Schnelleres Planen und Bauen ermöglichen

Aktueller Status:

Der Beschluss wurde mit Bitte

Der Beschluss wurde mit Bitte um Berücksichtigung  an den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion für Verkehr, Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen, Ulrich Lange MdB, an den Vorsitzenden der AG Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Jan-Marco Luczak MdB, an den Vorsitzenden der AG Verkehr der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Bareiß MdB sowie an den Fachreferenten des Konrad-Adenauer-Hauses geschickt.

Datum des Artikels 04.07.2023
Beschluss

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert, Planung und Bau von Großvorhaben, insbesondere im Bereich der Verkehrsinfrastruktur, deutlich zu beschleunigen. Dazu sollen die fachplanungsrechtlichen Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren für Verkehrsinfrastrukturvorhaben und andere raumbedeutsame Vorhaben sowie die Verwaltungsgerichtsverfahren gestrafft und konsequent auf schnelleres Planen und Bauen ausgerichtet werden.

1. Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert,

  • die bisherigen Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren durch ein einheitliches Planfeststellungsverfahren zu ersetzen. Dieses soll nach Raumbedeutung der Vorhaben in mehreren Stufen abgeschichtet sein; vor allem bei Vorhaben mit geringer Raumbedeutung sollen dabei deutlich weniger Unterlagen eingereicht werden müssen,
  • die Planfeststellungsverfahren bei einer Behörde zusammenzuführen und damit die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen einer Anhörungs- und einer Planfeststellungsbehörde abzuschaffen,
  • vorzusehen, dass bis 2025 sämtliche Unterlagen als elektronische Dateien eingereicht werden können,
  • die Unterlagen in Planfeststellungsverfahren nicht mehr schriftlich in sämtlichen von dem Vorhaben betroffenen Gemeinden auszulegen; die öffentliche Auslegung soll durch die Veröffentlichung im Internet ersetzt werden und die Unterlagen nur noch in dem Dienstgebäude der das Verfahren führenden Behörde schriftlich ausgelegt werden,
  • sämtliche Rechtswirkungen an die im Internet veröffentliche Fassung der Unterlagen in Planfeststellungsverfahren zu knüpfen.

2. Planfeststellung durch Gesetz
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert,

  • die Planfeststellung für wichtige Vorhaben des Bundes und der Länder nicht mehr durch Planfeststellungsbeschlüsse von Behörden, sondern durch Planfeststellungsgesetze, die der Bundestag beziehungsweise die Landtage beschließen, vorzunehmen sowie
  • in solchen Planfeststellungsgesetzen nur noch die abschließenden Entscheidungen über naturschutzfachliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, über Schallschutzmaßnahmen und sonstige Schutzmaßnahmen zugunsten der Nachbarschaft, über die Enteignung von Grundstücken sowie über die Entschädigung für sonstige Vermögennachteile nachgelagerten Verwaltungsverfahren vor Behörden vorzubehalten.

3. Stichtagsregelung für anwendbares Recht
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert, eine Stichtagsregelung für das für die Planfeststellung maßgebliche Recht einzuführen. Damit soll für das jeweilige Planfeststellungsverfahren nur noch das Recht maßgeblich sein, das zum Ende der Öffentlichkeitsbeteiligung in diesem Planfeststellungsverfahren gilt.

4. Einwendungsausschluss
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert, einen Ausschluss für sämtliche nicht fristgerecht in der Öffentlichkeitsbeteiligung vorgebrachten Einwendungen einzuführen („materielle Präklusion“). Damit wird verhindert, dass Projekte mit immer neu oder scheibchenweise vorgebrachten Argumenten nahezu endlos in die Länge gezogen werden können.

5. Umweltverbände
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert,

  • die erweiterten Klagerechte der Umweltverbände gegen Planfeststellungsbeschlüsse und Plangenehmigungen (sog. Verbandsklagerecht) abzuschaffen,
  • die bestehende herausgehobene Rolle der Umweltverbände in Planfeststellungsverfahren aufzuheben,
  • das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz aufzuheben sowie
  • anzustreben, die Aarhus-Konvention, die Umweltverträglichkeitsprüfungsrichtlinie und die Industrieemissionsrichtlinie der Europäischen Union entsprechend zu ändern.

6. Öffentlichkeitsbeteiligung
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert, die Öffentlichkeitsbeteiligung in Planfeststellungsverfahren zu verbessern, um möglichst früh Anregungen und Bedenken, die sich auf das Vorhaben als solches beziehen, aufzunehmen und ergebnisoffen zu prüfen.

7. Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert, Richtlinien der Europäischen Union, die sich negativ auf Bau- und Planungszeiten auswirken, nur insoweit umzusetzen, als dies europarechtlich zwingend erforderlich ist. Eine überschießende Umsetzung soll in diesen Fällen nicht mehr stattfinden.

8. Vergaberecht
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert,

  • die Vergabe von kleineren öffentlichen Aufträgen deutlich unbürokratischer zu gestalten, indem die Schwellenwerte, ab denen ein aufwendiges förmliches Vergabeverfahren notwendig wird, deutlich angehoben werden,
  • die Voraussetzungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb („Direktvergabe“) zu erweitern,
  • die Vorschriften über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte zu vereinfachen sowie
  • anzustreben, die Vergaberichtlinien der Europäischen Union anzupassen.

