Standort Deutschland: Herausforderungen für den Mittelstand

Beschluss

Beschluss des MIT-Bundesvorstands am 15. Oktober 2024

1. Aktuelle Lage am Wirtschaftsstandort Deutschland

Deutschland gehört zu den leistungsstärksten Volkswirtschaften der Erde. Deutlich wird dies an der gesamtwirtschaftlichen Leistung. Gemessen am nominalen Bruttoinlandsprodukt liegt Deutschland derzeit auf Platz 3 weltweit. Möglich wurde dieser große Erfolg durch die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg. Diese Wirtschaftsordnung, die den Anreiz des Einzelnen mit einem gesellschaftlichen Ausgleich verbindet, gehört zur DNA der CDU wie sonst zu keiner anderen Partei.

Leider mehren sich in jüngster Zeit die Anzeichen dafür, dass dieser Spitzenplatz gefährdet ist. Während andere hochentwickelte Volkswirtschaften trotz der zahlreichen aktuellen Krisen wachsen, und dies zum Teil deutlich, stagniert die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland seit gut drei Jahren. Dabei mehren sich die Anzeichen, dass mit einer durchgreifenden Besserung für voraussichtlich längere Zeit nicht zu rechnen ist. 

Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Zum Teil haben sie ihre Ursache in globalen Entwicklungen, die außerhalb der Kontrolle unseres Landes liegen. So ist die beträchtliche Unsicherheit, die aus den zahlreichen geopolitischen Spannungen herrührt, sicher ein Grund dafür, dass sich Verbraucher und Unternehmen mit Konsum und Investitionen zurückhalten. Auch trifft die zunehmende Fragmentierung der Weltwirtschaft die deutsche Volkswirtschaft besonders hart. Als exportorientiertes Land belastet die spürbar geringere Wachstumsdynamik im Außenhandel stark. Richtig ist aber auch, dass viele Probleme der deutschen Wirtschaft hausgemacht sind. Stichworte sind hier die fehlgeleitete Migrationspolitik, die zunehmend geringeren Bildungserfolge, die Zerstörung der Anreize zur Arbeitsaufnahme durch einen immer größer werdenden Sozialstaat, die zunehmenden staatlichen Interventionen in Wirtschafts- und Industriepolitik, der immer noch ungebremste Aufwuchs von Bürokratie und Regulierung, das Fehlen einer klaren und technologieoffenen Energiepolitik sowie die hohen moralischen Töne, mit denen die aktuelle Regierung die Beziehungen zu vielen unserer Handelspartner belastet.

Sehr deutlich schlagen sich diese Entwicklungen in der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nieder. Dem World Competitiveness Index des International Institute for Management Development (IMD) zufolge, lag Deutschland im Jahr 2021 auf Platz 15, fiel dann aber in nur zwei Jahren um ganze acht Stellen auf Platz 22, wobei seit 2019 in ausnahmslos allen Subkomponenten des Index ein Rückgang zu verzeichnen ist. Die Hiobsbotschaften kommen folglich auch auf dem Arbeitsmarkt in immer kürzeren Abständen. Bis zu 14.000 Stellen sollen beim Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen wegfallen, 10.000 bei SAP, 30.000 bei der Deutschen Bahn. Selbst der Volkswagenkonzern denkt aktuell über Betriebsschließungen am Heimatstandort Deutschland nach. Zunehmend schlägt sich diese Entwicklung auch auf dem Arbeitsmarkt nieder. Einschlägige Indikatoren haben zuletzt einen deutlichen Anstieg signalisiert.

Von dieser Entwicklung sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ganz besonders betroffen. Denn während sich global operierende Unternehmen mit großen Teilen ihrer Wertschöpfung den schlechter werdenden heimischen Bedingungen entziehen können, gilt dies für KMU und die Freien Berufe nicht. Sie sind der vollen Wucht von Bürokratie und Regulierung, von Steuern und Abgaben und den sich rasch ändernden Gesetzen ausgesetzt, die tief in die Geschäftsmodelle eingreifen, zu Unsicherheit führen - und damit letztlich den wirtschaftlichen Erfolg schmälern. In diesem Papier werden daher vor allem die Bedingungen am Wirtschaftsstandort Deutschland in den Blick genommen, die sich negativ auf die wirtschaftliche Tätigkeit von KMU auswirken. Und es werden konkrete Vorschläge für Verbesserungen gemacht.

