Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen sichern

Datum des Artikels 22.02.2023

Das erste Jahr der Ampelregierung hat bei vielen Bürgern und Unternehmern berechtigte Zweifel genährt, dass es der Bundesregierung mit der Solidität und Nachhaltigkeit unserer Staatsfinanzen nicht sonderlich ernst ist. Mit Nachtragshaushalten, Wirtschaftsstabilisierungsfonds, Klima- und Transformationsfonds, Bundeswehr-Sondervermögen und einem wirtschaftlichen Abwehrschirm („Doppelwumms“) wurden die Lasten der Folgen der Corona-Pandemie, von Zeitenwende und Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine in die Zukunft verschoben. Die öffentlichen Schulden (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen, einschließlich aller Extrahaushalte) stiegen im dritten Quartal 2022 auf eine Rekordsumme von 2,3 Billionen Euro (Destatis). Zudem verschwimmen durch immer mehr Gemeinschaftsaufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für die Staatsfinanzen.

Zur Sicherung nachhaltiger Staatsfinanzen hat sich die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse in den Dauerkrisenjahren bewährt. Kern von Art. 109 Abs. 3 GG ist der Grundsatz, dass dem Bund nahezu und den Ländern gänzlich Nettoneuverschuldung untersagt ist. Ausgaben müssen ohne Kreditaufnahme durch die Einnahmen ausgeglichen werden. Nur in besonderen Notlagen darf der Bund von diesem Grundsatz abweichen. Seit ihrem Inkrafttreten 2011 konnte der seit der Finanzkrise hohe Schuldenstand (2010: 82,4 Prozent des BIP) rasch unter die innerhalb der EU vereinbarte Grenze von 60 Prozent des BIP zurückgeführt werden (2019: 59,8 Prozent). Die Mehrheit der Euro-Staaten (und erst recht alle großen Ländern) halten die 60-Prozent Marke nicht ein. Die Schuldenbremse war über die Grenzen unseres Landes hinaus ein Erfolg. Andere europäische Länder wie Österreich, Slowenien oder Spanien haben entsprechende Regeln eingeführt. Neben der Schuldenbremse ist nach wie vor die Einhaltung bewährter Haushaltsgrundsätze Grundlage solider Staatsfinanzen.

I.  Schuldenbremse konsequent anwenden

Die Schuldenbremse schafft Generationengerechtigkeit. Jede Generation hat mit ihren eigenen Krisen zu kämpfen. Die Herausforderungen der heutigen Generation dürfen nicht über hohe Schulden auf dem Rücken der kommenden Generation bewältigt werden.

Die Schuldenbremse bremst Inflation. Schuldenfinanzierte Staatsausgaben vergrößern die umlaufende Geldmenge und heizen Preissteigerungen an. Deshalb ist die Schuldenbremse ein wirksames Instrument zur Verhinderung von Inflation. Eine solide Haushaltsführung in Bund und Ländern hat einen dämpfenden Effekt auf die Preise.
Die Schuldenbremse ermöglicht gute Politik. Seit Einführung der Schuldenbremse hat es dem Staat bei der Bewältigung von Zukunftsausgaben nie an Geld gefehlt. Im Gegenteil: Die Regelbindung ist ein Signal an die Finanzmärkte und wird mit sehr guten Finanzierungskonditionen für deutsche Staatsanleihen belohnt.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) fordert:

  • Die Schuldenbremse muss bestehen bleiben und rechtstreu angewendet werden. Die Regeln dürfen nicht aufgeweicht werden. Vorgesehene Tilgungsverpflichtungen müssen umgesetzt werden.
  • Die Ausnahmen in Krisenfällen müssen klar definiert und abschließend geregelt werden. Sichtbar gewordene Gestaltungslücken zur Umgehung der Schuldenbremse müssen geschlossen werden. Ausnahmen müssen im betreffenden Haushaltsgesetz klar bezeichnet werden (entsprechend Art. 19. Abs. 1 Satz 2 GG)
  • Die impliziten Staatsschulden (z.B. Sondervermögen, Pensionsverpflichtungen, Haftung für Betriebe mit staatlichen Anteilen) sind regelmäßig transparent und vollständig auszuweisen, um künftige Belastungen zu verdeutlichen.

