Paul Ziemiak: „Wir sind gelassener und schneller“

Datum des Artikels 10.12.2020
MittelstandsMagazin

Als jüngster Generalsekretär in der Geschichte der CDU suchte Paul Ziemiak anfangs noch seine Rolle. Inzwischen wird das MIT-Mitglied von vielen für seine professionelle Vorbereitung des CDU-Parteitags gelobt. Im Gespräch mit Mittelstandsmagazin-Chefredakteur Thorsten Alsleben spricht der 35-Jährige über den Umbau des Konrad-Adenauer-Hauses, die Pläne für den Parteitag und die Vorbereitungen der Bundestagswahl im nächsten Jahr.

Herr Ziemiak, Sie sind seit zwei Jahren Generalsekretär.Was wäre die Überschrift, die aus Ihrer Sicht passen würde über diese Zeit?

Paul Ziemiak: Umbrüche und Wandel gestalten. Wir erleben die digitale und ökologische Transformation, internationale Machtverschiebungen und obendrauf die Corona-Pandemie, die uns viel abverlangt. Die Ära von Angela Merkel geht zu Ende. In dieser Zeit Menschen zu vermitteln, warum die CDU genau die richtige Partei ist, um diesen Wandel zu gestalten, ist eine spannende Aufgabe. Und natürlich geht es auch darum, die Chancen zum Beispiel des digitalen Wandels für unsere Parteiarbeit zu nutzen. Ich habe an so vielen kreativen Formaten vom Stadt- bis zum Landesverband teilgenommen, da können wir gemeinsam stolz drauf sein. Übrigens erinnere ich auch viele tolle digitale Veranstaltungen bei der MIT.

Gibt es in diesen zwei Jahren etwas, worauf Sie sehr stolz sind?

Die inhaltlichen Debatten über die Dienstpflicht, über Humanität und Ordnung in der Migrationspolitik, darüber wie wir wirtschaftlichen Erfolg und Klimaschutz zusammenbringen, haben gut getan.Wenn ich mir anschaue, wie wir in der Frage der Digitalisierung der Parteiarbeit aufgestellt waren und wo wir heute stehen, dann sind das Welten. Wir sind heute viel weiter in der Frage, wie wir auf Herausforderungen in sozialen Netzwerken reagieren, wir sind gelassener und schneller. Nach dem Rezo-Video (ein Webvideo, das sich kritisch mit der CDU und CSU auseinandersetzte; Anm. d. Red.) vor der Europawahl 2019 kam immer wieder die Frage auf, wie wir bei der nächsten kommunikativen Herausforderung reagieren. Ein halbes Jahr später hat Greenpeace im Konrad-Adenauer-Haus den Buchstaben „C“ aus unserem Logo geklaut. Wir haben dann sofort unsere Social-Media-Aktivitäten hochgefahren, sodass selbst der Satiriker Jan Böhmermann, der sicher nicht CDU-nah ist, einräumte, dass die CDU Greenpeace kommunikativ geschlagen hat. Nur um ein Beispiel von vielen zu nennen. Das ist das Ergebnis unserer Neuerungen hier. Als Generalsekretär habe ich das Haus umgebaut. Wir haben nun kurze und schnelle Entscheidungswege, einen Newsroom, aus dem wir fast rund um die Uhr kommunizieren. Wir nutzen inzwischen Künstliche Intelligenz, um schnell zu erkennen, welche Themen und Trends im Netz für uns relevant sind. Das hat es alles vorher nicht gegeben. Zudem haben wir Debatten geführt, wie stellt sich die Partei neu auf mit der Struktur- und Satzungskommission? Wir haben jetzt einen Prozess mit drei Kandidaten für den Parteivorsitz und bewältigen gleichzeitig die größte Krise unseres Landes seit Gründung der Bundesrepublik – und zwar sehr erfolgreich. Dass wir das alle miteinander geschafft haben, darauf können wir alle stolz in der Union sein.

Würden Sie auch etwas anders machen?

Ja, viele Dinge. Man lernt doch bei jeder neuen Aufgabe dazu. Mit dem Wissen von heute hätte ich einiges anders gemacht. Aber das ist Schnee von gestern. Jetzt stehen wir vor wichtigen Landtagswahlen und dem Bundestagswahlkampf 2021. Es geht darum, ob wir in Deutschland eine linke Regierung bekommen oder ob wir unsere bürgerliche
Politik fortsetzen. Dafür arbeite ich jeden Tag mit ganzer Kraft.

Vorher findet noch der CDU-­Parteitag statt. Wird im Januar definitiv ein neuer Vorstand gewählt?

Ja.

Und wie wird der stattfinden?