2. Große wirtschaftliche Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen

Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in Deutschland zählt zur Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Insgesamt gibt es 3,1 Millionen Unternehmen in Deutschland, wovon 2,6 Millionen sogenannte Kleinstunternehmen sind. Zu den Freien Berufen zählen 6,1 Mio. Erwerbstätigen und 1,5 Mio. Selbständige. 20.700 gelten als Großunternehmen.  Im Jahr 2020 stellte der Mittelstand 99,3 % aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen, in denen 54,4 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten angestellt waren, 33,7 % aller Umsätze erwirtschaftet und 70,6 % aller Auszubildenden ausgebildet wurden. Im deutschen Handwerk waren im Jahr 2021 5,4 Millionen Menschen in 568.000 Unternehmen beschäftigt. Sie erzielten dabei einen Umsatz von 659 Milliarden €, was knapp 18 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts entsprach. Im mittelständisch geprägten Einzelhandel sind 3,2 Mio. Menschen in 300.000 Unternehmen mit einem Umsatz von insgesamt 670 Mrd. € beschäftigt, wobei 99 % der Unternehmen aus dem Mittelstand kommen, 49 % der Mitarbeitenden beschäftigen und 31 % des gesamten Einzelhandelsumsatzes erreichen (weniger als 10 Mio. € Jahresumsatz).   Angesichts der großen Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands sehen wir in folgenden Feldern Handlungsbedarf.

2.1 Beruflichen Bildung stärker fördern

Begründung: Eine solide berufliche Ausbildung ist essenziell für die Qualität und Innovationskraft von Handwerk, Handel und Industrie. Die Politik sollte die duale Ausbildung stärker fördern und attraktiver gestalten. Nur so werden auch in Zukunft hinreichend viele qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stehen. Dazu zählt auch die Notwendigkeit, jungen Menschen eine umfassende Orientierung über schulische und berufliche Ausbildungsmöglichkeiten zu geben.

Forderungen:

  • Förderung der Berufsorientierung junger Menschen: Hierzu sollten die Länder eine praktische Berufsorientierung in Form von Berufspraktika an allen allgemein- und berufsbildenden Schulen verbindlich einführen.  Idealerweise sollte dieses Praktikum in zwei Jahrgängen durchgeführt werden, um den jungen Menschen die Möglichkeit eines Vergleiches über unterschiedliche Berufe hinweg zu ermöglichen (z. B. Dienstleistung vs. Handwerk). Damit wäre es auch möglich, Ausbildungsabbrüchen besser entgegenwirken.
  • Zudem sollten Unterstützungsangebote von Auszubildenden auf kommunaler Ebene gestärkt werden, etwa bei der Bereitstellung von Wohnraum, der Zentralisierung von Ausbildungsangeboten oder bei Mobilitätsangeboten.
  • Stärkere finanzielle Förderung der beruflichen Bildung: Die oft beschworene Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung ist nicht einmal ansatzweise realisiert. Im Jahr 2019 hatte die damalige Bundesbildungsministerin Karliczek mit den Wissenschaftsministern der Länder vereinbart, die deutsche Hochschullandschaft bis zum Jahr 2030 mit insgesamt 160 Milliarden € zu fördern – ein beträchtlicher Betrag. Im Gegensatz hierzu wurden zuletzt die ohnehin nur geringen Mittel für die überbetriebliche Lehrlingsausbildung der Bundesregierung sogar gekürzt. Dabei ist der Investitionsbedarf der überbetrieblichen Ausbildungszentren in Deutschland hoch. Die Mehrzahl dieser Bildungszentren weist laut ZDH einen gravierenden Sanierungs-, Modernisierungs- und Neubaubedarf auf, der sich auf rd. 3 Mrd. Euro beläuft. Die derzeitigen Fördersummen von Bund und Ländern reichen hierzu bei weitem nicht aus. Aktuell beträgt der Titelansatz im BMBF lediglich 69 Millionen €, und im BMWK sind nur 38 Millionen € vorgesehen.
  • Gesellschaftliche Bedeutung von Ausbildungsberufen: Verdienst- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die gesellschaftliche Bedeutung von Ausbildungsberufen müssen stärker thematisiert werden. Auch sollte der Deutsche Qualifizierungsrahmen (DQR) für den öffentlichen Dienst verbindlich gemacht werden.

