Unternehmensteuern umfassend reformieren

Datum des Artikels 17.07.2024

I. Einführung: Steuerpolitik ist Zukunftspolitik

Im dritten Jahr der Ampelkoalition steckt die deutsche Wirtschaft tief in der Krise. Insbesondere die Industrie, deren Produktion seit 2018 kontinuierlich rückläufig ist, leidet unter den sich verschlechternden Standortbedingungen. Eine nachhaltige Erholung ist nicht in Sicht.

Anders, als der Bundeskanzler und der Bundeswirtschaftsminister behaupten, liegt dies nicht an der Wirtschaft, die den Standort schlechtredet. Vielmehr sind es die von der Ampelkoalition mutwillig herbeigeführten Rahmenbedingungen, die sich zu einem strukturellen Standortproblem ausgewachsen haben.

Diese Krise ist auch eine Krise des deutschen Steuersystems. Seit dem Jahr 2008 hat sich die deutsche Steuerpolitik weitgehend auf die Bekämpfung von Steuervermeidungsstrategien beschränkt. Das Resultat ist das restriktivste und bürokratischste Unternehmensteuerrecht in der Geschichte der Bundesrepublik. Hinzu kommt: Kaum ein anderes Land besteuert Unternehmensgewinne so hoch wie Deutschland. Deutschland ist steuerlich nicht mehr wettbewerbsfähig.

Die deutsche Wirtschaft braucht eine durchgreifende steuerpolitische Wende, damit sie wieder Wohlstand für alle schaffen kann. Dazu muss die Wiederherstellung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit zum zentralen Ziel der Steuerpolitik werden und Vorrang vor Nebenzielen haben. Hierzu müssen die Steuern für Unternehmen gesenkt, Investitionsanreize gesetzt und Steuerbürokratie abgebaut werden. Die Erhöhung von Steuern, die Einführung neuer Steuern sowie die Einführung neuer bürokratischer Pflichten für Steuerzahler, wie eine Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungen, sind dagegen Gift für die wirtschaftliche Erholung und sind strikt abzulehnen.

In einer Marktwirtschaft müssen sich Unternehmen nach ihren unternehmenspolitischen Vorstellungen organisieren und strukturieren können. Nur so können sie ausreichend schnell auf veränderte Marktgegebenheiten reagieren. Das Steuerrecht darf sie nicht behindern; es darf zu keinen neuen Steuerlasten kommen – weder im Ertragsteuerrecht noch bei den Verkehrsteuern (insbesondere nicht bei der Grunderwerbsteuer). Die MIT fordert die Rückkehr zum Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit auch für Unternehmen. Die Unternehmen sind das Rückgrat des Wohlstands und der Beschäftigung. Das deutsche Unternehmertum sichert und garantiert bisher das Wohlergehen des Landes und seiner Bevölkerung. Die MIT fordert den Abbau des staatlichen Generalverdachts gegen erfolgreiche unternehmerische Betätigung in diesem Lande und den konsequenten Rückbau von steuerlichen Vorschriften, die die Unternehmen in eine Rechtfertigungsposition gegenüber dem Staat und der Allgemeinheit bringen.

Die Wiederherstellung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit ist kein Steuergeschenk für Unternehmen, sondern legt für uns alle das Fundament für Wachstum, Wohlstand und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Eine prosperierende Wirtschaft liefert die Steuereinnahmen von morgen und sichert somit die Handlungsfähigkeit des Staates.

II. Überblick: Grundzüge eines neuen Unternehmensteuerrechts

Deutschland braucht ein neues Unternehmensteuerrecht. Für die MIT gehören die folgenden Themenbereiche zu den zwingend zu reformierenden Aspekten für ein modernes, wettbewerbsfähiges, gerechtes und zukunftstaugliches Unternehmensteuerrecht:

  1. Senkung der Unternehmensteuern: Um die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wiederherzustellen, muss die Steuerlast von Unternehmen an das internationale Niveau angepasst und auf maximal 25 Prozent gesenkt werden. Der noch bestehende Rest-Solidaritätszuschlag ist abzuschaffen; er belastet insbesondere Unternehmen.
  2. Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit: Unternehmen müssen wieder nach ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Daher sind die Beschränkungen des Verlustabzugs und Regelungen zum Wegfall von Verlusten weitestgehend abzubauen. Der Verlustrücktrag ist zu erhöhen und der Verlustvortrag unbeschränkt zu erlauben.
  3. Rechtformneutralität der Unternehmensbesteuerung: Immer noch ist die Steuerbelastung eines Unternehmens von seiner Rechtsform abhängig. Die bestehenden Steuersysteme für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften sollten durch den Ausbau von Wahlrechten angeglichen werden. Perspektivisch sollte sich ein Unternehmen im Sinne eines atmenden Systems und größerer Flexibilität sein Besteuerungsregime aussuchen dürfen, vergleichbar dem US-amerikanischen Check-the-Box-System.
  4. Unterstützung von Investitionen und Beschäftigung: Um im internationalen Umfeld zu bestehen, müssen Investitionen im Inland insbesondere durch günstige Abschreibungsbedingungen gefördert werden. Gleichzeitig ist dem steigenden Bedarf der inländischen Wirtschaft nach qualifizierten Arbeitnehmern durch die Schaffung entsprechender steuerlicher Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.
  5. Für eine neue Partnerschaft von Unternehmen und Steuerstaat: In den letzten 15 Jahren ist das Steuerrecht mit Vorschriften aufgebläht worden, die von einem hohen Misstrauen des Staats gegenüber den Unternehmen zeugen. Im Ergebnis stellt der Staat jegliche unternehmerische Tätigkeit unter einen Generalverdacht der Steuerhinterziehung und Steuergestaltung. Viele der Steuerverfahrensregeln sind mit teils drakonischen und völlig unverhältnismäßigen Sanktionen versehen. Wir fordern eine neue Partnerschaft zwischen Steuerstaat und Unternehmen.
  6. Reform der Gewerbesteuer: Die deutsche Gewerbesteuer ist in ihrer bestehenden Form international ein Fremdkörper und belastet die Unternehmen in ihrer Substanz. Zugleich ist eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben unter Erhalt eines Bandes zwischen Kommunen und Unternehmen zwingend notwendig. Deshalb ist im Rahmen einer Reform der Gemeindefinanzen eine Modernisierung der Gewerbesteuer erforderlich.
  7. Modernisierung des Konzernsteuerrechts: Das deutsche Konzernsteuerrecht muss endlich den Schritt in Richtung Europa tun und sich für grenzüberschreitende Organschaften öffnen. In der Lebenswirklichkeit hat sich Europa längst zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum entwickelt, wovon Deutschland besonders stark profitiert. Das Konzernsteuerrecht sollte sich deshalb von überkommenen Voraussetzungen wie dem Ergebnisabführungsvertrag befreien.
  8. Reform der Grunderwerbsteuer: Das völlig unpraktikable Grunderwerbsteuerrecht stellt in seiner derzeitigen Form eine erhebliche Beschränkung unternehmerischer Tätigkeiten dar und bedarf einer grundlegenden Reform.
  9. Senkung der Stromsteuer: Die Stromsteuer muss auf den EU-Mindestsatz gesenkt werden. Im Gegenzug kann die bürokratische Entlastung des produzierenden Gewerbes entfallen.
  10. Bürokratieabbau durch Rückführung überschießender Regelungen: Überflüssige und erwiesenermaßen wirkungslose Maßnahmen müssen abgeschafft oder neu justiert werden.
  11. Interessen der steuerehrlichen Unternehmen in der Umsatzsteuer berücksichtigen: Durch Verbesserungen im Verfahrensrecht und die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer in einem Verrechnungsmodell können erhebliche Entlastungen aller Unternehmen ohne Minderung des Umsatzsteueraufkommens bewirkt werden.

