Öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten und reformieren

Datum des Artikels 17.03.2021

EINLEITUNG ZUM REFORMKONZEPT:

Die MIT steht zu einem durch die Allgemeinheit finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es ist für den demokratischen Diskurs und die politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Bildung und Teilhabe wichtig, dass es seriös aufgearbeitete, ausgewogene, gut recherchierte, auch elektronische Angebote gibt, die sowohl das Inland – inklusive der Regionen – als auch das Ausland umfassen. Diese Informationsvermittlung ist kostspielig und wird von anderen Anbietern, jedenfalls bei der audiovisuellen Berichterstattung, nicht im erwünschten Umfang angeboten. Deshalb ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk hier umso mehr gefordert und soll durch die Auswahl von Programmen und Themen die freie Meinungsbildung und kulturelle Vielfalt gewährleisten sowie Bildungsangebote, Information, Beratung und Unterhaltung anbieten.

Allerdings haben sich der Medienmarkt, die Angebote und das Nutzerverhalten vor allem im letzten Jahrzehnt erheblich verändert. Erhebliche Reformmöglichkeiten und -bedarf sieht die MIT sowohl in der Struktur der Sender bzw. ihrer intensiveren Zusammenarbeit wie auch in der Stärkung der Selbstregulierung durch veränderte Gremien- und Aufsichtsstrukturen. Die Gewährleistung der Staatsferne ist dabei oberstes Gebot. Ebenso muss eine an den Kernaufgaben orientierte Finanzausstattung sichergestellt werden.

Ziel ist ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der sich auf den Kern seiner öffentlichen Aufgabe konzentriert und seine Akzeptanz in der Bevölkerung steigert.

FORDERUNG 1:
AUFGABEN DES ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN RUNDFUNKS IM 21. JAHRHUNDERT NEU DEFINIEREN
Ausgangslage:

  • Die Medienlandschaft und die Angebote haben sich verändert. Heute können Inhalte kostengünstig über soziale Medien und das Internet auf der ganzen Welt produziert und verbreitet werden. Dies macht das Angebot breiter und vielfältiger, zugleich aber unübersichtlicher. Die seriöse Auswahl und Einordnung der Informationsflut werden dabei immer wichtiger.
  • Zugleich ändert sich das Nutzerverhalten vor allem junger Medienkonsumenten. Streamingdienste und On-Demand-Portale lösen die klassischen Medienformate zunehmend ab. In der Altersgruppe unter 30 Jahren liegt der Marktanteil der Streamingdienste jetzt schon bei 39 Prozent, während die TV-Sender (inkl. Mediatheken und ihrer YouTube-Kanäle) nur noch auf 33 Prozent kommen . Und selbst bezogen auf alle Altersstufen wurden laut einer Roland-Berger-Studie bereits 2019 mit 10,3 Prozent des Zeitbudgets mehr Gesamtsehzeit auf Netflix verwandt als auf den damals erfolgreichsten linearen TV-Sender RTL (10,0 Prozent). Laut dieser Studie werden zwei Drittel des jetzigen TV-Konsums der jungen Zuschauer in den nächsten 10 Jahren zu Streamingdiensten abwandern.
  • Private Streaminganbieter produzieren inzwischen hochwertige und preisgekrönte Serien, Filme und Dokumentationen auch für den deutschen Markt.

Reformvorschläge:

  • Das Informations-, Bildungs- und Kulturangebot muss gestärkt und verbessert werden: mehr Korrespondenten im In- und Ausland, Ausweitung der Regionalberichterstattung, mehr Dokumentationen, zusätzliche Live-Übertragungen von politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell relevanten Ereignissen.
  • Mit Blick auf die Kosten ist für die Übertragung von Sportereignissen darauf zu achten, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht zu einem Wettbewerb beiträgt, der den Erwerb der Rechte immer teurer macht. Solange eine Live-Übertragung im frei empfangbaren Fernsehen gesichert ist, kann und sollte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Zusammenfassungen, Nachrichten und Hintergründe solcher Ereignisse beschränken.
  • Auch das Unterhaltungsangebot sollte sich nicht am Wettbewerb mit privaten Anbietern um die höchsten Einschaltquoten orientieren, sondern am öffentlichen Auftrag des beitragsfinanzierten Rundfunks.