2.2.  Anreize zur Arbeitsaufnahme erhöhen

Begründung: Der Arbeits- und Fachkräftemangel hat beängstigende Ausmaße erreicht; er ist zu einer Wachstumsbremse geworden. Gleichzeitig steigt die Zahl derer, die in Teilzeit arbeiten oder staatliche Lohnersatzleistungen erhalten, selbst wenn eine Befähigung zur Arbeit vorliegt. Die hat zur Folge, dass die Zahl der Beschäftigten in Deutschland zwar weiter gestiegen ist, das Arbeitsvolumen aber seit langer Zeit stagniert. Für die Betriebe und die gesamtwirtschaftliche Leistung ist damit nichts gewonnen. Im Gegenteil, im Zuge dieser Entwicklung steigt der Kostendruck gerade für Betrieb mit einer kleinen Anzahl Beschäftigter.

Forderungen:

  • Bürgergeld abschaffen und durch neue Grundsicherung ersetzen. Das Bürgergeld mit seinem Charakter eines bedingungslosen Grundeinkommens ist zu teuer und setzt Fehlanreize. Es muss daher durch eine subsidiäre Sozial- und Aktivierungshilfe ersetzt werden, die für Notfälle gedacht ist. Der Bezug dieser Hilfe soll nur erfolgen, wenn ein Einsatz im Arbeitsmarkt nicht möglich ist. Auch dann soll der Bezug dieser Sozialleistung an die Mitwirkung geknüpft sein: für Fortbildungen oder in staatlichen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten. Wer leisten kann, der muss leisten. Wer leisten will, für den muss es sich lohnen zu leisten.
  • Überarbeitung des Rechts auf Teilzeit. Aufgrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels müssen falsche Anreize für Teilzeit auf den Prüfstand gestellt werden. Ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung ist gerechtfertigt, wenn gravierende persönliche Gründe vorliegen (z. B. Pflege naher Angehöriger, Betreuung von Kleinkindern). Darüber hinaus sollte Teilzeitbeschäftigung nur dann möglich sein, wenn sie den betrieblichen Erfordernissen nicht entgegensteht und Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies einvernehmlich auf betrieblicher Ebene vereinbaren. Das Gesetz zur Einführung einer sog. Brückenteilzeit, die sich in der Praxis nicht bewährt hat, muss überarbeitet werden. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter voranzutreiben, ist der bedarfsgerechte Aus-bau der öffentlichen Infrastruktur deutlich zu beschleunigen. Wir wollen daher die zuverlässige und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung in Kitas und Ganztagsschulen sowie eine adäquate Notfallbetreuung und angemessene Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen verbessern.

2.3. Telefonische Krankschreibung abschaffen

Begründung: Die Möglichkeit einer rein telefonischen Anamnese war in der Corona-Pandemie ein geeignetes Mittel, um sowohl das medizinische Personal als auch andere Patienten vor Ansteckung zu schützen und einer Überlastung der Praxen entgegenzuwirken. Die Weiterführung der rein telefonischen Anamnese nun im „Normalbetrieb“ ist aber weder geboten noch sinnvoll. Dem Wunsch, gerade Hausarztpraxen von „Standardprozessen“ zu entlasten steht die wirtschaftliche Realität entgegen: Der Krankenstand in Deutschland steigt seit geraumer Zeit spürbar an. Während der langjährige Durchschnitt rund 4 % beträgt, hat er im ersten Quartal dieses Jahres mit fast 7 Prozent einen historischen Höchststand erreicht. Die Zahl der Krankheitsfälle von Beschäftigten in Deutschland hat den Höchstwert aus 2023 bereits in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres erreicht. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Krankenstand in anderen Industrieländern nach der Pandemie gesunken ist. In Deutschland aber ist er kontinuierlich weiter angestiegen.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft kommt in einer jüngeren Analyse zu dem Schluss, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland wegen des hohen Krankenstands in den beiden vergangenen Jahren jeweils rund 1 Prozent niedriger war als möglich.  Wörtlich: „Wäre der Krankenstand nicht erneut so hoch gewesen, wären im Jahr 2023 etwa 26 Milliarden Euro zusätzlich erwirtschaftet worden…“  Insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen sind die hohen Fehlzeiten zu einer immensen Belastung geworden, denn sie verfügen oftmals nur über eine kleine Belegschaft.