Die Entscheidung obliegt am Ende dem Vorstand. Wir haben verschiedene Varianten erarbeitet. Wir haben drei Komponenten zu berücksichtigen. Erstens, ist die Durchführung rechtlich angreifbar? Zweitens, ist es umsetzbar, für alle Delegierten praktikabel und finanziell vertretbar? Drittens, sind Art und Zeitpunkt politisch vermittelbar? Risiken gibt es immer: Bei einem Präsenzparteitag kann das eine Bombendrohung sein, bei einem Digitalparteitag ein Hackerangriff. Wenn wir in einer digitalen Welt leben, muss uns auch allen klar sein, dass es neue Risiken gibt. Die drei Bewerber haben sich geeinigt, dass sie im Januar einen klassischen Präsenzparteitag bevorzugen – wenn das nicht möglich ist, einen Präsenzparteitag in einer anderen Form, zum Beispiel an mehreren Standorten, und wenn das nicht möglich ist, einen digitalen Parteitag mit digitaler Abstimmung und einer Schlussabstimmung per Briefwahl. Diesen Vorschlag wird der Bundesvorstand im Dezember beraten.

Wenn ein Präsenz­-Parteitag nicht möglich ist, wie würde die digitale Version ablaufen?

Das ist die aufwändigste Variante. Deshalb bereiten wir das jetzt schon intensiv vor, selbst wenn es am Ende ein Präsenzparteitag werden könnte. Der ist vergleichsweise leicht zu organisieren. Bei einem digitalen Parteitag könnten wir nach jetziger Rechtslage eine digitale Abstimmung durchführen. Das heißt, die Delegierten stimmen digital ab und am Ende werden alle Wahlen für alle Vorstandspositionen in einer Schlussabstimmung per Briefwahl bestätigt. Die Herausforderung ist, ein System zu schaffen, das allen Wahlrechtsgrundsätzen entspricht, gleichzeitig aber auch bedienerfreundlich und sicher ist. Unser Ziel ist, dass höchste Sicherheitsansprüche mit einer hohen Bedienfreundlichkeit verbunden werden. Auch muss der Delegierte bei digitaler Stimmabgabe sicher sein, dass seine Stimme gezählt wird und für ihn auch klar ist, dass sie richtig gezählt wird. Zugleich muss aber sichergestellt werden, dass der Delegierte zu Hause nicht einen Nachweis darüber führen kann, wen er gewählt hat. Denn die Wahl muss auch zu Hause geheim sein und bleiben.

Es gab zwischenzeitlich Ärger unter den Kandidaten. Unsere Parteivorsitzende Annegret Kramp-­Karrenbauer hat vor einem „ruinösen Wettbewerb“ gewarnt. Haben Sie das Gefühl, dass inzwischen mehr Einigkeit herrscht?

Wir erleben einen Wettbewerb um das höchste Amt in der größten Regierungspartei Deutschlands. Ein solcher Wettbewerb kann natürlich auch einmal kontrovers sein. Das ist aber ein ganz normaler demokratischer Prozess. Es ist festzuhalten, dass wir eine Auswahl von drei guten Kandidaten haben, über die andere Parteien froh wären.

Nun gibt es einige Anhänger der Kandidaten, die bewerben nicht nur ihren Favoriten, sondern äußern sich auch öffentlich abfällig über einen der anderen Kandidaten. Müssten Sie da als Generalsekretär nicht stärker intervenieren?

In sozialen Netzwerken beobachte ich das auch. Meine Meinung ist klar: Jeder soll seinen Kandidaten unterstützen, aber er soll andere nicht schlecht machen.

Auch für Sie persönlich ist es entscheidend, wer Vor­sitzender wird. Armin Laschet und Norbert Röttgen haben mehr oder weniger direkt gesagt, mit Ihnen weiter arbeiten zu wollen. Beeinflusst Sie das?

Nein. Natürlich nehme ich diese Diskussion wahr, aber für mich ist etwas ganz anderes entscheidend, nämlich wie meine Arbeit als Generalsekretär bewertet wird: Stimmen die Inhalte, wie läuft die Zusammenarbeit mit der Fraktion, wie laufen die Planungen für den Wahlkampf, wird der Parteitag gut vorbereitet? Darauf konzentriere ich mich. Ich habe zu allen Kandidaten ein gutes Verhältnis und arbeite für ein faires Verfahren.

Es ist bestimmt herausfordernd, ein Wahlprogramm zu planen, ohne zu wissen, wer neuer Vorsitzender wird. Macht das einen Unterschied?

Das macht natürlich einen Unterschied, weil die drei Kandidaten unterschiedliche Schwerpunkte haben. Aber sie sind allesamt Christdemokraten und teilen die gleichen Grundwerte.Wir müssen am Ende sehr konkret beantwor- ten:Was wollen wir für die Menschen in den nächsten vier Jahren erreichen? Wie sieht Deutschland im Jahr 2030 aus? Damit beginnen wir nach dem Parteitag und werden dann im Sommer ein gemeinsames Regierungsprogramm mit der CSU vorlegen. Die Vorbereitungen dazu treffen wir schon jetzt und dabei spielen die Ideen und Beschlüsse der Bundesfachausschüsse, des Bundesvorstands, der Vereinigungen, der Parteitage und der Bundestagsfraktion eine wichtige Rolle.