FORDERUNG 2:
STRUKTUREN UND VERBREITUNGSWEGE DES ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN RUNDFUNKS ZEITGEMÄSS ORDNEN
Ausgangslage:

  • Die bisherige Basis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind lineares Fernsehen und lineares Radio mit einer Fülle unterschiedlicher Voll- und Spartenprogramme. Diese wurden immer stärker ergänzt um Video- bzw. Radio-on-Demand und Online-Angebote.
  • Es gibt dabei zahlreiche Programme der unterschiedlichen Anstalten, die ähnliche Inhalte haben – sowohl auf nationaler Ebene (ARD und ZDF) als auch auf regionaler Ebene. So ist z. B. seit 2010 bis 2020 nicht nur die Zahl der privaten Radiosender von 213 auf 274 gestiegen, sondern – trotz dieser privaten Vielfalt – auch die Zahl öffentlich-rechtlicher Radiosender von 58 auf 74. So gibt es mehrere öffentlich-rechtliche Klassikwellen, Schlager- oder Popsender.
  • Es gibt für die – je nach Zählweise 12 bis 21 – öffentlich-rechtlichen Fernsehsender fast durchweg eigene Zentralverwaltungen und damit Mehrfachstrukturen (Leitung, Personal, Rechtevermarktung, Einkauf etc. sowie eigene Aufsichtsgremien).

Reformvorschläge zu Strukturen:

  • Wir streben langfristig die Zusammenlegung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei Beachtung kartellrechtlicher Gesichtspunkte unter einem Dach an, um Synergieeffekte zu erreichen. Kostspielige Mehrfachstrukturen sollen beseitigt werden, die Programmvielfalt soll erhalten bleiben.
  • Die künftige Sendeanstalt unter einem Dach bietet verschiedene nationale Programme (Voll- und Spartenprogramme) und regionale Fenster an. Sie unterhält dafür Korrespondentenbüros (regional, national, international) und Fachredaktionen, die für alle Ausspielwege (TV, Hörfunk, Online) produzieren (nicht mehr getrennt nach Sendern oder Sparten).
  • Die Sendeanstalt ermöglicht gemeinsame Verwaltungs- und Produktionseinrichtungen (Shared Services), ohne die regionale Verankerung und Vielfalt im Programm zu verringern. Bis das Ziel der Sendeanstalt unter einem Dach erreicht ist, sollen die bestehenden Sender schon Verwaltungseinheiten auf Shared-Services-Einrichtungen übertragen, um Mehrfachstrukturen zu verringern.
  • Es gibt Fachredaktionen (verteilt auf verschiedene Standorte im gesamten Bundesgebiet, um dem föderalen Charakter unseres Staates und den Interessen der Länder zu entsprechen), die die inhaltlichen Angebote für die seriellen Programme (TV, Radio) sowie fürs Video-/Radio-on-demand und für die Online-Angebote (inkl. Social Media) zusammenfassen/konfektionieren.
  • Die Zahl der linearen öffentlich-rechtlichen Vollprogramme ist kritisch zu hinterfragen. Wiederholungen, thematische Schwerpunktsetzungen, Zusammenfassungen von Reihen etc. sind mit Blick auf die zunehmende Relevanz der Mediatheken nicht erforderlich und können effektiver und beitragsschonender organisiert werden. Dazu sind die erlaubten Möglichkeiten der Mediatheken zu erweitern und auch diese effizienter zu organisieren, denn unter dem Dach einer einzigen Sendeanstalt erübrigt sich auch die Konkurrenz und die Unübersichtlichkeit der bisher getrennten Mediathekenangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
  • Im Radiobereich ist eine grundlegende Neuaufstellung möglich, um Synergien zu heben, gerade um die Regionalität zu stärken. Das heißt aber auch, dass im Wesentlichen gleiche Inhalte nicht von vielen Wellen separat behandelt werden, etwa bei nationalen und internationalen Themen, zumal alle Sender online empfangen werden können.
  • Als lineare Fensterprogramme (jeweils für TV und Radio) soll es Regionalfenster (mit Information, Live-Berichterstattung und Kultur von vor Ort) geben, die von Regionalredaktionen erstellt werden. Die Regionalredaktionen sind zugleich Korrespondentenbüros für die nationalen Programme. Damit wird die Lokalkompetenz des öffentlich-rechtlichen Senders gestärkt.


FORDERUNG 3:
ABGABEN VERRINGERN, FINANZIERUNG NEU ORDNEN UND KOSTENTRANSPARENZ ERHÖHEN
Ausgangslage:

  • Das derzeitige System und die Höhe der Finanzierung stehen in der Kritik. Zum einen ist der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk das teuerste öffentlich-rechtliche System der Welt.
  • Zum anderen schwindet insbesondere bei den Zahlungspflichtigen die Akzeptanz, die die Leistungen der öffentlich-rechtlichen Sender nicht oder kaum in Anspruch nehmen und keinerlei Mitsprachemöglichkeiten haben. Dies gilt für Bürger wie Unternehmen in gleichem Maße.
  • Die Ermittlung des Finanzbedarfs durch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) in Kombination mit einer Verantwortung von 16 Landesparlamenten für die Beitragshöhe lässt Fragen offen, wie autonom die Parlamente entscheiden dürfen.