III. Die Vorschläge der MIT im Einzelnen

1. Senkung der Unternehmensteuern

Um die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wiederherzustellen, muss die Steuerlast von Unternehmen an das internationale Niveau angepasst werden. Hierzu darf die Steuerbelastung unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens maximal 25 Prozent betragen.
Der Körperschaftsteuersatz ist das wichtigste Kriterium im internationalen Standortwettbewerb. Er sollte auf 10 Prozent gesenkt werden. Allein mit dieser einfach umzusetzenden Maßnahme würde Deutschland seine steuerliche Wettbewerbsfähigkeit mit einem Schlag deutlich verbessern. Eine deutliche Zunahme von Investitionen in Deutschland aus dem In- und Ausland wäre zu erwarten.
Um eine Belastungsgleichheit der verschiedenen Unternehmensformen näherungsweise zu gewährleisten, muss die Senkung der Körperschaftsteuer durch parallele Maßnahmen für Einzelunternehmer und Personengesellschaften flankiert werden. Hierzu gehört auch die von der MIT immer wieder angemahnte Reform des Einkommensteuertarifs mit Abflachung des Mittelstandsbauchs.
Der Solidaritätszuschlag ist seit 2021 zu einer nicht mehr begründbaren Sondersteuer insbesondere für Unternehmen und Kapitalanleger verkommen. Die sofortige Abschaffung des verbleibenden Rest-Soli wäre eine schnelle und einfache Möglichkeit, die Steuerbelastung für Unternehmen zu senken, und darüber hinaus ein nennenswerter Beitrag zum Bürokratieabbau. Zudem ist höchst fraglich, ob das Bundesverfassungsgericht in seiner anstehenden Entscheidung den Solidaritätszuschlag in seiner gegenwärtigen Form noch akzeptieren wird.

2. Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit

Eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass Gewinne und Verluste steuerlich gleichwertig berücksichtigt werden. Zahlreiche bürokratische Beschränkungen der Verlustverrechnung stehen dem aktuell entgegen. Die MIT fordert eine grundlegende Verbesserung der Verlustnutzungsmöglickeiten, die über die kosmetischen Anpassungen der Ampelkoalition hinausgeht. Die Stellschrauben hierfür sind:

  • Erhöhung des Verlustrücktrages auf 10 Mio. Euro (20 Mio. Euro bei Verheirateten) sowie Verlängerung des Rücktragzeitraums auf 3 Jahre.
  • Beim Verlustvortrag: Sofortige Entschärfung und perspektivisch Rücknahme der Mindestgewinnbesteuerung sowohl in der Einkommen- und Körperschaftsteuer als auch in der Gewerbesteuer.
  • Entschlackung der Verlustnutzungsregelungen für Körperschaften (sog. Mantelkaufvorschriften); diese müssen von Grund auf überdacht werden; sie sind zu vereinfachen, zu vereinheitlichen und auf ihr Kernanliegen zu beschränken.
  • Verlustübergang bei Umwandlungen ermöglichen (Streichung des § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).
  • In gleicher Weise sind die zahlreichen Beschränkungen des Betriebsausgabenabzugs zu überdenken. In diesem Zuge sollten die „Buchstabenparagraphen“ der §§ 4h ff EStG konsolidiert und deutlich vereinfacht werden.

3. Rechtsformneutralität der Unternehmensbesteuerung

Immer noch ist die Steuerlast eines Unternehmens von seiner Rechtsform abhängig. Trotz der Einführung des § 1a KStG kann (noch) nicht wirklich von einer Rechtsform-, Belastungs- oder Finanzierungsneutralität die Rede sein. Unterschiede bestehen nicht nur hinsichtlich der Wirkungsweise des jeweils anzuwendenden Rechts, sondern vor allem in der steuerlichen Belastung gleicher wirtschaftlicher Aktivitäten.

Kurzfristig sind die bestehenden Systeme, § 34a EStG und § 1a KStG, spürbar zu verbessern. Denn bislang leisten sie aufgrund erheblicher Defizite keinen relevanten Beitrag auf dem Weg zu einer rechtsformneutralen Besteuerung.

