Was bringt eine Finanztransaktionssteuer?

Datum des Artikels 26.02.2020
MittelstandsMagazin

Mit einer Steuer auf Aktienkäufe will Finanzminister Olaf Scholz die Grundrente bezahlen. Was ursprünglich zur Bändigung exzessiver Börsenspekulationen gedacht war, droht nun zur Belastung von altersvorsorgenden Kleinanlegern zu werden.

 

Seit Monaten treibt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene an. Die Zeit drängt, da die Steuer fest an die Grundrente geknüpft ist, die ab 2021 starten soll (siehe S. 14). Doch die Absprache mit den EU-Partnern gestaltet sich schwierig. Kommt die Börsensteuer also notfalls im nationalen Alleingang?

Ursprung in der Finanzkrise

Auf europäischer Ebene wird bereits seit 2011 über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer verhandelt. Nach der weltweiten Finanzkrise hatte die EU-Kommission einen ersten Entwurf vorgelegt. Die Steuer sollte neben Aktien eine ganze Reihe von Finanzgeschäften und -produkten abdecken. Ziel war es, den Hochfrequenz- und Derivatehandel einzudämmen und künftige Krisen zu verhindern. Einigen konnten sich die EU-Staaten jedoch nicht. Nach der letzten Bundestagswahl verständigten sich Union und SPD wie schon 2013 auf die „Einführung einer Finanztransaktionssteuer im europäischen Kontext“. Doch diesmal treibt der Finanzminister die Steuer energischer voran – weil er die anvisierten Einnahmen bereits fest für die Einführung der Grundrente verplant hat. Im Dezember 2019 legte Scholz einer Arbeitsgruppe von zehn EU-Ländern einen eigenen Entwurf vor. Neben Deutschland sollen Belgien, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Portugal, Österreich, Slowenien und die Slowakei mitmachen. Anders als bei sonstigen Steuerfragen ist bei der Finanztransaktionssteuer keine Einstimmigkeit aller Staaten erforderlich, da hier die Möglichkeit einer „verstärkten Zusammenarbeit“ genutzt werden kann. Dafür reicht es, wenn sich mindestens neun EU-Staaten auf eine Finanztransaktionssteuer einigen.

So soll die Steuer funktionieren

Der Entwurf sieht vor, Aktien großer Unternehmen mit einem Börsenwert von mehr als einer Milliarde Euro und Hauptsitz im Inland zu besteuern. Die Steuer soll 0,2 Prozent des Kaufpreises betragen. Wer beispielsweise 5.000 Euro investiert, zahlt dann 10 Euro extra – zusätzlich zu den üblichen Orderprovisionen, Handelsplatzgebühren und weiteren Fremdspesen. Beim Verkauf soll vorerst keine Steuer anfallen. Allerdings hält auch da der Staat wieder die Hand auf, indem auf Gewinne Abgeltungssteuer, Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer fällig werden. Das Bundesfinanzministerium rechnet mit Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Derivate, also komplexere Spekulationsprodukte wie Futures, sollen allerdings von der Steuer ausgeschlossen werden. Die Aktiensteuer trifft daher vor allem Kleinanleger. Laut Finanzministerium würden in Deutschland 145 Unternehmen unter die Steuer fallen. Mit den weiteren Staaten der EU-Arbeitsgruppe wären es in Summe mehr als 500 Unternehmen. Länder mit weniger Großunternehmen sollen an den Einnahmen aus den anderen Staaten beteiligt werden. Deutschland müsste also einen Teil seiner Einnahmen an kleinere EU-Länder abgeben. Börsenneulinge sollen von der Steuer ausgenommen werden. Unklar ist, ob auch private Rentenvorsorgeprodukte unter die Steuer fallen. Nach Auskunft der Fondsbranche wäre aber bei vielen Anlageprodukten gar nicht erkennbar, ob sie Altersvorsorgeprodukte seien.