Reformvorschläge zur Finanzierung:

  • Es gibt keinerlei Werbung und Sponsoring im Programm. Sie sind für die Erfüllung des Grundversorgungsauftrags nicht erforderlich.
  • Es gibt einen niedrigeren Rundfunkbeitrag – einen sog. Grundversorgungsbeitrag – pro Person ab Vollendung des 18. Lebensjahres. Juristische Personen sind befreit, da jede Privatperson ohnehin Beitragszahler ist. Die bisherigen Befreiungs- und Ermäßigungsregeln sollen weiter gelten. Beitragsaufkommen und Beitragsbelastungen sollen insgesamt sinken.
  • Nach Bildung der neuen Struktur ermittelt die KEF den Finanzbedarf für die neue öffentlich-rechtliche Rundfunkstruktur. Dieser Vorschlag muss von den Landesparlamenten gebilligt werden. Diese einigen sich auf den Rundfunkbeitrag/Grundversorgungsbeitrag. Alle 7 Jahre soll eine grundsätzliche Überprüfung der Aufgaben und Strukturen erfolgen. Aus dieser Prüfung ergibt sich der Finanzbedarf. In den Jahren dazwischen soll der Rundfunkbeitrag/ Grundversorgungsbeitrag nur auf Basis eines definierten Index automatisch angepasst werden.
  • Die Transparenz bei Vergütung, Ruhestandsbezügen und Nebeneinkünften muss sichergestellt werden. Jedes Sendungsformat muss ein Preisschild bekommen, damit die durchschnittlichen Produktionskosten dieses Formats nachvollziehbar sind. Der finanzielle Aufwand (Sach- und Personalkosten) pro Sendereihe bzw. Sondersendung muss nach Abschluss des Jahres für jedermann leicht öffentlich einsehbar sein.
  • Grundsätzlich sollen die Moderatoren Angestellte der Sender sein und deren Infrastruktur nutzen. Fremdvergaben sollen nur in Ausnahmefällen möglich sein und müssen von den Aufsichtsgremien überprüft und genehmigt werden. Fremdvergaben ureigener öffentlich-rechtlicher Kernaufgaben lehnen wir ab.
  • Auskunftsansprüche der Öffentlichkeit müssen gegenüber öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in gleichem Ausmaß bestehen wie gegenüber Behörden, solange dies den journalistischen Quellenschutz nicht beeinträchtigt.


FORDERUNG 4:
INHALTLICHE UNABHÄNGIGKEIT UND AUSGEWOGENHEIT STÄRKEN, KONTROLLGREMIEN DEMOKRATISIEREN
Ausgangslage:

  • Die Aufsichtsgremien sind derzeit für jede Rundfunkanstalt gesondert geregelt und unterscheiden sich in der Zusammensetzung. Sie bestehen aber stets aus einer Mischung aus Politikern (Exekutive, Legislative) sowie Vertretern von bestimmten Interessengruppen.
  • Laut einer Studie des zur Oxford-Universität gehörenden Reuters-Instituts hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk große Schwierigkeiten, junge Menschen zu erreichen. Auch beim eher unterdurchschnittlich gebildeten Publikum schneiden die Sender schlecht ab: Sie erreichen nur rund 13 Prozent der Menschen mit formal niedrigem Schulabschluss, während die britische BBC immerhin 34 Prozent erreicht.
  • Laut dieser Studie gelingt es anderen Anstalten wie der BBC, France Télévisions und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Finnland besser, Zuschauer des gesamten politischen Spektrums zu erreichen als den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern .

Reformvorschläge zur Aufsicht und ausgewogenen Berichterstattung:

  • Die Aufsicht über die Rundfunkanstalt muss staatsfern sein, die gesellschaftliche Breite realistisch abbilden, die Zusammensetzung muss transparenter und demokratischer werden, die Gremien müssen kleiner und die Amtsdauer muss begrenzt werden, um eine dynamische Zusammensetzung zu ermöglichen und Verfestigung von Machtstrukturen zu verhindern. Die Mitwirkung der Beitragszahler bei der Besetzung der Gremien sollte erhöht werden.
  • Die Einhaltung der Programmgrundsätze muss in geeigneter Weise nachvollziehbar sichergestellt und durch regelmäßige externe Evaluationen überprüft und veröffentlicht werden.