  • Der Thesaurierungssatz in § 34a EStG sollte auf 25% gesenkt werden und außerdem schon im Vorauszahlungsverfahren Anwendung finden. Die Nachversteuerung darf nicht zu einem festen Satz erfolgen, sondern sollte an den Verhältnissen des (Mit-)Unternehmers ausgerichtet und nach den Grundsätzen des Teileinkünfteverfahrens vorgenommen werden; Verluste des (Mit-)Unternehmers sollten verrechenbar sein. Von der strikten Verwendungsreihenfolge sollte Abstand genommen werden und die Nachversteuerung erst im Falle einer Totalüberentnahme einsetzen.
  • Auch die Durchlässigkeit beider Besteuerungssysteme ist ausbaubedürftig. § 1a KStG bietet bestimmten Personenunternehmen zwar heute schon die Möglichkeit, sich optional der Körperschaftsteuer zu unterwerfen, dies geht jedoch mit erheblichen Nachteilen einher. So müssen thesaurierende Unternehmen zwangsweise in die Nachversteuerung, bestehende Verlust-/Zins-/EBITDA-Vorträge der optierenden Gesellschaft gehen unter und die optierende Gesellschaft kann nicht uneingeschränkt Teil eines Konzerns (einer Organschaft) sein. Diese Hürden müssen beseitigt werden.

Mit einem Gewerbesteuer-Anrechnungsvortrag sollte die durch den Gesetzgeber bei Einführung des § 35 EStG intendierte Anrechnung der GewSt auf die Einkommensteuer (§ 35 EStG) auch periodenübergreifend gewährleistet werden. Insoweit ein GewSt-Ermäßigungsbetrag im Veranlagungsjahr nicht nutzbar ist, soll dieser nicht mehr untergehen, sondern als Gewerbesteueranrechnungsvortrag gesondert festgestellt und vorgetragen werden.

Perspektivisch sollte sich ein Unternehmen im Sinne eines atmenden Systems und größerer Flexibilität sein Besteuerungsregime aussuchen dürfen, vergleichbar dem US-amerikanischen Check-the-Box-System. Der international und rechtsvergleichend zu beobachtenden Trend, die steuerliche Gewinnermittlung an international harmonisierten Rechnungslegungsstandards auszurichten, sollte bedacht werden.

4. Unterstützung von Investitionen und Beschäftigung

Nur durch zusätzliche Investitionen kann Deutschland wieder auf einen nachhaltigen Wachstumskurs einschwenken. Attraktive steuerliche Abschreibungsbedingungen haben erwiesenermaßen einen starken Einfluss auf die Investitionstätigkeit. Sie sind ein einfaches und bewährtes Instrument der Investitions- und Wachstumsförderung. Dabei sollten die Bedingungen für alle Investitionen gleichermaßen verbessert werden. Eine staatliche Investitionslenkung ist abzulehnen. Aus Sicht der öffentlichen Haushalte sind verbesserte Abschreibungsbedingungen mittelfristig neutral bis positiv, da einer höheren Abschreibung in der Gegenwart geringere Abschreibungen in der Zukunft gegenüberstehen und darüber hinaus Wachstum angeregt wird. Konkret fordert die MIT:

  • Ausbau und Entfristung der degressiven AfA: Die degressive AfA muss dauerhaft zu einem Satz von bis zu 35 Prozent (bzw. das Dreifache der linearen AfA) zur Verfügung stehen.
  • Erhöhung der GWG-Grenze auf 5.000 Euro bei gleichzeitiger Abschaffung des Sammelpostens.
  • Verbesserung des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG: Die Regelung ist auch nach den Reformen der vergangenen Jahre zu restriktiv und schöpft ihr Potenzial nicht aus. Der Kreis der Antragsberechtigten sollte durch ein Anheben der Gewinngrenze auf 1 Mio. Euro deutlich erweitert werden. Daneben ist der maximale Abzugsbetrag je Betrieb auf 500.000 Euro zu erhöhen. Zudem sollte der Abzug auch für immaterielle Wirtschaftsgüter ermöglicht werden.
  • Ausweitung der Regelung zur Übertragung von stillen Reserven bei bestimmten Anlagegütern (§ 6b EStG) auf sämtliche Gruppen von Anlagegütern.
  • Schließlich gehört zum Instrumentenkasten einer handlungsfähigen Steuerpolitik ein Investitionsbooster im Sinne einer umfassenden Sofortabschreibung.

