Pharmastandort Deutschland stärken - Rahmenbedingungen für die Forschung optimieren

Datum des Artikels 17.11.2021
Beschluss

Die Covid-19 Pandemie stellt Deutschland, Europa und die Welt vor größte Herausforderungen. Selten hat sich so eindrücklich gezeigt, welche zentrale Rolle den pharmazeutischen Unternehmen nicht nur für die Gesundheit der Menschen, sondern auch für die Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft zukommt.

Lange Jahre war Deutschland der führende Standort für klinische Forschung in Europa und belegte regelmäßig Platz zwei hinter den USA weltweit. Seit Jahren büßt der Forschungsstandort Deutschland zunehmend an Attraktivität im Vergleich zu seinen internationalen Mitbewerbern ein und liegt im Jahr 2020 nur noch auf Platz 5, hinter den USA, China, Großbritannien und Spanien. Aber dort wo geforscht wird, findet anschließend auch die Produktion von innovativen Hightech Produkten statt und die Patienten erreichen die Medikamente schneller.

International nicht konkurrenzfähige Finanzierungsinstrumente und Forschungsförderungssysteme, eine unzureichende Digitalisierung, eine belastende Bürokratie sowie ungenutztes Potenzial der Grundlagenforschung haben einen negativen Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schlüsselindustrie Pharma.

Um den Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland langfristig zu stärken und fit für die Zukunft zu machen bedarf es vor allem folgender Maßnahmen:
Die MIT fordert konkret:
- Lieferketten robust halten
- Geistiges Eigentum als Innovationstreiber sichern
- Digitalisierung beschleunigen und Verwaltungsprozesse vereinfachen
- Regulatorische Unterstützung von Forschern und Start-Ups
- Finanzierungsregeln international konkurrenzfähig machen
- Potenzial der Grundlagenforschung stärker nutzen
- Vergütungssystem der Krankenkassen anpassen

 

1. Lieferketten robust halten
Internationale Netzwerke der Arzneimittelforschung und Produktion sind unerlässlich für den medizinischen Fortschritt. Langfristige verlässliche Handelspartnerschaften innerhalb stabiler und rechtebasierter Rahmenbedingungen für Forschung und Produktion müssen aufgebaut und gestärkt werden. Globale Diversifizierung mit starken Handelspartnern sichert Versorgungssicherheit und Wertschöpfung in unseren Lieferketten.


2. Geistiges Eigentum als Innovationstreiber sichern
Zu einem umfassenden Eigentumsschutz gehört im „Land der Erfinder“ vor allen Dingen auch der Schutz geistigen Eigentums. Für einen international wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort Deutschland müssen die bestehenden geistigen Schutzrechte,  insbesondere im Patent- und Urheberrecht sowie dem Unterlagenschutz verteidigt  und gestärkt werden.


3. Digitalisierung beschleunigen und Verwaltungsprozesse vereinfachen
Exzessive Bürokratie- und Doppelstrukturen hemmen Innovationen und Investitionen in Deutschland und stellen einen zunehmenden Nachteil im internationalen Wettbewerb  dar. Der stetig wachsende Bürokratiedschungel belastet nicht nur die Bürger und  Unternehmen, sondern bremst auch Forschung und Entwicklung aus. Dies zeigt sich für die Pharmaindustrie bereits heute im Bereich der klinischen Studien für innovative  Arzneimittel. Der bundesweite Flickenteppich an Regulierungsbehörden und Verwaltungsvorschriften muss durch ein durchdachtes und einheitliches Konzept harmonisiert werden. Bürokratische Hürden in Innovations- und Genehmigungsprozessen müssen ergebnisoffen überprüft und konsequent abgebaut werden, ohne dass die Qualitätssicherung leidet. Zudem werden die Chancen der Digitalisierung in der klinischen Forschung, zum Beispiel remote Monitoring bei klinischen Studien, bislang unzureichend genutzt. Auch das Potenzial der privaten Forschung bleibt insofern ungenutzt, als bislang zum Beispiel keine Antragsberechtigung beim geplanten nationalen Forschungsdatenzentrum vorliegt.

4. Regulatorische Unterstützung von Forschern und Start-Ups
Auch Jahrzehnte nach Einführung international geltender Regulatorien in der Arzneimittelentwicklung (International Conference for Harmonization, ICH), sind die  Inhalte nicht an die Basis der Forschung (auch der klinischen Forschung) durchgedrungen.

Vorgeschlagen wird eine nachweislich professionelle, regulatorische und rechtliche Begleitung von Wissenschaftlern auf dem Weg ihre Innovationen zur Anwendung und zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg zu führen. Gefordert wird zusätzlich eine kostenlose Beratung von Startups, was die Zulassungsstrategien angeht, nach Beispiel des kostenlosen Scientific Advice der EMA, den es z.B. bei der deutschen Behörde BfArM nicht gibt.

5. Finanzierungsregeln international konkurrenzfähig machen

Gerade im Biotech-Sektor, in dem vor allem im Therapeutika-Bereich hohe F&E-Kosten die Regel sind, ist die momentane Ausgestaltung der steuerlichen Forschungsförderung  kein entscheidender Hebel, um die Unternehmen existenziell zu unterstützen. Hier herrscht der dringende Bedarf an einem leistungsfähigen Wachstumskapitalmarkt. Insbesondere für  private Investorengruppen sollte der Kapitalmarkt flexibilisiert und liberalisiert werden,  um nachhaltiges Wachstum der Hightech Startups zu unterstützen.

Wir fordern eine grundlegende Überprüfung aller aktuellen Förderprogramme in Hinblick auf ihre Zielerreichung sowie den dazugehörigen Projektträgern.  Ebenso muss die wissenschaftliche Arbeit im Mittelpunkt der Anstrengungen stehen und nicht fragwürdige bürokratische Prozesse. Beispiel: fachfremde Verwaltungsmitarbeiter müssen für den Verwendungsnachweis wissenschaftliche Verfahren dokumentieren, die sie nicht beurteilen können.


6. Potenzial der Grundlagenforschung stärker nutzen

Die Überführung grundlagenwissenschaftlicher Forschungsergebnisse in neue Arzneimittel und Produkte scheitert heute noch immer häufig an bestehenden Hürden zwischen den staatlichen Forschungseinrichtungen und den privaten Forschungsträgern. So gehen dem Forschungsstandort Deutschland sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Innovationen verloren und somit unsere langfristige Grundlage für Wohlstand und Lebensqualität.


7. Vergütungssystem der Krankenkassen anpassen

Damit Innovationen schneller den Patientinnen und Patienten die sie brauchen zugänglich gemacht werden können, muss zwingend die NUB-Lücke im Krankenhaus beseitigt werden. Innovationen müssen vom ersten Tag an in der Klinik einsetzbar sein.

Besonders im Bereich der Gentherapie muss die Finanzierung durch die Kassen geklärt und die Nutzenbewertung und anschließende Preisverhandlung im Rahmen des AMNOG Verfahrens verlässlich sein. Das derzeitige AMNOG-Verfahren ist für Hersteller mit erheblichen Planungsunsicherheiten verbunden. Zudem werden Pay-for-Performance  Vergütungsmodelle bislang kaum genutzt, obwohl sie auch einen Beitrag zur langfristigen Finanzstabilität der GKV leisten können. Wichtig ist auch, dass Vergütungsmodelle die  Auswirkungen auf den Produktionsstandort Deutschland berücksichtigen. So hat Deutschland als Produktionsstandort von hochkomplexen Biopharmazeutika – biotechnologisch hergestellte Wirkstoffe – bislang den Spitzenplatz in Europa inne.