Damit verstärkt sich die Tendenz, dass Nutzer sich vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab-wenden: Für die einen ist die Berichterstattung tendenziös, für die anderen fehlt das inhaltli-che Profil. Wir halten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aber zur freien Meinungsbildung für unerlässlich und damit für die Sicherung unserer Demokratie für unentbehrlich. Umso drängender ist der Bedarf nach einer umwälzenden Reform, die ihren Namen verdient und die schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden muss.
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert:
1. Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks definieren – Informations-, Bildungs-, Kulturangebot stärken
Das Bundesverfassungsgericht hat den Rahmen für die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mehrfach deutlich formuliert: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss die Grundversorgung der Bevölkerung mit Information, Bildung, Beratung, Unterhaltung und Kultur sicherstellen. Aber auch diese Vorgabe ist permanent an der Wirklichkeit zu messen. Der Medienmarkt hat sich verändert und verändert sich weiter, auch private Anbieter lie-fern – insbesondere bei der Unterhaltung und im Sport – attraktive Formate und Inhalte, die früher nur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finden waren. Insofern gehören alle Pro-gramme und Formate auf den Prüfstand, ob sie im Sinne der Grundversorgung noch erfor-derlich sind oder in Wahrheit eine öffentlich finanzierte Konkurrenz zu privaten Wettbewer-bern darstellen. Dabei muss im öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Informations-, Bildungs- und Kulturangebot gestärkt und verbessert werden: mehr Korrespondenten im In- und Aus-land, Ausweitung der Regionalberichterstattung, mehr Dokumentationen, zusätzliche Live-Übertragungen von politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell relevanten Ereig-nissen. Das Unterhaltungsangebot sollte sich nicht am Wettbewerb mit privaten Anbietern um die höchsten Einschaltquoten orientieren, sondern am öffentlichen Auftrag des beitrags-finanzierten Rundfunks.
2. Mehrfachstrukturen abbauen – Rundfunkanstalten zusammenlegen
Es gibt zahlreiche Programme der unterschiedlichen Anstalten, die ähnliche Inhalte anbieten – sowohl auf nationaler (ARD und ZDF) als auch auf regionaler Ebene. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten produzieren heute ohne die digitalen Hörfunkkanäle und die reinen Online-angebote 394 Stunden Fernsehen und 1452 Stunden Hörfunk pro Tag. Diese Flut an teilweise redundanten Inhalten und unnötiger Mehrfachversorgung resultiert nicht zuletzt aus der schieren Menge der Sendeanstalten: Es gibt für die – je nach Zählweise 12 bis 21 – öffentlich-rechtlichen Fernsehsender fast durchweg eigene Zentralverwaltungen und damit Mehrfach-strukturen (Leitung, Personal, Rechtevermarktung, Einkauf etc. sowie eigene Aufsichtsgre-mien). Langfristig muss eine Zusammenlegung von Rundfunkanstalten bei Beachtung kartell-rechtlicher Gesichtspunkte unter einem Dach angestrebt werden, um Synergieeffekte zu er-reichen. Fachredaktionen (verteilt auf verschiedene Standorte im gesamten Bundesgebiet, um dem föderalen Charakter unseres Staates und den Interessen der Länder zu entsprechen) konfektionieren die inhaltlichen Angebote für die seriellen Programme (TV, Radio) sowie fürs Video-/Radio-on-demand und für die Online-Angebote (inkl. Social Media). Im Radiobereich ist eine grundlegende Neuaufstellung möglich und erforderlich. Mit Synergieeffekten könnte gerade auch die Regionalität gestärkt werden.