Die deutsche Wirtschaft leidet unter einem Fachkräftemangel. Gleichzeitig geht die sog. Boomer-Generation auf die Rente zu. Auch das Steuerrecht kann als Instrument dienen, um die drohenden Wohlstandsverluste zu verringern, indem es

  • Anreize für Hochqualifizierte setzt, nach Deutschland zu kommen. Das kann z.B. durch ein Steuer- und Sozialversicherungs-Moratorium während einer Übergangszeit geschehen. Spanien, Frankreich und Holland haben hiermit wahrnehmbare Erfolge erzielt. Deutschland darf im Wettbewerb um die besten Köpfe nicht ins Hintertreffen geraten.
  • Zuzugshürden abbauen. Hochqualifizierte, innovative Arbeitskräfte bringen häufig Beteiligungen von mehr als 1 Prozent an Kapitalgesellschaften mit. Damit fallen diese Anteile bei einem späteren Wegzug aus Deutschland unter die Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG), und vor dem Zuzug nach Deutschland geschaffene Wert unterliegen in Deutschland der Besteuerung. Diese überschießende Besteuerung vermindert die Attraktivität des Standorts und sollte flexibler ausgestaltet werden. Spiegelbildlich sollte die Wegzugsbesteuerung für Menschen, die Erfahrungen im Ausland sammeln, erleichtert werden, z.B. durch vereinfachte Stundungsmöglichkeiten – zumindest gegenüber dem EU/EWR-Raum.

5. Für eine neue Partnerschaft von Unternehmen und Steuerstaat

Unter dem Eindruck einer fast ausschließlichen Fokussierung auf die Bekämpfung von Steuerverlagerung und (vermeintlich) missbräuchlichen Steuergestaltungen ist in Deutschland ein äußerst restriktives und bürokratisches Steuerrecht entstanden. Der Trend zu immer mehr Steuerbürokratie muss nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt werden. Es braucht einen Mentalitätswechsel in Steuerpolitik und Finanzverwaltung. Regelungen müssen entschlackt und praxisnah ausgestaltet werden. Der vorherrschenden Kultur des Misstrauens gegenüber den Steuerpflichtigen und ihren Beratern muss entgegengewirkt werden. Aus dem Gegeneinander von Finanzverwaltung und Unternehmen sollte ein Miteinander werden. In dieser Partnerschaft müssen das berechtigte fiskalische Interesse nach Besteuerung und das unternehmerische und gesamtgesellschaftliche Interesse nach wirtschaftlichem Erfolg gleichwertig nebeneinanderstehen.
Konkret fordert die MIT:

  • Trotz der Reform der Außenprüfung im Jahr 2021 beschäftigen sich deutsche Betriebsprüfungen flächendeckend mit lang zurückliegenden Sachverhalten. Es bedarf einer grundlegenden Reform der Außenprüfung hin zu einer prüfenden Veranlagung (international auch Horizontal Monitoring oder Cooperative Compliance genannt).
  • Der Entwurf der sog. „Buchführungsdatenschnittstellenverordnung“ (DSFinVBV), die das BMF auf Basis des von der Ampel eingeführten § 147b AO vorgelegt hat, ist ein bürokratisches Monster. Sie stellt maßlose Anforderungen an die Unternehmen, die mit ordnungsgemäßer kaufmännischer Buchführung nichts mehr gemein haben. Der Entwurf ist grundlegend zu überarbeiten und unternehmensfreundlich auszugestalten. Dabei dürfen Risiken für Unternehmen, wie die Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung, nicht mit den neuen Vorgaben gekoppelt werden.
  • Das Instrument der verbindlichen Auskunft sollte ausgebaut und attraktiver gestaltet werden, u.a. durch den Wegfall der Gebühren.
  • Die ab 2025 greifende Erweiterung der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 4 AO ist zurückzunehmen. Nach der im Jahr 2022 eingeführten Regelung sollen Steuerpflichtige Korrekturen selbständig vornehmen, die sich aus bestandskräftigen Bescheiden nach einer Außenprüfung für andere, bereits abgegebene Steuererklärungen ergeben. Es kann von der Finanzverwaltung erwartet werden, dass sie ihre eigenen Prüfungsergebnisse kennt und in das Besteuerungsverfahren einfließen lässt.
  • Meldepflichten sind auf das für Besteuerungszwecke absolut erforderliche Maß zu reduzieren. Wo dies nicht möglich ist (z.B. aufgrund der Vorgaben von Unionsrecht), muss die Datenüberlassung durch die die Bürokratielast erlassende Ebene (Bund, EU) finanziell entschädigt werden. Denn die Überlassung von Daten hat einen finanziellen Wert.
  • Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Steuerverfahrensrecht muss wiederhergestellt werden. Die drastischen Sanktionen bei geringfügigem Fehlverhalten sind flächendeckend abzubauen.