Forderung:

  • Streichung der telefonischen Krankmeldung: Die Möglichkeit, eine Arbeitsunfähigkeit nach telefonischer Anamnese festzustellen, ist aufzuheben. Wirklich erkrankte Beschäftigte haben durch die Abschaffung der telefonischen Krankschreibung keinen Nachteil: Sie sollten in ihrem eigenen Interesse eine Arztpraxis aufsuchen oder sich im Rahmen einer Videosprechstunde ärztlich untersuchen lassen. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass Symptome nicht fehlinterpretiert werden und das Krankheitsbild sich nicht chronifiziert oder verschlimmert.

2.4. Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtern

Begründung: Öffentliche Aufträge sind eine wichtige Einnahmequelle für viele Handwerksbetriebe sowie Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Durch transparente, faire und schlank gehaltene Vergabeverfahren könnten sich weitaus mehr kleine und mittlere Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen.
Forderung:

  • Vereinfachung der Vergabeverfahren durch standardisierte und transparente Ausschreibungsprozesse. Einführung von regionalen Vergabestellen, die speziell kleine und mittlere Betriebe bei der Teilnahme an Ausschreibungen unterstützen. Außerdem könnten bestimmte Aufträge gezielt an kleinere Betriebe vergeben werden.

2.5. Steuer- und Abgabenlast senken, Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten verbessern

Begründung: Deutschland ist ein Hochsteuerland. Sowohl die Unternehmen als auch die privaten Haushalte leiden unter einer Steuer- und Abgabenlast, die sowohl historisch als auch im internationalen Vergleich sehr hoch ist. Gemessen am sogenannten Steuerkeil liegt Deutschland laut OECD auf Platz zwei von 38 untersuchten Staaten; nur in Belgien ist der Nettoverdienst nach Abzug aller Steuern und Abgaben geringer. Aber auch andere Kennziffern verdeutlichen das Problem. So musste ein Single mit Durchschnittsverdienst im vergangenen Jahr 47,9 Prozent seines Gehalts in Form von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen abführen. Der OECD-Durchschnitt lag mit 34,8 Prozent deutlich niedriger.
Die hohe Abgabenlast trifft kleine und mittlere Unternehmen besonders hart, denn anders als Kapitalgesellschaften, die unter dem Strich maximal mit gut 30 % belastet sind (Summe aus Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag), kommt für KMU aufgrund der Rechtsform nahezu immer der persönliche Einkommensteuertarif zur Anwendung. Dies hat zur Folge, dass die Gewinne der kleinen und mittleren Betriebe steuerlich sehr viel höher belastet sind als bei Kapitalgesellschaften. Dies schmälert die Investitionsmöglichkeiten der KMU, die – ebenso wie große Betriebe – aufgrund des sich rasch ändernden technischen Fortschritts ebenfalls einen hohen Kapitalbedarf haben.

Forderungen:

  • Senkung der Steuer- und Abgabenlast. Hierzu gehört insbesondere auch die Einhaltung der 40%-Grenze beim Gesamtsozialversicherungsbeitrag. 
  • Freie Wahl der Besteuerung nach dem Einkommensteuerrecht oder dem Körperschaftsteuerrecht (rechtsformneutrale Besteuerung).
  • Verbesserung der steuerlichen Investitionsanreize, z. B. durch Erhöhung der Investitionsabzugsbeträge oder erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten.
  • Zeitnaher und vollständiger Abbau des Solidaritätszuschlags: Der Solidaritätszuschlag ist seit dem Jahr 2021 zu einer nicht mehr begründbaren Sondersteuer insbesondere für Unternehmen und Kapitalanleger verkommen. Die sofortige Abschaffung des verbleibenden Rest-Soli wäre eine schnelle und einfache Möglichkeit, die Steuerbelastung für Unternehmen zu senken, und darüber hinaus ein nennenswerter Beitrag zum Bürokratieabbau.
  • Vereinfachung von Verwaltungsverfahren und konsequente Digitalisierung von Behördenleistungen, um Effizienzgewinne zu erzielen und die Ressourcen der Unternehmen besser zu schützen.
  • Substanzbesteuerung: Jede Substanzbesteuerung durch Erbschaft- oder Vermögensteuer vertreibt Einkommen und Kapital aus dem Land und ist deshalb abzulehnen.
  • Reform der Gewerbesteuer: Die deutsche Gewerbesteuer ist in ihrer bestehenden Form international ein Fremdkörper und belastet die Unternehmen in ihrer Substanz. Zugleich ist eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben unter Erhalt eines Bandes zwischen Kommunen und zwingend notwendig. Deshalb ist im Rahmen einer Reform der Gemeindefinanzen eine Modernisierung der Gewerbesteuer erforderlich.
  • Stärkung der steuerlichen Forschungsförderung, um die Innovationskraft von KMU und Handwerksbetrieben zu stärken.
  • Erweiterung des Angebots an zinsgünstigen Darlehen für KMU durch öffentliche Förderbanken, ohne überbordende Bürokratie und Berichtspflichten.