3. Rundfunkbeiträge senken – Kostentransparenz sicherstellen
Der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk ist das teuerste öffentlich-rechtliche System der Welt. Ihm steht laut der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) ein jährliches Budget von 9,7 Milliarden Euro zur Verfügung, darunter 8,4 Milliarden aus Rundfunkbeiträ-gen, der Rest stammt in erster Linie aus Werbung und Lizenzen. Diesen finanziellen Auswüch-sen muss Einhalt geboten werden. Die MIT fordert deshalb die Einführung eines - niedrigeren - Grundversorgungsbeitrages pro Person ab Vollendung des 18. Lebensjahres. Juristische Per-sonen sind zu befreien, da jede Privatperson ohnehin Beitragszahler ist. Die bisherigen Be-freiungs- und Ermäßigungsregeln sollten weiter gelten.
Es sollte keinerlei Werbung und Sponsoring im Programm geben. Diese sind für die Erfüllung des Grundversorgungsauftrags nicht erforderlich und sogar schädlich, da sich insbesondere für öffentlich-rechtliche Organisationen jeder Anschein von Käuflichkeit verbietet. Die Trans-parenz im Umgang mit den Beitragsgeldern muss vollständig hergestellt werden. Die Bei-tragszahler müssen nachvollziehen können, wohin jeder Cent geht.
Zudem fordern wir zukünftig volle Kostentransparenz bei Vergütung, Ruhestandsbezügen, Nebeneinkünften, aber auch Sendungsformaten sicherzustellen. Für die Vergütungshöhen gerade von Managements und Führung sind feste Vorgaben zu entwickeln. Selbstbedienung auch in Gestalt von Boni muss ausgeschlossen sein.
4. Kontrollinstanzen stärken – Gremien demokratisieren
Die aktuellen Vorwürfe gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk offenbaren nicht tolerier-bare Spielräume bei Auslegung und Handhabung von Compliance-Regeln sowie Informa-tions- und Transparenzpflichten. Die Vorwürfe deuten zudem auf eine Schwäche der inter-nen Kontrollgremien.
Grundsätzlich müssen zukünftig die Prüfmöglichkeiten der Rechnungshöfe ausgeweitet wer-den. Die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss zudem staatsfern sein und die gesellschaftliche Breite realistisch abbilden. Die Zusammensetzung der Gremien hat somit transparenter und demokratischer zu erfolgen. Die Amtsdauer der Gremien muss begrenzt werden, um die Verfestigung von Machtstrukturen zu verhindern. Die Mitwirkung
der Beitragszahler bei der Besetzung der Gremien sollte erhöht werden. Die nächste Mög-lichkeit, entsprechende Schritte auf den Weg zu bringen, bietet sich bereits im Oktober 2022, wenn die Länder den Entwurf des novellierten Medienstaatsvertrages unterschreiben. Schließlich werden mit dem neuen Medienstaatsvertrag ohnehin die Möglichkeiten und die Aufgaben der Rundfunk- und Verwaltungsräte erweitert.
5. Unabhängigkeit sichern – Fremdvergaben drosseln
Mitarbeiter insbesondere Medienschaffende verdienen faire Arbeitsverhältnisse und sichere Einkommen. Nur dann ist ihre Unabhängigkeit in der Berichterstattung tatsächlich gewähr-leistet. Das Konstrukt sog. „fester Freier“ und die Praxis etlicher öffentlich-rechtlichen Rund-funkanstalten, nach Erreichen einer bestimmten Beschäftigungszeit keine Aufträge mehr an die Betroffenen zu vergeben, um das Risiko einer Klage auf Feststellung eines Beschäfti-gungsverhältnisses zu minimieren, ist damit nicht vereinbar. Dieser Beschäftigungsmissstand wurde bereits von der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ angeprangert. Aber es wurde kaum darauf reagiert. So wurde eine signifikante Gruppe von Medienschaffen-den durch jahrelange Praxis der Auftraggeber zur selbstständig beschäftigten Gruppe.
Grundsätzlich sollten Moderatoren und Redakteure Angestellte der Anstalten sein und deren Infrastruktur nutzen. Fremdvergaben sollten nur in Ausnahmefällen möglich sein. Diese müs-sen von den Aufsichtsgremien überprüft und genehmigt werden. Fremdvergaben ureigener öffentlich-rechtlicher Kernaufgaben sind abzulehnen.
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