
Pro: Die gesetzliche Rente wird nicht ausreichen

©Steven Vangermain
Kai Whittaker (34) ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages (Wahlkreis Rastatt). Im Bundestag ist er Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales sowie Obmann der Unionsfraktion im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung.
Kaum ein anderes Thema erhitzt die Gemüter so sehr wie die Rente. Eine Umfrage der OECD belegt, dass 76 Prozent der Deutschen die Rente als eine Hauptsorge betrachten. Fast die Hälfte wäre sogar bereit, zwei Prozent mehr von ihrem Lohn fürs Alter zu bezahlen. Denn die Aussichten sind in der Tat nicht so rosig: Ein Durchschnittsverdiener wird laut Alterssicherungsbericht 2016 der Bundesregierung im Jahr 2030 ein Gesamtversorgungsniveau von 49,2 Prozent seines Bruttoverdienstes bzw. 73 Prozent seines Nettoverdienstes haben. In Österreich sind es 78,1 bzw. 91,6 Prozent. Wenn also das Ziel einer Rentenreform ist, das Sicherungsniveau anzuheben, dann wird es ohne höhere Einzahlungen seitens der Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht gehen. Die wichtigere Frage ist eher, wohin die zusätzlichen Zahlungen fließen sollen. Da böte es sich an, eine verpflichtende, kapitalgedeckte Altersvorsorge einzuführen.
Eine optimale Rente basiert auf verschiedenen Einkünften. So ist das Risiko minimiert, im Alter nur auf eine Einnahmequelle zu setzen. Die gesetzliche Rentenversicherung ist weitgehend geschützt von wirtschaftlichen Schwankungen. Wenn es wirtschaftlich bergab geht, erhalten die Rentner nicht weniger Rente. Aber sie bleibt Spielball der Politik. Um sich dagegen abzusichern, wäre eine kapitalgedeckte Rente sinnvoll.
Zweitens ist gerade durch die Digitalisierung zu erwarten, dass die Kapitalrendite im Schnitt eher steigen als sinken wird. In vielen europäischen Ländern werden heute schon Renditen von durchschnittlich fünf bis sieben Prozent erwirtschaftet. Die Deutschen werden im Alter nur davon profitieren, wenn sie über Fonds an den Unternehmen mittelbar beteiligt sind. Gerade in einem vom demographischen Wandel gezeichneten Land müssen wir auf die steigenden Kapitalrenditen setzen. Drittens haben etwas mehr als 30 Prozent der Deutschen keine zusätzliche Altersvorsorge. Sie finden sich meist in den unteren Einkommensschichten und wollen oder können sich nicht mit einer kapitalgedeckten Vorsorge beschäftigen. Die bisherigen Förderungen haben sie nicht erreicht. Wenn wir diese Menschen nicht verlieren wollen und die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinander gehen soll, braucht es eine verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge.
Contra: Besser Arbeitnehmer entlasten
©Jan Kopetzky
Torbjörn Kartes (40) ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags (Wahlkreis Ludwigshafen/Frankenthal). Er ist Mitglied des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales und Mitglied in der MIT-Kommission Arbeit und Soziales.
Groß war die Empörung, als Friedrich Merz im Dezember vergangenen Jahres Aktien für die Altersvorsorge empfahl. „Wenn die Rente nicht reicht, sollen sie doch Aktien kaufen“, hieß es in Anspielung an die berühmte Kuchen-Empfehlung Marie-Antoinettes. Dabei war von einer Verpflichtung zur Altersvorsorge mit Aktien und Fonds nicht die Rede, sondern nur von einer möglichen staatlichen Förderung. Darüber kann man nachdenken, aber ich bin doch sehr skeptisch. Denn beim Aktiengeschäft erkauft man eine im Vergleich mit anderen Anlageformen höhere Rendite in aller Regel mit einem vergleichsweise höheren Risiko. Man braucht Fachwissen, Erfahrung und finanzielle Absicherung. Damit sind in diesem Feld aus guten Gründen fast ausschließlich Anleger unterwegs, die einer staatlichen Förderung nun wirklich nicht bedürfen.
Immer weniger Einzahler, immer mehr Beziehende, dazu eine steigende Lebenserwartung – umsichtige Politik muss angesichts dieser großen Herausforderungen alle drei Säulen der Altersvorsorge in Deutschland stärken. Dass die gesetzliche Rente ein umlagefinanziertes System ist und nicht versucht wird, mit den eingezahlten Beträgen am Aktienmarkt höhere Renditen zu erzielen, daran sollte man nicht rühren. Für Betriebsrente und private Altersvorsorge gilt: Anbieter von Fondssparplänen und fondsgebundenen Rentenversicherungen, die staatlich gefördert werden, müssen ihren Anlegern garantieren, dass sie zumindest ihre eingezahlten Beträge zurückerhalten. Sie setzen darum auf Sparpläne, deren Aktienanteil maximal so hoch ist, dass etwaige Verluste durch anderweitige sichere Erträge ausgeglichen werden können. Es ist vernünftig, das Risiko zu minimieren, aber große Sprünge sind auch hier nicht zu erwarten.
Wozu soll man also raten angesichts niedriger Zinsen und der gebotenen Verantwortung im Umgang mit Geldern, die dem Staat anvertraut wurden? Am besten wäre es, wenn wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch stärker entlasten. Mehr Netto vom Brutto – und dann die Menschen selbst entscheiden lassen, wie sie vorsorgen, Eigentum erwerben und Vermögen aufbauen. Die bevorstehende Abschaffung des Solidaritätszuschlags fürnahezu alle ist ein guter erster Schritt. In einem zweiten Schritt muss der Soli gänzlich verschwinden, und dann sollten wir weitere Schritte prüfen.
Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin, Ausgabe 4-2019
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