6. Reform der Gewerbesteuer

Die deutsche Gewerbesteuer ist in ihrer bestehenden Form international ein Fremdkörper und belastet die Unternehmen in ihrer Substanz.
Auf der anderen Seite ist eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben zwingend notwendig. Dabei ist das Band zwischen Gemeindefinanzen und wirtschaftlicher Betätigung vor Ort zu erhalten, weil dies die Wirtschaft und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Fläche fördert. Deshalb ist im Rahmen einer umfassenden Reform der Gemeindefinanzen eine Modernisierung der Gewerbesteuer erforderlich.

7. Modernisierung des Konzernsteuerrechts

Es gibt heute kaum noch Unternehmen, die nicht auch international tätig sind. Daher bedarf es eines Unternehmensteuerrechts, das für diese Unternehmen nicht zu Nachteilen führt. Das deutsche Konzernsteuerrecht muss endlich den Schritt in Richtung Europa tun und sich für grenzüberschreitende Organschaften öffnen. In der Lebenswirklichkeit hat sich Europa längst zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum entwickelt, wovon Deutschland besonders stark profitiert. Das Konzernsteuerrecht sollte sich von überkommenen Voraussetzungen wie dem Ergebnisabführungsvertrag befreien.

Gleichzeitig sollten künftige europäische Entwicklungen die Bedürfnisse von Unternehmensgruppen und gegliederten Konzern angemessen abbilden. Von einer überstürzten Einführung eines eigenständigen EU-Konzernsteuerrechts (BEFIT) sollte abgesehen werden. Den Unternehmen sollte zunächst Zeit gegeben werden, die globale Mindeststeuer zu verarbeiten.

8. Reform der Grunderwerbsteuer

Das Grunderwerbsteuerrecht hat sich zu einer ernsthaften Belastung des Investitionsstandorts Deutschland entwickelt. In seinem Bestreben, auch die letzten (vermeintlichen) Besteuerungslücken zu schließen, hat der Gesetzgeber ein auch für Experten kaum noch zu durchdringendes Dickicht an sog. Ergänzungstatbeständen geschaffen. Darunter leidet die Rechtssicherheit. Zusammen mit einer nicht funktionierenden Konzernklausel und in Anbetracht der stark gestiegenen Steuersätze erweist sich die Grunderwerbsteuer zunehmend als ernsthaftes Investitions- und Umstrukturierungshindernis. Personengesellschaften sehen sich darüber hinaus der Gefahr ausgesetzt, dass nach der Modernisierung des Personengesellschaftsrechts und dem Auslaufen der Übergangsregelung Ende 2026 wichtige Entlastungsvorschriften ersatzlos entfallen.

Die MIT fordert, das Grunderwerbsteuerrecht grundlegend zu reformieren. Das Ziel sollte sein, künftig den Umbau von Konzernstrukturen nicht mehr unangemessen zu beeinträchtigen. Die bisher für Personengesellschaften bestehenden Vergünstigungen sollten beibehalten und auf Kapitalgesellschaften ausgedehnt werden. Das vom Arbeitskreis Grunderwerbsteuerrecht des Instituts für Steuerrecht an der Universität Leipzig ausgearbeitete Modernisierungsmodell („MoMo“) kann ein Ausgangspunkt für eine Reform der Grunderwerbsteuer sein.