II.  Transparenter Umgang mit Sondervermögen und Nachtragshaushalten

Krisen sind der politische Normalfall. In den letzten Jahren häufen sich Anlässe für die Aufnahme zusätzlicher Schulden. Das zeigt: Krisen sind keine Ausnahmeerscheinungen, sondern gehören zur politischen Normalität.

Mit Unwägbarkeiten ist zur rechnen. Geopolitische Spannungen, Pandemien und Turbulenzen an Finanzmärkten sind Risiken, mit denen sowohl Staaten genauso wie Unternehmen und auch alle Menschen rechnen müssen. Analog den bestehenden Anforderungen an Unternehmen in § 91 Abs. 2 Aktiengesetz ist auch für den Haushalt ein Überwachungssystem einzurichten, damit Risiken, die die kurz-, mittel- oder langfristige Haushaltsplanung gefährden, früh erkannt werden.

Prioritätensetzung ist Aufgabe der Politik. Corona, Energiewende, Krieg, Lieferkettenprobleme – der Staat kann nicht alle Folgen dieser Krisen ausfinanzieren. Die Herausforderung für Regierungen besteht zunehmend darin, die richtigen Prioritäten bei der Verwendung der vor allem durch Steuern vereinnahmten Haushaltsmittel zu setzen.
Rückzahlverpflichtungen glaubwürdig eingehen. Zu einem fiskalpolitisch glaubwürdigen Umgang mit sogenannten Sondervermögen und Nebenhaushalten zählt auch eine glaubwürdige Verpflichtung zur Rückzahlung eingegangener Kreditermächtigungen. Der Tilgungspfad soll synchron zur Tilgungsregel der Schuldenbremse verlaufen.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) fordert:

  • Nicht jede unvorhergesehene wirtschaftliche oder politische Entwicklung darf zur Rechtfertigung für Sondervermögen und Schattenhaushalte als Notsituation deklariert werden. Bei unerwarteten Herausforderungen ist die Politik gefordert, Haushalte entsprechend der angepassten Lage zu überprüfen, Prioritäten zu setzen und ggf. den Rotstift anzusetzen, die notwendigen Ausgaben aber im Haushalt zu veranschlagen.
  • Zukunftsaufgaben müssen ebenso aus dem Kernhaushalt finanziert werden. Eine neue Gemeinschaftsaufgabe „Klimaschutz“ soll hierfür die Grundlage bilden.
  • Sondervermögen dürfen nur in Ausnahmefällen und nur zum Zweck der Abwendung von akuten Notlagen eingerichtet werden, deren Bewältigung nicht im Kernhaushalt abgebildet werden kann. Eine solche Notlage darf weder vorhersehbar noch abwendbar gewesen sein. Politische Versäumnisse rechtfertigen keine Sondervermögen.
  • Sondervermögen müssen, soweit möglich, aus echtem Vermögen gebildet werden, das zuvor aus Rücklagen gebildet wurde. Soweit dies nicht möglich ist, sind Zuwendungen Dritter (andere Bundesländer, Bund, EU) oder Unternehmensbeteiligungen oder Immobilienvermögen zur Finanzierung heranzuziehen. Nur, sofern auch dies nicht möglich ist, dürfen Sondervermögen über die Aufnahme von Schulden finanziert werden. Diese sind entsprechend eines verbindlichen Tilgungsplans zurückzuzahlen. Parlamentarisch bewilligtes Sondervermögen darf nicht für andere Zwecke umgewidmet werden. Sobald der Zweck der Kreditbewilligung (Abwendung einer spezifischen Notlage) wegfällt, sind die noch nicht ausgeschöpften Mittel zur Schuldentilgung einzusetzen, Kreditermächtigungen dürfen nicht weiter in Anspruch genommen werden und sind durch den Bundestag aufzuheben. Für die im Rahmen von Sondervermögen und Nebenhaushalten eingegangenen Kreditermächtigungen bedarf es eines im Vorfeld festgelegten Tilgungspfades. Die Tilgungsregel sollen sich an der Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts aus dem Vorjahr orientieren. Um langfristig eine stabile und automatisch geregelte Rückzahlquote erreichen zu können, sollen Sockelbeträge, die bspw. alle fünf Jahre erreicht sein müssen, den Tilgungspfad bestimmen.

