EU-Ratspräsidentschaft nutzen - Gesundheits- und Pflegepolitik erneuern

Aktueller Status:

Der Beschluss wurde mit Bitte

Der Beschluss wurde mit Bitte um Berücksichtigung  an den Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn MdB, an die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gesundheitder CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag MdB, an den binnenmarktpolitischen Sprecher von CDU/CSU im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments, Andreas Schwab MdEP, an den gesundheitspolitischen Sprecher von CDU/CSU im Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments, Peter Liese MdEP sowie an den Fachreferenten des Konrad-Adenauer-Hauses geschickt.

Datum des Artikels 30.06.2020
Beschluss

Zum 1. Juli 2020 übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Aus Sicht der MIT stellt dies den geeigneten Zeitpunkt dar, um die erforderlichen Lehren aus der Corona-Pandemie zu ziehen, die notwendigen Weichenstellungen vorzunehmen und so Europa und damit auch Deutschland zukunftsfest zu machen.

1. Digitalisierung im Gesundheitswesen gestalten

Das Thema Digitalisierung ist einer der Schwerpunkte der deutschen Ratspräsidentschaft. Gerade dieser Bereich bietet Chancen, denWirtschaftsstandort Europa zu stärken und die EU-Mitgliedstaaten so für mögliche zukünftige pandemische Entwicklungen krisensicher aufzustellen, ohne dass es zu einem neuerlichen Lock-Down kommen muss. Die MIT unterstützt und fordert die deutsche Ratspräsidentschaft daher in einem ersten Schritt konkret dazu auf,

a. umgehend mit dem Aufbau eines europäischen Logistik-Forecast-Systems für systemrelevante Arzneien und Medizinprodukte zur Sicherstellung von strategischen Reserven für den Krisen- und Pandemiefall zu beginnen;

b. die Harmonisierung der Datenströme entlang der gesamten Gesundheitswirtschafts-Wertschöpfungskette i. S. einer Fast-Track-Interoperabilität europaweit voran zu bringen. Dies bschleunigt die Entwicklung agiler Wertschöpfungsmodelle und stärkt Europa als Forschungs- und Wirtschaftsstandort. 

c. auf europäischer Ebene einheitliche Standards für den Datenschutz und ganz spezifisch zur Pseu
donymisierung von Patientendaten festzuschreiben. Die Zustimmung zur Nutzung der Daten für die Bürger und Bürgerinnen ist ebenfalls auf der europäischen Ebene einheitlich zu regeln.

2. Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln und Schutzausrüstung sicherstellen

Fragen der Lieferengpässe bei Arzneimitteln und Beschaffungsprobleme bei Schutzausrüstungen haben durch die Corona-Krise an strategischer Bedeutung gewonnen, und zwar sowohl für das soziale als auch das wirtschaftliche Leben in der EU als auch für den EU-Binnenmarkt. Die Nichtverfügbarkeit wesentlicher Bestandteile und Grundstoffe für viele Arzneimittel sowie persönlicher Schutzausrüstung und gestörte internationale Lieferketten haben sich in der Krise als nachteilig erwiesen und die Krise in Teilen erst ermöglicht. Vor diesem Hintergrund fordert die MIT die deutsche Ratspräsidentschaft dazu auf, die Planungen der EU-Kommission für Maßnahmen, die zu einer sicheren Versorgung der Bevölkerung und des Mittelstandes mit wichtigen Arzneimittel und Schutzausrüstung in Europa und gegebenenfalls in Deutschland führen sollen, aktiv zu unterstützen, z. B. durch die Förderung der Entwicklung und Produktionvon Arzneimitteln, Medizinprodukten und Impfstoffen in der EU. Gleichzeit soll eine stärkere Angleichung der Besteuerung von MwSt. auf solche Produkte in der EU angestrebt werden. Die angestrebte Autonomie darf jedoch nicht zu neuem Protektionismus führen. Die deutsche Wirtschaft ist auf offene Märkte angewiesen. Die europäischen Pläne müssen sicherstellen, dass auf Innovation und langfristige Wettbewerbsfähigkeit gesetzt wird sowie Unsicherheiten bei der Marktentwicklung berücksichtigt werden.Unabhängig von den europäischen Plänen unterstützt die MIT die Bundesregierung beim Aufbau einer eigenen nationalen Reserve.

3. Verstärkte EU-Koordinierung der globalen Gesundheitspolitik

Die MIT fordert die deutsche Ratspräsidentschaft zudem dazu auf, die EU-Koordinierung der globalen Gesundheitspolitik, z.B. im Rahmen der G7, G 20 und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zu verbessern. Hier müssen geeignete Maßnahmen für eine verstärkte internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erarbeitet werden. Dazu gehören aus der Sicht der MIT insbesondere Maßnahmen zur Förderung des globalen wissenschaftlichen Austausches, der internationalen Zusammenarbeit in der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen sowie die Abstimmung und evidenzbasierte Entwicklung gemeinsamer gesundheitspolitsicher weltweiter Maßnahmen.

4. Gesundheitspolitik und Ökonomie: das richtige Verhältnis herstellen

Die Ökonomie hat im Gesundheitssystem die Aufgabe, die Ziele der Medizin und damit qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung bei begrenzten Ressourcen zu erreichen. Damit dient die Ökonomie den Zielen der Medizin. Im Umkehrschluss darf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nicht ausschließlich nach ökonomischen Faktoren erfolgen. In der Vergangenheit war zu beobachten, dass die Europäische Kommission nationale Gesundheitssysteme nahezu ausschließlich nach ökonomischen Parametern bewertet hat. Die MIT fordert die deutsche Ratspräsidentschaft dazu auf, vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Corona-Pandemie einen neuen Bewertungsansatz von Gesundheitssystemen zu entwickeln, der Versorgungsaspekte und ökonomische Anforderungen an die leistungsfähige Gesundheitssysteme aus dem Blickwinkel der Bürgerinnen und Bürger wohnortnah garantiert. Dabei ist die Kompetenzzuweisung bei der Organisation von Gesundheitssystemen an die EU-Mitgliedstaaten aus Art. 168 AEUV eingeschränkt zu beachten.

5. Subsidiarität in Europa leben

Die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit bestimmen die Ausübung der Zuständigkeiten der Europäischen Union. Im Zusammenhang mit der sog. Verhältnismäßigkeitsrichtlinie hatten neben Bundestag und Bundesrat auch die Parlamente in Österreich und Frankreich eine Subsidiaritätsrüge eingelegt. Die EU-Mitgliedstaaten sind nun verpflichtet, diese Richtlinie bis zum 30. Juli 2020 in nationales Recht umzusetzen. Die MIT fordert die deutsche Ratspräsidentschaft dazu auf sicherzustellen, dass das Subsidiaritätsprinzip bei der Umsetzung gewahrt bleibt. Sollte es Erkenntnisse geben, dass die Umsetzung zu Friktionen mit dem Subsidiaritätsprinzip wie z.B. im Sinne einer Erschwerung der erforderlichen nationalen Rechtsetzung zur Pandemie-Bekämpfung und ihren Folgen kommt, sollte gegebenenfalls über eine Überarbeitung der Richtlinie im Sinne einer Herausnahme des Gesundheitssektors aus deren Anwendungsbereich nachgedacht werden. Ziel muss es sein, dass die EU-Mitgliedstaaten alle erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen schnell und effizient einleiten können, ohne an bürokratischen Hürden zu scheitern.