David Cameron hat sich verzockt. In England gab es nie eine richtige Begeisterung und Überzeugung für die EU. 16 Mio Engländern stimmten für einen Verbleib in der EU. Dem gegenüber stehen 17 Mio, die für den Brexit sind. Die 4 Mio, die online für eine Wiederholung des Referendums votierten, vertreten einfach keine Massenbewegung. Ein Rücktritt vom Brexit dürfte nicht das Thema sein. Die Karte zum Austritt aus der EU wird voraussichtlich nicht vor Ende 2016 gezogen. Dies muss das Vereinigte Königreich selbst tun, die EU kann den Vorgang nicht beschleunigen. Auch ein Nein zum Brexit hätte großen Druck auf Europa bedeutet. Wir sind irritiert. Von deutscher Seite aus können wir uns nicht vorstellen, dass ein solches historisches Referendum ohne Plan B durchgeführt werden kann. Sicher ist jedoch, dass es Sonderbrücken für die Briten nicht geben wird, da sonst die Bereitschaft anderer Länder für einen Austritt wachsen könnte.
Richtig oder Falsch kann es bei einer Betrachtung der Türkei nicht heißen. Beim Versuch, die Entwicklung dort zu beurteilen, muss man die letzten 15 Jahre im Blick haben. Das Land war kemalistisch gleichgeschaltet. Durch Rückdrängung des Militärs schuf Erdogan die Voraussetzungen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Die Türkei ist kein Billigland mehr. Heute gibt es einen Mittelstand und Fortschritte bei der Bildung. Große Prestigeobjekte wurden gebaut oder sind im Bau, die Infrastruktur wächst und wächst. Firmen wie Mercedes, Siemens und Bosch produzieren vor Ort. Die Industrie hat sich entwickelt und ist gut unterwegs auf internationalem Standard. Das Wachstum ist vielfach auf Pump finanziert. Der durchschnittliche Türke hat vier bis fünf Kreditkarten im Geldbeutel, die auch in des Wortes wahrer Bedeutung als Kredit genutzt werden. Finanziell sitzt die Türkei auf einer großen Blase. Durch Atatürk haben die Türken gelernt, auf einen starken Mann zu setzen. Für die Türken ist daher ein Präsidialsystem kein Problem, auch wenn dies für uns eines ist. Augenblicklich schlägt Erdogan über die Stränge. Sein Versuch, die Türkei als regionale Großmacht zu etablieren, ist schief gegangen. Die derzeit geübte Praxis von Säuberungen von Innen und Gleichschaltung, Unterdrückung der Presse und Meinungsfreiheit bringt die Türkei keinen Schritt an Europa heran. Man muss abwarten und begreifen, dass wir es hier mit einer anderen Kultur zu tun haben. Für Erdogan wird es schwierig, da raus zu kommen. Jedoch, so Molitor: „Trump geht nicht, Putin geht auch nicht, aber wir können nicht sagen, dass wir mit Erdogan nicht können.“
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