Begründung:
Für schnelleres Planen und Bauen in Deutschland sind umfangreiche Reformen erforderlich. Unser Land hinkt bei der Digitalisierung von Verwaltungsverfahren hinterher und blockiert sich mit aufwendigen und teils nur bedingt tauglichen Verwaltungsverfahren selbst. Der schnelle Umstieg auf digitale Lösungen während der Covid-19-Pandemie und die gegenwärtigen Verfahren zur beschleunigten Genehmigung von Umschlaganlagen in den Häfen und von Rohrleitungen für verflüssigtes Erdgas zeigen, dass es Deutschland besser kann. Außerdem hilft ein Blick über die Grenzen: Kaum ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union leidet in derselben Weise wie Deutschland unter der mangelnden Effizienz seiner Verwaltungsverfahren für große Infrastrukturvorhaben. Wir können von unseren Nachbarn deshalb durchaus etwas lernen.

Die Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, betreffen überwiegend Querschnittsfragen. Daher ist es wenig erfolgversprechend, an den bisherigen Strukturen unverändert festzuhalten und nur einzeln Vorschriften zu ändern. Insbesondere ist der Ansatz der Ampelkoalition auf Bundesebene, für bestimmte Vorhaben Erleichterungen einzuführen und es im Übrigen beim Alten zu belassen, verfehlt. Es kann nicht sein, dass die Ampelkoalition politisch entscheidet, welche Vorhaben gut und welche Vorhaben weniger gutgeheißen werden. Um zu schnellerem Planen und Bauen zu gelangen, müssen die unübersehbaren Hemmnisse auf allen Ebenen und für alle Vorhaben beseitigt werden.

Für wichtige Vorhaben auf Bundes- und Landesebene ist es sinnvoll, eine Planfeststellung durch Gesetz einzuführen. Das bedeutet, dass ein Vorhabenträger – wie bisher – einen Planfeststellungsantrag stellt und eine Behörde anschließend eine Entscheidungsvorlage erarbeitet und dem Bundestag beziehungsweise dem Landtag über das zuständige Ministerium zuleitet. Die Entscheidung würde nach einer Beratung im Bundestag beziehungsweise im Landtag getroffen. Nachgelagerte Fragen würden anschließend in gesonderten Verwaltungsverfahren geklärt.

Um die Planfeststellungsverfahren vor den Behörden zu entschlacken, sollten sie digitalisiert werden und die überkommene, heute nicht mehr sinnvolle Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen einer Anhörungs- und einer Planfeststellungsbehörde aufgehoben werden. Dazu bestehen zwar bereits Ansätze, eine Vereinfachung des Verfahrens ist durch die bisher bestehenden Vorschriften jedoch noch nicht möglich.

Planfeststellungsverfahren betreffen in der Regel große und vielschichtige Vorhaben. Angesichts des zunehmenden Umfangs der Gesetzgebung kommt einer Stichtagsregelung eine wachsende Bedeutung zu. Die Behörde muss sich ab einem bestimmten Zeitpunkt darauf verlassen können, keine weiteren rechtlichen Änderungen mehr berücksichtigen zu müssen, um ein Planfeststellungsverfahren zügig abschließen zu können.

Die Aarhus-Konvention und verschiedene Richtlinien der Europäischen Union vermitteln den Umweltverbänden eine herausgehobene Rolle in Planfeststellungsverfahren. Insbesondere können die Mitgliedstaaten sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht verpflichten, sämtliche Einwendungen gegen ein Vorhaben bereits in dem Planfeststellungsverfahren vorzubringen. Sie können deshalb Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse erheben und vor den Verwaltungsgerichten ständig neue Einwendungen erheben. Außerdem gelten sie stets als befugt, Rechtsbehelfe gegen Planfeststellungsbeschlüsse zu erheben. Die Umweltverbände spielen deshalb eine Rolle, die in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen zweifelhaft ist: Sie verfügen über mehr Rechte als jeder einzelne Bürger, ohne ihrerseits über eine demokratische Legitimation zu verfügen. Es ist deshalb an der Zeit, die Sonderrechte der Umweltverbände abzubauen und sie auf dieselbe Rolle, die jeder Bürger in einem Planfeststellungsverfahren ebenfalls spielt, zu beschränken. Dafür sind Änderungen der Aarhus-Konvention und verschiedener Richtlinien der Europäischen Union erforderlich. Deutschland muss sich gegenüber den übrigen Unterzeichnern der Aarhus-Konvention, in dem Europäischen Rat und gegenüber der Europäischen Kommission für die Änderungen einsetzen.

Um zu schnellerem Planen und Bauen zu gelangen ist es außerdem sinnvoll, die Öffentlichkeitsbeteiligung als für jedermann offenes Verfahren vor allem vor der Entscheidung, ob ein bestimmtes Vorhaben überhaupt verfolgt werden soll, stattfinden zu lassen und im Übrigen dem Fortschritt der Planungen entsprechend abzuschichten.

Die Umsetzung der Richtlinien der Europäischen Union muss sich durchweg auf eine Umsetzung „1:1“ beschränken, wenn Bau- und Planungszeiten davon negativ betroffen werden. Deutschland sollte sich durch überbordende Umsetzung europäischer Vorschriften nicht auch noch gegenüber unseren europäischen Nachbarn selbst weiter ins Abseits manövrieren.

Ein wesentlicher Gesichtspunkt für ein schnelleres Planen und Bauen ist schließlich eine Flexibilisierung des Vergaberechts. Die Schwellenwerte für das förmliche Vergabeverfahren sollten über die turnusmäßige Anpassung hinaus deutlich erhöht und die Möglichkeiten, öffentliche Aufträge bei entsprechender Dringlichkeit und gesamtwirtschaftlichem Interesse insbesondere bei kritischen Infrastrukturen und in ähnlich gelagerten Fällen im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu vergeben, erweitert werden.