationspflichten müssen wirksam geahndet werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.
  • Für die ständige Überprüfung des Prozessstandes und der Umsetzung des Konzeptes zur Kreislaufwirtschaft bedarf es einer Kommission, die in festgelegten Intervallen die Erreichung der Ziele überprüft und flexibel neuere Forschungsstände in das bestehende Konzept integriert sowie korrigierend eingreifen kann. Sie sollte befugt sein, Wissen aus den verschiedenen Bereichen im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu vernetzen und dabei Ansprechpartner für Innovationspartner sein.

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