9. Senkung der Stromsteuer

Teure Energiepreise sind eines der Hauptprobleme des Standorts Deutschland. Elektrischer Strom ist der Kernbaustein des Umbaus der deutschen Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität. Dieser politisch gewollte Umbau darf nicht durch eine im europäischen Vergleich maßlose Steuer auf Strom behindert werden, die aktuell knapp das 31fache des EU-Mindeststeuersatzes beträgt. Die MIT fordert für sämtliche Unternehmen ein Absenken des Stromsteuersatz auf den EU-Mindeststeuersatz von 0,50 EUR/MWh.
Im Gegenzug kann die bürokratisch aufwendige Entlastung für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes sowie der Landwirtschaft entfallen.
Damit würde die anstehende Umstellung der deutschen Wirtschaft auf Klimaneutralität gefördert, bei der Strom der Hauptenergieträger ist (mangels hinreichend verfügbaren Wasserstoffs). Zugleich würden Steuersubventionen abgebaut.

10. Bürokratieabbau durch Rückführung überschießender Regelungen

Seit der globalen Finanzkrise haben sich die europäische und deutsche Steuerpolitik weitgehend auf die Bekämpfung von Steuervermeidungsstrategien beschränkt. Die letzte Unternehmensteuerreform, die das Ziel der Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland verfolgt, wurde im Jahr 2007 beschlossen. Das Resultat ist neben dem Verlust der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit das restriktivste und bürokratischste Unternehmensteuerrecht in der Geschichte der Bundesrepublik. Durch die gezielte Rückführung von in den vergangenen Jahren aufgetürmten, oftmals redundanter Regelungen kann ein signifikanter Beitrag zum Bürokratieabbau geleistet werden. Überflüssige und erwiesenermaßen wirkungslose Maßnahmen müssen abgeschafft oder neu justiert werden (sog. „Decluttering“). Dies betrifft insbesondere:

Auf nationaler Ebene sind die folgenden Maßnahmen vordringlich:

  • Die Lizenzschranke sowie die Regelung zum eingeschränkten Schuldzinsabzug bei Überentnahmen (§ 4 Abs. 4a EStG) sind abzuschaffen, da der Verwaltungsaufwand in keinem sinnvollen Verhältnis zum zusätzlichen Steueraufkommen steht.
  • Eine überschießende nationale Umsetzung von EU-Vorgaben und nationales Sonderrecht („Goldplating“), z.B. die Ausweitung der Mitteilungspflicht auf innerstaatliche Steuergestaltungen, sind zu unterlassen. Das Steueroasen-Abwehrgesetz sollte sich, wie in zahlreichen anderen EU-Mitgliedstaaten, auf eine bis maximal zwei legislative Abwehrmaßnahmen beschränken.
  • Die neu eingeführten § 1 Abs. 3d/e AStG (Bestimmung der Verrechnungspreise bei Finanzierungsbeziehungen) sollten umgehend wieder abgeschafft oder zumindest an die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien angeglichen werden. Sie führen zu einem Verrechnungspreisverständnis jenseits internationaler Realitäten und treiben die betroffenen Unternehmen geradewegs in die Doppelbesteuerung.
  • § 90 Abs. 3/4 AO – die Verschärfung der Dokumentationspflichten bei Verrechnungspreisen ab 2025 – ist zu stoppen! Danach sollen alle Unternehmen ihre Dokumentationen unaufgefordert zu Beginn der Betriebsprüfung bereitstellen. Aktive Vorratsdokumentation ist der Inbegriff eines Bürokratiemonsters!
  • o Die bei Einbringungen von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft für volle sieben Jahre bestehende Nachweispflicht nach § 22 Abs. 3 UmwStG, wem bestimmte Anteile zuzurechnen sind, ist zu streichen. Die Finanzverwaltung kann die Informationen über entsprechende Register jederzeit abrufen.
  • o Die Gewerbesteuer-Zerlegung kann vereinfacht werden, ohne das Aufkommen für die betroffenen Kommunen zu verändern. Hierzu sollte in Fällen des abweichenden Wirtschaftsjahres bei der Zerlegung des GewSt-Messbetrages nach § 29 Abs. 2 GewStG nicht auf die Arbeitslöhne des Erhebungszeitraums (Kalenderjahr) abgestellt werden, sondern auf die Arbeitslöhne, welche in den im Erhebungszeitraum endenden Wirtschaftsjahren gezahlt worden sind. So kann auch beim abweichenden Wirtschaftsjahr die GewSt-Rückstellung am Abschlussstichtag final berechnet werden und es muss nicht bis zum Ende des Kalenderjahres abgewartet werden.