2.6. Bürokratie abbauen

Begründung: Trotz anderslautender Verlautbarungen steigt die Belastung der Wirtschaft mit bürokratischen Vorgaben stetig an. Laut einer IfM-Studie fühlen sich zwei Drittel der deutschen Unternehmen stark durch staatliche Bürokratie belastet, ein Anstieg von 14 Prozentpunkten gegenüber dem Jahr 2018. Maßnahmen wie der KMU-Test und Bürokratieentlastungsgesetze zeigen laut Unternehmen keine spürbare Wirkung. 92 Prozent der Unternehmen berichten von einem erheblichen Anstieg der Bürokratie in den letzten fünf Jahren. Nur 40 Prozent der Unternehmen erfüllen alle Regelungen vollständig.  Aufgrund dieser Belastungen planen 58 Prozent der Unternehmen, weniger in Deutschland zu investieren, und 18 Prozent erwägen, verstärkt ins Ausland zu investieren.  Gerade für kleine und mittlere Betriebe stellen die inzwischen zahlreichen Berichtspflichten eine enorme Belastung dar, denn sie verfügen nicht über entsprechend ausgestattete Stabsabteilungen.

Forderungen:

  • Wir brauchen daher ein echtes Belastungsmoratorium: Regulierungen, die Unternehmen und insbesondere den Mittelstand zusätzlich belasten, müssen gestoppt werden.
  • Zudem werden wir Bürokratie konsequent abbauen, indem wir auf ein anderes Staatsverständnis setzen: Vertrauen in Bürger und Betriebe statt Misstrauen und Überregulierung. Technologieoffenheit statt Wissensanmaßung des Staates.
  • Es bedarf gesetzlicher Änderungen: Rücknahme bzw. Überprüfung der in den letzten Jahren eingetretenen Belastungen für Unternehmen beispielsweise bei der Datenschutz-Grundverordnung, dem Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, dem Hinweisgeberschutzgesetz und nicht zuletzt im Bereich ineffektiver Naturschutzgesetzgebung. Dem Mittelstand ist die Gewerbefreiheit zurückzugeben - für mehr Eigenverantwortung und weniger Bevormundung.

2.7. Arbeitszeiten flexibilisieren

Begründung: Das deutsche Arbeitszeitszeitmodell muss reformiert werden. Mit den starren Regeln der Gegenwart sind die Unternehmen zunehmend weniger in der Lage, sich auf rasch ändernde Bedarfe, den technischen Fortschritt oder die allgemeinen ökonomische Randbedingungen einzustellen. Deutschland hat die niedrigste durchschnittliche Jahresarbeitszeit in Europa - mit weiter fallender Tendenz. Der zuletzt leichte Anstieg des Gesamtarbeitsvolumens ist nur mit dem anhaltenden Beschäftigungszuwachs der letzten Jahre zu erklären. Der Beschäftigungszuwachs flacht aktuell jedoch deutlich ab, die Teilzeitquote klettert auf fast 40 Prozent und es werden so wenige Überstunden wie noch nie geleistet. Der demografische Wandel wird unter diesen Voraussetzungen dazu führen, dass das Arbeitsvolumen sinken wird. Ohne eine Verlängerung sowohl der Jahres- als auch der Lebensarbeitszeit wird der bisherige Wohlstand nicht aufrechtzuerhalten sein.      

