„Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt?“ fragte der Vorsitzende der MIT Harburg-Land Wilfried Uhlmann in seiner Begrüßungsrede anlässlich des 23. Parlamentarischen Abends in Wörme (Handeloh). Zwei Wochen später kam der Verdacht auf, Uhlmann könnte in die Zukunft blicken. Nicht die ‚polnische Wirtschaft‘ allein war Thema dieses Abends auf dem historischen Hof Kröger, sondern die wirtschaftspolitischen Verflechtungen zwischen Deutschland und Polen. In seiner Begrüßungsrede vor rund 100 Gästen aus dem gesamten Landkreis Harburg resümierte Uhlmann in seinem Vortrag über die gesellschaftliche und politische Geschichte des deutschen Nachbarlandes, ein Land mit einer Geschichte von mehr als 1000 Jahren. Harte Jahrzehnte erlebte Polen im 17. und 18. Jahrhundert, als sich im polnischen Parlament das Prinzip der Einstimmigkeit (lat. Liberum veto) etablierte. Hierbei waren nur Entscheidungen möglich, wenn diese einstimmig beschlossen wurden. Das machte das Parlament oft handlungsunfähig, da es ausreichte, nur einen einzigen Abgeordneten zu bestechen, schon war keine Entscheidung möglich. So manch ein Zuhörer mag innerlich den Kopf geschüttelt haben, „so ein unsinniges Prinzip – warum haben die das nicht schnell geändert“. Auch die EU hat offensichtlich bei ihrer Gesetzgebung nicht aus der Geschichte gelernt- Die Wallonen haben es uns dieser Tage deutlich vor Augen geführt. Das Highlight des Parlamentarischen Abends am Grill war allerdings nicht der Blick in die Glaskugel, sondern der Vortrag von Dr. Jacek Robak, gesandter Botschaftsrat aus Berlin, der in der polnischen Botschaft Abteilungsleiter der Abteilung für Handel und Investitionen ist. Mit seinen fundierten Ausführungen überraschte er den einen oder anderen Zuhörer und ließ sie am Ende des Abends deutlich differenzierter auf die Wirtschaft Polens blicken. „1989 war die polnische Wirtschaft eine Ruine, wir hatten Probleme, die eigene Bevölkerung zu versorgen, hatten 700% Inflation. Polen musste alles selbst aufbauen, hatte keinen reichen Bruder im Westen,“ so Robak deutlich. Aber die Polen kämpften – bis heute. Sie haben seit vielen Jahren nicht nur ein stetiges Wirtschaftswachstum, sondern ein so hohes, dass selbst in den Jahren der Wirtschaftsflaute 08/09 Polen als einziges europäisches Land ein Wirtschaftswachstum erzielen konnte. Und immer noch ist ‚Luft nach oben‘; Polen ist noch nicht am Ziel. Gerade Deutschland spiele in der polnischen Wirtschaft eine starke Rolle: „Deutschland ist für Polen seit Jahren im Export auf dem ersten Platz. 27% der polnischen Exporte gehen nach Deutschland. Einen großen Anteil davon haben KFZ und Autoteile mit 14%, Lebensmittel und Futter mit 7,6% und EDV-Geräte mit 7,5%.“ Für Deutschland hingegen ist Polen in der Reihe der Export-Partner ‚nur‘ auf Platz 7, mit 100 Milliarden Euro Umsatz. Und Polen hat noch Reserven: In den Gebieten Forschung und Entwicklung und in innovativen Branchen. Allein im Bereich der EDV hat Polen 40.000 Universitäts-Absolventen im Jahr, was immer mehr ausländische Unternehmen dazu bewegt, Firmenteile in Polen anzusiedeln. Viel Fachpersonal, andere Lohnstrukturen – nur zwei wichtige Gründe, in Polen zu investieren. Und andersherum sind deutsche Firmen in Polen sehr hoch angesehen. Sie sind sehr stabil, planen langfristig und bieten gute Sozialsysteme. Daher können diese immer auf einen riesigen Pool an Fachkräften zurück greifen. Aber trotzdem ist nicht alles mit der rosaroten Brille zu sehen, auch das macht Dr. Robak deutlich: „Wir haben sehr unterschiedliche Sichtweisen. Wir Polen verstehen manche deutschen Sichtweisen und Entscheidungen nicht, nehmen es aber zumeist hin.“ Auch Uhlmann weiß: „Polen und Deutschland haben viele Gemeinsamkeiten aber auch viele Unterschiede. Ich glaube, dass sich heute die polnische und deutsche Bevölkerung besser verstehen, als zur Zeit deren Regierungen.“ Auch wenn es sich noch etwas ungewohnt anfühlt: Die Deutschen und die ganze Welt muss sich mit dem Gedanken vertraut machen, neben asiatischen Staaten auch Polen als Hochtechnologie-Land anzusehen!
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