Krisenreaktionsfähigkeit der EU stärken - EU-Gesundheitsunion praktisch denken

Aktueller Status:

Der Beschluss wurde mit Bitte

Der Beschluss wurde mit Bitte um Berücksichtigung  an den Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn MdB, an die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag MdB, an den Fachreferenten des Konrad-Adenauer-Hauses sowie an den gesundheitspolitischen Sprecher der EVP, Peter Liese MdEP, geschickt.

Datum des Artikels 25.06.2021
Beschluss

1. Krisenreaktionsfähigkeit verbessern – Standort Europa stärken
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Falle grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren verbessert werden muss. In Reaktion auf die Pandemie hat die Europäische Kommission im November 2020 auf Grundlage der bestehenden EU-Verträge unter dem ambitionierten Titel „Schaffung einer Gesundheitsunion“ Vorschläge vorgelegt, mit denen die EU gestärkt werden soll.

Die MIT begrüßt diese Initiative zur Stärkung der EU-Krisenreaktionsfähigkeit. Sie betont in diesem Zusammenhang, dass sich die Lieferengpässe bei wesentlichen Bestandteilen und Grundstoffen für viele Arzneimittel sowie Lieferengpässe bei Arzneimitteln und Beschaffungsprobleme bei Schutzausrüstungen in der Pandemie als besonders nachteilig erwiesen haben. Vor diesem Hintergrund fordert die MIT die EU-Institutionen und die Bundesregierung dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die EU und auch Deutschland wieder zum Standort für die Produktion solcher Güter zu machen, entgegenstehende europäische und nationale Bürokratie zu hinterfragen, gegebenenfalls abzubauen und dabei auf die Fachkompetenz vor allem kleiner und mittelständischer Unternehmen zurückzugreifen. Die MIT stellt klar, dass die angestrebte jedenfalls teilweise Autonomie Deutschlands und Europas nicht zu neuem Protektionismus führen darf. Die deutsche Wirtschaft ist auf offene Märkte angewiesen. Die europäischen Pläne müssen sicherstellen, dass auf Innovation und langfristige Wettbewerbsfähigkeit gesetzt wird sowie Unsicherheiten bei der Marktentwicklung berücksichtigt werden. Zudem fordern wir in diesem Zusammenhang eine Verbesserung der digitalen Informationen über Bestandsdaten für Arzneimittel und Medizinprodukte, um im Krisenfall auf Echtzeitinformationen über Bestandsstände zugreifen zu können.

Die MIT begrüßt zudem die von der Kommission vorgeschlagene Stärkung der Europäischen Arzneimittelagentur EMA, insbesondere im Bereich der Koordinierung, der Überwachung und der Bewertung von Arzneimitteln, wobei es allerdings zu keiner Schaffung von Doppelstrukturen bei der EMA kommen darf. Die MIT lehnt eine Erweiterung der Kompetenzen von EU-Behörden zur Beschaffung und Distribution von Arzneimitteln und Medizinprodukten ab. Angesichts höchst unterschiedlicher Gesundheitssysteme fordert die MIT den Erhalt der bestehenden Kompetenzverteilung zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaaten bei der Gesundheitsversorgung. Vielmehr befürwortet die MIT eine Verbesserung der freiwilligen Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten und EU-Ebene im Bereich der Gesundheitsversorgung.

2. Digitalisierung – Europäischen Raum für Gesundheitsdaten schaffen – Binnenmarkt für digitale Gesundheitsdienste ausbauen
Ein gesundheitspolitischer Schwerpunkt auf EU-Ebene ist die Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (European Health Data Space, EHDS). Ziel dieser Initiative ist es, die nationalen Gesundheitssysteme durch den gesicherten Austausch von Gesundheitsdaten miteinander zu verknüpfen. Auf Grundlage gemeinsamer Interoperabilitäts-Standards soll die Behandlungsqualität und die Gesundheitsforschung verbessert werden.

Die MIT begrüßt diese Entwicklung und fordert, dass im Zuge der Schaffung des Europäischen Gesundheitsdatenraums der Aufbau eines echten Binnenmarkts für digitale Gesundheitsdienste und -produkte vorangetrieben und gefördert wird.

3. Diskussion über eine europäische Gesundheitsunion konkret und patientennah führen
Mit Sorge betrachtet die MIT Tendenzen, die Corona-Pandemie und ihre Folgen für eine Systemdiskussion zu missbrauchen. Es zeichnet sich ab, dass im Zuge der am 9. Mai 2021 begonnenen Konferenz über die Zukunft Europas das Thema Gesundheit eine herausgehobene Stellung einnehmen wird. In diesem Zusammenhang häufen sich in Reaktion auf die Corona-Pandemie politische Forderungen, diese Diskussion auch zu einem Gesundheitssystemwechsel in Deutschland und Europa u.a. durch eine Kompetenzübertragung von der nationalen auf die europäische Ebene zu nutzen.

Aus Sicht der MIT darf eine Pandemie nicht zu politischen Zwecken missbraucht werden. Angesichts höchst unterschiedlicher Gesundheitssysteme in den EU-Mitgliedstaaten muss sich die Diskussion an konkreten Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger ausrichten. Es ist daher unabdingbar, solche Bereiche herauszuarbeiten, in denen eine Übertragung gesundheitspolitischer Kompetenzen praktisch sinnvoll und vor dem Hintergrund der Mehrheitsverhältnisse in der EU möglich ist.  Oberstes Ziel muss es daher sein, einen echten Mehrwert für Patientinnen und Patienten zu schaffen, wobei das Interesse der Patientinnen und Patienten an möglichst wohnortnaher Versorgung zu berücksichtigen ist. Forderungen nach Kompetenzübertragung müssen zudem den bestehenden Strukturen und Organisationsformen der EU-Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Bewährte und gewachsene Systeme dürfen nicht überfordert werden.