Forderungen:

  • Die bestehenden Arbeitszeitmodelle müssen flexibilisiert werden. Ziel ist dabei in erster Linie nicht Mehrarbeit, sondern die Steigerung des Arbeitsangebots gerade zu den Zeiten, in denen sie benötigt wird. Dafür müssen sämtliche Flexibilisierungsmöglichkeiten genutzt werden, die das EU-Recht bietet.
  • Wochenarbeitszeit und Ruhezeit: An die Stelle der täglichen muss eine wöchentliche Höchstarbeitszeit treten. Die Arbeitszeit soll hierdurch besser und passgenauer verteilt werden können. Flankierend hierzu muss die geltende Ruhezeitregelung mit einer unbeschränkten Öffnungsklausel für die Tarifpartner erweitert werden.  Dies würde nicht nur den betrieblichen Erfordernissen entgegenkommen. Auch dem Wunsch der Beschäftigten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, könnte damit Rechnung getragen werden.
  • Längeres Leben auf Renten- und Arbeitszeit aufteilen. Die Lebenserwartung der Deutschen steigt seit Jahren. Dies ist eine erfreuliche Entwicklung. Gleichzeitig steigt damit aber auch die Dauer des Rentenbezugs. Dies wird angesichts des demografischen Wandels, der zu einer deutlich verringerten Zahl von Beitragszahlern führen wird, zu erheblichen Spannungen in der gesetzlichen Rentenversicherung führen. Die Koppelung der Regelaltersgrenze an die steigende Lebenserwartung ist deshalb ein zentrales Element, um die gesetzliche Rente finanzierbar und erfahrene Fachkräfte im Arbeitsmarkt länger zu halten. In diesem Zusammenhang müssen auch Frühverrentungsanreize wie die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte („Rente mit 63“) auf den Prüfstand gestellt werden.
  • Längeres freiwilliges Arbeiten erleichtern: Wir brauchen mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die Rente und müssen das Arbeiten im Alter sowie die Beschäftigung Älterer attraktiver machen. Mit der „Aktivrente“ sollen Rentner mit Erreichen des Regeleintrittsalters weiterarbeiten und ihr Arbeitseinkommen bis zu einer bestimmten Höhe steuerfrei erhalten. Ihre Arbeitgeber sollen keine Beiträge mehr für Arbeitslosen- und Rentenversicherung zahlen müssen.

2.8. Infrastruktur modernisieren, Digitalisierung vorantreiben

Begründung: Deutschland steht vor signifikanten Herausforderungen in den Bereichen Infrastruktur und Digitalisierung. Diese Defizite haben weitreichende Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und deren Wettbewerbsfähigkeit.

Der Zustand der deutschen Verkehrsinfrastruktur ist in weiten Teilen schlecht. Marode Brücken, überlastete Straßen und veraltete Schienennetze führen zu erheblichen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass eine verbesserte Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um etwa 0,2 Prozent jährlich steigern könnte. Die Energiewende stellt Deutschland zudem vor die Herausforderung, erneuerbare Energien effizienter in das Netz zu integrieren. Der schleppende Ausbau von Stromtrassen und Speichermöglichkeiten behindert die Nutzung von Wind- und Solarenergie, was zu erhöhten Energiekosten und Versorgungsunsicherheiten führt, die besonders energieintensive Unternehmen belasten.
Im Bereich der Digitalisierung hinkt Deutschland im internationalen Vergleich deutlich hinterher.  Nur etwa 12,7 Millionen Haushalte, das entspricht rund 25 Prozent der Haushalte, verfügen über einen Glasfaseranschluss. Länder wie Südkorea und Japan weisen hier deutlich bessere Quoten auf.

Forderungen:

