Mittelstand vor Handelskonflikten bewahren

Beschluss

BESCHLUSS DES MIT-BUNDESVORSTANDS VOM 2. JULI 2024


Der Welt droht ein Handelskrieg. Mitte Mai hat die US-Regierung unter Joe Biden höhere Zölle für Einfuhren aus China angekündigt. Elektroautos werden künftig mit Zöllen von 100 Prozent belegt. Zudem verhängt die US-Regierung neue oder stark erhöhte Zölle unter anderem für Solarzellen, Halbleiter, Hafenkräne und Medizinartikel wie Kanülen und Schutzmasken. Dieser schwerwiegende Eingriff in den Handel dürfte zumindest teilweise WTO-widrig sein. Die chinesische Regierung erwägt nun ihrerseits, Zölle in Höhe von 25 Prozent auf importierte Fahrzeuge mit großen Motoren zu verhängen. Die Europäische Kommission wiederum prüft derzeit etwaige Sonderabgaben auf chinesische E-Autos und bestimmte Stahlprodukte. Bereits im Oktober 2023 wurde eine Antisubventions-Untersuchung eingeleitet, um die Höhe der chinesischen Subventionen für Elektroautos zu prüfen. Eine Entscheidung, ob die EU etwa Strafzölle erhebt, steht allerdings noch aus.

Im Zentrum der Auseinandersetzung: Die deutsche Wirtschaft ist international vernetzt wie kaum eine andere. Vor allem auch viele deutsche Mittelständler sind auf dem Weltmarkt erfolgreich: 333.000 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) exportieren Waren oder Dienstleistungen, davon 213.000 in Länder außerhalb der EU. Der größte Verlierer eines weiter eskalierenden Handelskonflikts wäre deshalb der deutsche Mittelstand. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion sieht die aktuellen Entwicklungen mit Sorge: Sowohl die von staatlichen Subventionen angeheizte Produktion in China, die unsere Unternehmen unter Druck setzt, als auch die gegenseitige Verhängung von Strafzöllen, die zu einem offenen Handelskonflikt führen kann.

Der Welthandel kämpft noch immer mit den Spätfolgen der Corona-Krise. Ihn jetzt dem kalkulierten Risiko eines umfänglichen Handelskrieges auszusetzen, gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung in den Industrie- und Schwellenländern gleichermaßen.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert daher:

  • Die MIT setzt sich gerade angesichts von Handelskonflikten für freien Handel ein. Deutschland und Europa sind Gewinner von Globalisierung und Marktöffnung. Handelskriege kennen am Ende nur Verlierer – unabhängig davon, wer die Kontrahenten sind. Protektionismus vernichtet Wohlstand und begrenzt Wachstumschancen. Am Ende tragen immer Verbraucher und Unternehmen, insbesondere der Mittelstand, die finanziellen Auswirkungen. Gleichzeitig müssen wir uns den geopolitischen Realitäten stellen.
  • Maßnahmen, um unseren Mittelstand vor Handelskonflikten zu schützen:
  1. Hausaufgaben zur Stärkung des Standorts Deutschland machen
    Wir müssen unsere Standortbedingungen verbessern und unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch: Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen; stärkere Arbeitsanreize setzen; Unternehmenssteuern vereinfachen und senken; mehr Fördern und Fordern am Arbeitsmarkt; eine Energiepolitik vorantreiben, die technologieoffen und angebotsgetrieben ist; Sicherheit und Verlässlichkeit am Standort stärken; private Investitionen am Standort fördern; die Innovationskraft unserer Wirtschaft stärken; die überbordende Bürokratie massiv reduzieren und neue Belastungen vermeiden (Belastungsmoratorium). Nur mit einer starken, innovativen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft sind wir für handelspolitische Stürme gewappnet.
  2. Die Europäische Union stärken
    Inmitten sich verändernder geopolitischer Rahmenbedingungen und eines eskalierenden Konfliktes zwischen China und den USA kann Europa nur bestehen, wenn die EU geschlossen als geopolitscher Akteur auftritt und sich nicht spalten lässt. Die Bundesregierung muss eine Führungsrolle dabei einnehmen, Europa auch angesichts sich verschärfender Konflikte zwischen China und den USA zu einen. Wenn wir ein starkes Europa wollen, dann müssen wir die europäische Integration gezielt weiter vorantreiben, Entscheidungsprozesse vereinfachen, den Binnenmarkt stärken, unsere Handelsbeziehungen mit Drittstaaten zügig ausbauen und strategisch wichtige Handelsabkommen wie mit Mercosur endlich in Kraft setzen. Zudem müssen wir selbst von unilateralen Maßnahmen Abstand nehmen: Handelshemmnisse wie der bürokratische Grenzausgleichsmechanismus CBAM und die EU-Lieferkettenregulierung sind ein falsches handelspolitisches Signal an unsere Wirtschaft und unsere Handelspartner in der Welt und müssen auf den Prüfstand. Vielmehr muss die EU neue Allianzen mit befreundeten Staaten bilden, um mit ihnen gemeinsam bei Handelskonflikten abgestimmt reagieren zu können und um die Diversifizierung der Lieferketten und Absatzmärkte der Unternehmen zu flankieren.
  3. China entschieden begegnen
    Wir brauchen gleiche Wettbewerbsbedingungen (Level-Playing-Field) in unseren Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit China. Wir setzen uns dafür ein, dass China bei der WTO der Status als Entwicklungsland entzogen wird. Dazu braucht es eine enge Abstimmung auf europäischer Ebene. Im Zentrum steht zudem die Untersuchung, ob und in welchen Sektoren China staatlich subventioniert und Preisdumping betreibt. Ist dies der Fall, sollte die EU Stärke zeigen und in enger Abstimmung mit der Wirtschaft ihre bestehenden handelspolitischen Schutzinstrumente effizient nutzen. Höhere Zölle sollten immer nur als ultima ratio in Erwägung gezogen werden, denn sie beschränken Handelsvorteile, untergraben Effizienzbestrebungen der Unternehmen und führen erfahrungsgemäß zu Vergeltungsmaßnahmen. Wo immer möglich, müssen Herausforderungen im Dialog gemeistert werden. 
  4. Allianzen stärken
    Im globalen Systemwettbewerb ist es so wichtig und schwierig wie niemals zuvor, belastbare Bündnisse zu bilden. Die OECD wird ihrer Rolle als Sprachrohr der marktwirtschaftlich agierenden und demokratischen Staaten leider immer weniger gerecht. Angesichts eines aufstrebenden China und eines imperialistischen Russlands müssen endlich alle Anstrengungen unternommen werden, neue Allianzen zu bilden und Partnerschaften zu stärken. Europa muss Bündnissen Chinas und Russlands wie BRICS+ oder SCO entgegentreten. Aufbauend auf G7 wollen wir als Europäer mit den Demokratien wie den USA, Kanada, Großbritannien, Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland, Israel oder den Mercosur-Staaten als unseren natürlichen Verbündeten Allianzen schmieden zur Stärkung einer regelbasierten Wirtschafts- und Handelsordnung. Die Bundesregierung muss deshalb die ausgestreckte Hand des französischen Staatspräsidenten annehmen und gemeinsam für Allianzen werben.

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