Auf EU-Ebene sollte:

  • Die erwiesenermaßen nutzlose Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen („DAC 6“) abgeschafft werden.
  • Auch abgeschafft werden sollte nach dem Auslaufen der CbCR-Safe-Harbor-Regelungen in der Mindeststeuer das Country-by-Country Reporting für die Finanzverwaltung (in Deutschland § 138a AO), da die betroffenen Unternehmen mit dem Mindeststeuerbericht umfassend Informationen bereitstellen.
  • Das in diesem Jahr erstmals greifende öffentliche Country-by-Country Reporting (in Deutschland §§ 342 ff. HGB) muss zurückgenommen werden.
  • Sofern sich die globale Mindeststeuer außerhalb der EU nicht durchsetzt, sollte mittelfristig die Abschaffung der EU-Richtlinie, wenigstens aber eine deutliche Reduzierung des Anwendungsbereichs, geprüft werden.
  • Regelungen wie die Zinsschranke oder die Hinzurechnungsbesteuerung in der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD) sollten auf die zielgenaue Verhinderung grenzüberschreitender Missbrauchsfälle zurückgeführt werden.

11. Interessen der steuerehrlichen Unternehmen in der Umsatzsteuer berücksichtigen

Die Umsatzsteuer ist die aufkommensstärkste Einzelsteuer. Aufgrund ihrer Komplexität wird sie ihrem Charakter als Massentransaktionssteuer nicht mehr gerecht und ist eine der größten steuerlichen Gefahrenquellen für steuerehrliche Unternehmer. Die Lasten der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs werden auf die Unternehmen abgewälzt.

Das nationale Verfahrensrecht ist den spezifischen Fragen des Umsatzsteuerrechts nicht mehr gewachsen, die sich aus dem Zusammenspiel von Abführung der Umsatzsteuer durch den einen und den Vorsteuerabzug durch einen anderen Umsatzsteuerpflichtigen ergeben. So bieten sich beispielsweise keine verfahrensrechtlichen Möglichkeiten, inkongruente Entscheidungen der Finanzverwaltungen des leistenden und des leistungsempfangenden Umsatzsteuerpflichtigen verfahrensrechtlich zu vermeiden. Im Grundsatz sind die beteiligten Unternehmer auf zwei Finanzrechtsverfahren (gegen ihre jeweiligen Finanzverwaltungen) und ein Zivilrechtsverfahren (gegeneinander) verwiesen. Weitere Problemfelder sind z.B. die weiterhin fehlende Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung zum sog. „Direktanspruch“, um den steuerehrlichen Umsatzsteuerpflichtigen von den Risiken mangelnder zivilrechtlicher Durchsetzung von Umsatzsteuerkorrekturansprüchen zu befreien, oder die Verzinsung von Umsatzsteuerbeträgen in Fällen, in denen die Finanzverwaltung keine Liquiditätsnachteile erleidet.

Die MIT fordert:

  • Durch die Normierung eines gesonderten, die Vorgaben des Unionsrechts beachtenden Umsatzsteuerverfahrensrechts können erhebliche Entlastungen aller Unternehmen ohne Minderung des Umsatzsteueraufkommens bewirkt werden.
  • Die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer sollte hin zu einem Verrechnungsmodell entwickelt werden. Damit würden gravierende Wettbewerbsnachteile deutscher Unternehmen innerhalb der EU sowie Bürokratie abgebaut und die bestehenden Liquiditätsbelastungen abgemildert.
  • Auf EU-Ebene sollte sich Deutschland für die flächendeckende Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens (umgekehrte Steuerschuldnerschaft) im B2B-Bereich einsetzen. Durch die ab 2025 erfolgende Einführung der E-Rechnung ermitteln Unternehmen zukünftig bereits, ob ein Umsatz B2B erfolgt. Die einer E-Rechnung unterliegenden Vorgänge könnten somit direkt in die Anwendung eines Reverse-Charge-Systems überführt werden. Dies hätte auch den Vorteil, dass im B2B-Bereich die Abgrenzungsproblematik der Ist-Versteuerung von der Soll-Versteuerung nicht mehr auftritt.

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