Stehen inhaltliche Schwerpunkte fest?

Diesem Thema will ich nicht vorweggreifen, weil das ein längerer Diskussionsprozess ist. Aber die Fragestellungen sind doch klar: Wie kommen wir nach der Zäsur Corona wieder auf die Beine? Asien hat, angeführt von China, ein Freihandelsabkommen geschaffen, das ein Drittel des Welthandels umfasst. Welche Rolle spielen dabei Deutschland und Europa? Schaffen wir es überhaupt noch, ein Freihandelsabkommen mit den USA hinzubekommen? Welche Chancen geben wir unserer Wirtschaft? Wie versöhnen wir Ökonomie und Ökologie? Wie schaffen wir es, unsere Soziale Marktwirtschaft zu einem Exportschlager zu machen? Wir brauchen keinen Systemwechsel, wie das von links gefordert wird, sondern wir brauchen eine Fokussierung auf die Soziale Marktwirtschaft, die uns so erfolgreich gemacht hat. Mit einer staatlich gelenkten Wirtschaft werden wir doch nicht die Klimaschutzziele erreichen, sondern das geht mit Angebot und Nachfrage, mit Investitionen und Innovationen. Sogar China entdeckt inzwischen, dass es auf Innovationen setzen muss und dass staatliche Lenkung langfristig nicht funktioniert.

Wie steht es um die Kampagne zur Bundestagswahl?

DieWerbelinie für die Bundestagskandidaten steht fest. Das ist gerade für viele neue Kandidaten wichtig, weil diese natürlich die Zeit nutzen wollen, um sich bekannt zu machen. Wir werden beim Parteitag mit einem neuen Design an den Start gehen. Auch unser Kandidatenservice und das Kreativportal stehen.Wir haben die Unterstützerkampagne „Connect“ wieder eingesetzt, also das Erfolgsmodell aus 2017, mit dem wir damals den Haustürwahlkampf mit App-Unterstützung organisiert haben. Hier werden wir neue Features anbieten, wir werden das in den USA erprobte „Peer-to-Peer-Texting“ nach vorne bringen, das heißt die schnelle und direkte Kommunikation. Gruppen, die uns unterstützen, können selbst Botschafter der CDU werden. Das Fundament steht also, jetzt geht es um die Spitze der Partei.

Was kann die CDU vom US­-Wahlkampf lernen?

Wir haben im Konrad-Adenauer-Haus eine Daten-Einheit aufgebaut, weil wir wissen, dass wir viel zielgerichteter kommunizieren müssen. Wir werden also noch datenbasierter vorgehen. Das heißt nicht, dass wir unsere Politik danach entscheiden, was beliebt ist. Die Frage ist: Wie kann ich diejenigen erreichen, für die gerade ein bestimmtes Thema wichtig ist. Ein Beispiel: Wenn eine junge Familie sich ganz konkret fragt: Was tut die CDU für mich? Dann möchten wir der Familie mit wenigen Klicks Informationen dazu zukommen lassen und nicht etwa zur internationalen Wirtschaftspolitik.

Die folgenden Fragen bitte nur mit Ja oder Nein beantworten. Sie haben einen Joker. Ist ein CDU-­Kanzlerkandidat wahrscheinlicher als ein CSU­-Kanzlerkandidat?

Ja.

Werden Sie darauf achten, dass die MIT mit dem Wahlprogramm zufriedener sein kann als mit den Ergebnissen der Großen Koalition?

Ja.

Auch, wenn alle Vorsitzenden-­Kandidaten Sie für die Neutralität loben, haben Sie einen ganz persönlichen Favoriten?

Joker, denn ich tue alles dafür, dass das Verfahren fair bleibt.

Würden Sie gerne als Generalsekretär weitermachen?

(lacht) Habe ich noch einen Joker? Spaß bei Seite: Es ist doch kein Geheimnis, dass ich jeden Tag sehr gerne als Generalsekretär für unsere CDU arbeite.

Fänden Sie eine Regierung mit den Grünen reizvoller als mit der SPD?

Ja, das wäre aber auch alles andere als leicht.

Würden Sie heute eine andere Antwort auf ein „Rezo-­Zerstörungsvideo“ geben?

Ja.

Zum Abschluss eine Satzvervollständigung: Die Person, mit der ich mal für einen Tag meinen Job tauschen würde…

… ist meine Frau. Sie ist Apothekerin, und gerade in Corona-Zeiten das zu erleben, was in den Apotheken los ist, das fände ich sehr spannend.


Der Artikel erschien im Mittelstandsmagazin (Ausgabe 6-2020)