  • Beschleunigung des Breitbandausbaus und flächendeckender Ausbau moderner Mobilfunkgeneration (5G und folgende), gerade auch in ländlichen Gebieten.
  • Investitionen in Verkehrsinfrastruktur. Marode Brücken, Straßen und Schienennetze müssen schnellstmöglich umfassend saniert und modernisiert werden. Die Sanierung muss in ein strategisches Konzept zur fortlaufenden Ertüchtigung der Infrastruktur eingebunden werden, um Investitionsstaus zukünftig zu vermeiden. Die Finanzierung muss durch eine Priorisierung der Ausgaben im Haushalt erfolgen; weitere Belastungen der Unternehmen mit Steuern und Abgaben - selbst zweckgebundene - sind angesichts der bereits bestehenden rekordhohen Abgaben zu vermeiden. 
  • Einrichtung eines staatlich geförderten Innovationsfonds mit dem insbesondere KMU bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen gefördert werden.
  • Finanzierung des Breitbandausbaus unabhängig von der Finanzkraft der jeweiligen Kommune. Die fehlende finanzielle Fähigkeit, insbesondere Eigenanteile zu leisten, darf nicht dazu führen, dass der Breitbandausbau in Deutschland zu einem Flickenteppich wird und KMU in finanz-schwächeren Gebieten benachteiligt sind.

2.9. Energieangebot erhöhen

Begründung: Im internationalen Vergleich weist Deutschland unverändert die höchsten Strompreise der Welt auf. Durch die zunehmende Elektrifizierung vieler Prozesse sowohl im privaten als auch im wirtschaftlichen Bereich stellen hohe bzw. steigende Strompreise eine zunehmend wirtschafts-schädigende Belastung dar. Hierbei muss zwischen dem Preis für private Haushalte und den Preisen für die Industrie unterschieden werden. Der durchschnittliche Strompreis für Haushalte beträgt aktuell 42,22 ct/kWh (inkl. Abgaben und Umlagen). 56% des Strompreises machen mittlerweile die Netzentgelte sowie Steuern und Abgaben aus. Der Strompreis für die Industrie beträgt aktuell 17,65 ct/kWh (inkl. Abgaben und Umlagen). Zum Vergleich: Der Industriestrompreis im Jahr 2001 betrug 6,47 ct/kWh. Trotz der im Vergleich geringeren Gestehungskosten erneuerbarer Energieträger wie PV- und Windkraft sind die Strompreise signifikant gestiegen.

Forderungen:

  • Vorlage eines ganzheitlichen, international europäisch anschlussfähig Konzeptes zur langfristigen Sicherung von Energiepreisen auf einem international wettbewerbsfähigen Niveau, das auf den Regeln des freien Marktes basiert und ohne staatliche Interventionen und Preissetzungsmechanismen auskommt. Dies bedeutet: Keine dauerhafte staatliche Bezuschussung, sondern eine Erhöhung des Angebots, um wettbewerbsfähige Preisniveaus zu erhalten.
  • Beendigung der direkten Förderung von Erneuerbaren Energien, stärkere Fokussierung auf den Ausbau von Netzen und Speicherkapazitäten: Nach mehr als 20 Jahren ist es an der Zeit, die staatliche Förderung von Produktionsanlagen im Bereich der Erneuerbaren Energien zu beenden, denn im Klima- und Transformationsfonds drohen – wie schon im Jahr 2024 – Fehlbeträge in Milliardenhöhe. Um die steigende Zahl an Tagen mit negativen Börsenpreisen zu verringern bzw. gänzlich zu vermeiden, muss jetzt der Ausbau von Speicher- und Netzkapazitäten vorrangig vorangetrieben werden. 
  • Technologieoffene Förderung der Erneuerbaren Energien. Es bedarf in Zukunft technologieoffener regulativer und steuerlicher Anreize für alle erneuerbaren Energieträger – sei es PV, Wind oder Biomasse.
  • Dauerhafte Absenkung der Stromsteuern auf das von der EU zulässige Mindestniveau.
  • Ausweitung des Angebots an Strom auf alle CO2-freien bzw. neutralen Energieträger und Erzeugungstechnologien. Dazu gehört auch, sich nicht den Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der zivilen Nutzung der Kernkraft zu verschließen und an internationalen Kooperationen zur Erforschung dieser Technologien teilzunehmen. 
  • Förderung von weltweiten Energiepartnerschaften, um unter anderem den absehbar hohen Bedarf an Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen zu erhöhen. 

Fazit:

Kleine und mittlere Unternehmen sind wesentlicher Bestandteil des wirtschaftlichen Erfolgs der letzten Jahrzehnte. Damit dies so bleibt, sind durchgreifende Erleichterungen und Anpassungen an die geänderten Rahmenbedingungen erforderlich. Wünschenswert wäre abschließend zudem, wenn mit Hilfe einer Imagekampagne die Bedeutung der KMU wieder stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt würde.

Mehr zum Thema