Zukunftsfähige Landwirtschaft durch mehr Tierwohl [MIT-Präsidium]

Aktueller Status:

Der Beschluss wurde mit Bitte

Der Beschluss wurde mit Bitte um Berücksichtigung  an die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Julia Klöckner, an den Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann MdB sowie an den Fachreferenten des Konrad-Adenauer-Hauses geschickt.

Datum des Artikels 18.12.2020
Beschluss

Um kurzfristig und ohne hohe Investitionskosten geeignete Rahmenbedingungen für eine tiergerechtere und damit zukunftsfähige landwirtschaftliche Nutztierhaltung zu schaffen, fordert die Mittelstands- und Wirtschaftsunion:

1. Die Erstellung einer Tiergesundheits- und Tierschutzdatenbank zur zielgerichteten und risikoorientierten Beratung von Tierhaltern. Dabei soll bereits vorhandenes Datenmaterial zentral zusammengefasst werden. Doppelerfassungen gilt es zu vermeiden, um den bürokratischen Aufwand für die Tierhalter zu minimieren. Dateneigentum und -hoheit der Tierhalter bleiben unangetastet. Eine Weitergabe bedarf ihrer ausdrücklichen Zustimmung.

2. Die Einführung eines verpflichtenden Sachkundenachweises für Tierhalter und ihre Mitarbeiter, die unmittelbar mit den Tieren umgehen, aber keine entsprechende Aus- oder Fortbildung haben, um eine ausreichende Betreuungsintensität zu gewährleisten.

3. Die Förderung investiver Maßnahmen in artgerechte Tierhaltungsanlagen über die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz zu stärken, insbesondere um den Einsatz von tierwohlorientierter digitaler Sensortechnik zur Unterstützung der personellen Tierbeobachtung und -überwachung in der Praxis vielen Tierhalterinnen und Tierhaltern zu ermöglichen.

Begründung:
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion bekennt sich zur Tierhaltung als wichtigen Bestandteil einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion. Sowohl das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL, „Wege zu einer gesellschaftlichen Nutztierhaltung in Deutschland“, 2015) als auch die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutzierhaltung (2020) kommen zu dem Ergebnis, dass eine Anhebung des Tierwohlniveaus für eine zukunftsfähige Landwirtschaft erforderlich ist. Dies darf jedoch nicht die Existenz der deutschen Landwirte bedrohen. Vielmehr müssen die Landwirte in die Lage versetzt werden, den fachwissenschaftlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen an Tier- und Umweltschutz zu entsprechen und trotzdem wettbewerbsfähig zu bleiben.

In der derzeitigen landwirtschaftlichen Nutztierhaltung müssen zwei Handlungsfelder unterschieden werden:

Einerseits bestehen Differenzen zwischen bestehenden Haltungssystemen und den jüngsten Erkenntnissen der Nutztierwissenschaften, die Maßnahmen erfordern, die nur langfristig in Übergangsphasen und unter großem finanziellen Aufwand umgesetzt werden können (z.B. Um-/Neubau von Stallanlagen mit einem höheren Platzbedarf pro Tier, Strukturierung der Umgebung mit Beschäftigungsmöglichkeiten, abwechslungsreichen Klimabedingungen und Bodenbelägen). Hierfür ist der Ausbau von zielorientierten staatlichen Fördermaßnahmen notwendig, da die entstehenden Kosten nur zu einem geringen Teil durch Markterlöse zu decken sind. Eine verpflichtende und flächendeckende Kennzeichnung von Nahrungsmitteln und anderen Produkten tierischen Ursprungs, die den Verbrauchern Informationen über Herkunft und Haltungsbedingungen der lebensmitteliefernden Tiere übermittelt, sollte zusätzlich angestrebt werden, um die Vermarktung von tiergerecht erzeugten Produkten zu fördern.

Andererseits treten Mängel in der Tierbetreuung und Tiergesundheitspflege auf, bei denen durch kurzfristig umsetzbare Maßnahmen ohne bzw. mit nur geringen Investitionskosten Abhilfe geschaffen werden könnte (z.B. Tiergesundheits- und Tierschutzdatenbank, verpflichtenden Sachkundenachweises, tierwohlorientierte digitale Sensortechnik zur Unterstützung der personellen Tierbeobachtung). Die Erstellung einer zentralen Tiergesundheits- und Tierschutzdatenbank und die Einführung eines verpflichtenden Sachkundenachweises würde überdies eine Vergleichbarkeit der Bedingungen in verschiedenen Tierhaltungssystemen (z.B. verschiedene Bestandsgröße, Haltungssysteme, Wirtschaftsweisen) ermöglichen und den gesellschaftlichen Diskurs zum Thema Tierwohl in landwirtschaftlichen Nutztierhaltungen objektivieren.

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) von 2015 und die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutzierhaltung von 2020 lassen eine Unterscheidung von Maßnahmen, die längerfristig umgesetzt werden müssen und Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden könnten, vermissen. Für letztere liegen genügend wissenschaftliche Konzepte zur Verbesserung der Haltungsbedingungen von Nutztieren vor, die bisher nicht genutzt worden sind, obwohl sie keine Existenzbedrohung für Landwirte darstellen. Hierfür soll zeitnah mit der Umsetzung begonnen werden. Die Formulierung von Zwischenzielen zur Umsetzung der Maßnahmen ist ratsam.

Eine zeitnahe Anhebung des Tierwohlniveaus wird einen Beitrag leisten, um die Akzeptanz der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Deutschland zu erhöhen und deren Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Dies würde zu einem stabilen und konsistenten Selbstversorgungsgrad führen, mit dem Fleischimporte aus Ländern mit niedrigerem Tierwohlniveau nicht erforderlich sind.