III.  Einhaltung von Haushaltsgrundsätzen und klare föderale Finanzbeziehungen

Das Subsidiaritätsprinzip ist Teil des Wertefundaments von CDU und CSU. Eine übergeordnete Ebene darf eine Aufgabe nur an sich ziehen, wenn die untergeordnete Ebene sie nicht erfüllen kann. Das Prinzip hat sich bewährt und hat Eingang in den Vertrag über die Europäische Union gefunden. Insbesondere in Haushalts- und Finanzfragen muss es mit Leben gefüllt werden.
Wer bestellt, muss bezahlen. Was in der Wirtschaft selbstverständlich ist, hat sich auch als Prinzip für öffentliche Haushalte bewährt: Wer über eine öffentliche Aufgabe entscheidet, muss nach dem Prinzip der Konnexität auch die Kosten für sie tragen. Das gilt im Bund-Länder-Verhältnis ebenso wie im Verhältnis der Länder zu ihren Kommunen. Dieser bewährte Grundsatz wird immer häufiger durch Mischfinanzierungen ausgehebelt. Damit verschwimmen Verantwortlichkeiten und es schwindet der Anreiz zur Sparsamkeit.

Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit statt Verschleierung von Belastungen. Der Grundsatz der Klarheit fordert, dass im öffentlichen Haushalt die Ausgaben transparent und übersichtlich ausgewiesen werden müssen. Der Grundsatz der Wahrheit fordert, dass alle in einem Haushaltsjahr zu erwartenden Belastungen so genau und sorgfältig wie möglich zu bestimmen sind. Sondervermögen und Nachtragshaushalte erschweren die Einhaltung dieser Prinzipien zunehmend.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) fordert:

  • Eine übergeordnete Ebene sollte eine Aufgabe nur an sich ziehen, wenn sie von der untergeordneten nicht erfüllt werden kann (Subsidiaritätsprinzip).
  • Die Kosten für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe müssen von der gleichen öffentlichen Einheit finanziert werden, die darüber entscheidet, wie diese Aufgabe zu erfüllen ist (Konnexitätsgrundsatz). Darüber hinaus ist anzustreben, dass nicht nur Entscheidungsträger und Steuerzahler, sondern auch Nutznießer der Ausgaben zur jeweils gleichen öffentlichen Einheit gehören (Institutionelle Kongruenz).
  • Auch angesichts von Notlagen müssen die Grundsätze der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit konsequent eingehalten werden. Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen auf jeder föderalen Ebene im Haushalt inkl. Nachtragshaushalte abgebildet werden.
  • Im Falle der nachträglichen verfassungsgerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Haushaltes müssen geeignete Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden, die der Gerichtsentscheidung tatsächliche Durchschlagskraft in der Politik verleihen.
  • Die gemeinsame Finanzierung von Ausgaben durch verschiedene Gebietskörperschaften (Mischfinanzierung) muss abgebaut werden und ist grundsätzlich zu vermeiden. Mischfinanzierung führt zu Intransparenz, unklaren Verantwortlichkeiten und senkt den Anreiz zur sparsamen Mittelverwendung. Mischfinanzierung beschneidet außerdem das Budgetrecht anderer Länder oder  Kommunen.
  • Anstelle von Mischfinanzierungen sollen die Anteile von Bund und Ländern am Steueraufkommen neu bemessen werden. Im Rahmen der bestehenden Finanzverfassung kann das über die Anteile am Aufkommen der Mehrwertsteuer erfolgen, langfristig sollten die steuerrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen im Sinne einer klareren Aufgabentrennung der Gebietskörperschaften neu geregelt werden.

BuVo-Beschluss Unternehmen in der Ukraine-Krise steuerlich entlasten