Österreich schert aus

Mit Österreich scheint Scholz aber bereits einen Partner verloren zu haben. Der deutsche Vorschlag für eine Finanztransaktionssteuer sei „nicht akzeptabel“, teilte Österreichs Finanzminister Gernot Blümel unmissverständlich mit. Der Vorschlag sei „das Gegenteil von dem, was ursprünglich intendiert“ gewesen sei. „Er bestraft die Realwirtschaft und ist somit indirekt ein Vorteil für die Spekulanten, da können wir nicht zustimmen.“ Im Februar legte Kanzler Sebastian Kurz in der „Welt“ nach: Er sei „sicher, dass sich die deutsch-französischen Vorschläge zur Finanztransaktionssteuer, die auch von Herrn Scholz vertreten werden, so nicht durchsetzen“. Solange Österreich trotz seiner Ablehnung Mitglied dieser Gruppe bleibt, kann die Steuer wegen des Einstimmigkeitsprinzips nicht in Kraft treten. Und derzeit will niemand Österreich aus der Gruppe drängen, zumal Wien den Vorsitz der Gruppe innehat.

"Kleinsparer werden abgestraft"

Kritik kommt auch aus der deutschen Politik. „Der vorgelegte Entwurf ist eine reine Aktiensteuer, bei der in erster Linie Kleinsparer und Kleinanleger der unteren und mittleren Einkommensschichten abgestraft werden würden“, kritisiert Sebastian Brehm, finanzpolitischer Sprecher der CSU-Gruppe im Bundestag und Co-Vorsitzender der MIT-Steuerkommission. „In Zeiten niedriger Zinsen würden wir den Bürgern den Aufbau von Wohlstand noch erschweren und die ohnehin schwach ausgeprägte Aktienkultur weiter schwächen.“ Ziel müsse ein globaler Ansatz sein, der beim spekulativen Hochfrequenzhandel und anderen riskanten Geschäften ansetzt. Entscheidend sei zudem, dass Alters- und Rentenvorsorgeprodukte nicht zusätzlich besteuert werden. Genau die sind laut Bundesverband deutscher Banken aber betroffen. „Es trifft auf jeden Fall mehr als nur den kleinen Mann“, sagt Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer des Verbands. So seien auch Pensionsfonds betroffen, da diese per Gesetz oder eigener Satzung dazu verpflichtet seien, genau die Aktien der großen Dax-Konzerne zu kaufen. „Es wird sicherlich Ausweichbewegungen geben, aber bei denen, die es können“, sagt Krautscheid. So würden Großinvestoren anstelle von Aktien künftig auf Derivate oder andere Finanzprodukte setzen. „Aber die große Masse wird es nicht können.“

Ende Januar übte selbst der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums deutliche Kritik. Die Ausweichreaktionen, die auch der Bankenverband befürchtet, könnten zu einer Gefahr für die Stabilität des europäischen Finanzmarktes werden. Nämlich dann, wenn die Steuer angehoben wird. „Insgesamt ist festzuhalten, dass die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf Aktiengeschäfte aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll ist“, so die harte Stellungnahme des Gremiums, aus dem das Handelsblatt zitiert.

Wie geht es weiter?

Das Problem von Olaf Scholz: Wenn er die Kritikpunkte berücksichtigt und eine neue Finanztransaktionssteuer vorschlägt, setzt er sich von Frankreich ab. Frankreich war das Vorbild für seinen bisherigen Vorschlag. Damit würde eine Einigung auf europäischer Ebene noch unwahrscheinlicher. Unklar ist, ob Scholz die Steuer notfalls national durchdrücken wird, sollte eine europäische Einigung scheitern. Im Koalitionsvertrag ist allerdings eindeutig von einer Einführung „im europäischen Kontext“ die Rede. Auf Antrag der MIT hat die CDU zudem auf ihrem Parteitag im November unmissverständlich klargemacht: „Eine rein nationale Finanztransaktionssteuer wird ausgeschlossen.“

Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin (Ausgabe 1-2020)