Klare Leitplanken für die Regulierung von Nachhaltigkeit

Datum des Artikels 06.07.2023
Beschluss

BESCHLUSS DES MIT-BUNDESVORSTANDS VOM 4. JULI 2023

Im Jahr 2022 hat die EU eine massive Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen beschlossen. Auf die nichtfinanzielle Berichtspflicht (NFRD) folgt nun die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Und mit der Corporate Social Due Diligence Directive (sog. „EU-Lieferkettengesetz“) ist bereits die nächste Richtlinie in der Planung. Bereits in diesem Jahr werden zusätzlich die neuen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) erwartet, die die Grundlage weiterer Regulierungen bilden.

Der damit von der Politik den KMU auferlegter Pflichtenkatalog stellt eine große und zusätzliche Belastung für den Mittelstand und ein Wettbewerbsnachteil für den Standort Europa und insbesondere auch Deutschland dar. Unternehmen, die die komplexen Änderungs- und Berichtsanforderungen nicht erfüllen können, werden zunehmend aus ihren Märkten gedrängt. Sie erhalten zudem keine Finanzierungen für Betriebsmittel mehr. Anfang des Jahres 2023 hat sich die MIT im Zusammenhang mit der CSRD gegen weitere Belastungen ausgesprochen. Denn durch die neue Regulierung wird der Kreis unmittelbar betroffener Unternehmen von rund 500 auf rund 15.000 anwachsen, von einer quantitativen Vervielfachung der Belastungen ganz abgesehen. Aber auch die qualitativen Anforderungen steigen dramatisch: die CSRD verlangt nicht weniger als eine Umstellung von Geschäftsmodellen. Denn die neue Regulierung erfordert jährliche umfangreiche Berichte, die durch Wirtschaftsprüfer zu testieren sind und droht mit der persönlichen Haftung der Geschäftsleiter. Damit erhöhen sich die Bürokratielasten weiter und es wird KMU zunehmend erschwert, sich dem internationalen Wettbewerb zu stellen. Schon heute gelten alleine auf Bundesebene rund 1.800 Gesetze mit über 50.000 Einzelnormen, zuzüglich der rund 2.800 Rechtsverordnungen (RVO) mit über 42.000 Einzelnormen. Hinzu kommen weitere tausend Gesetze und Rechtsverordnungen der Bundesländer.


Die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland steht damit unter Druck wie selten zuvor. Schon heute sieht mehr als die Hälfte der Unternehmen die Attraktivität Deutschlands in Gefahr. Neun von zehn Unternehmen der Autobranche halten Deutschland für nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Verbindungen der Unternehmen zum Heimatstandort werden brüchiger, über die Hälfte der jungen Unternehmer würden ihr Unternehmen heute lieber in einem anderen Land aufbauen. Das drängendste Problem für sie: zunehmende Bürokratie. Wenn Deutschland auch in Zukunft als Standort für mittelständische Unternehmen in Frage kommen soll, braucht die Regulierung von Nachhaltigkeit Leitplanken, die der Staat nicht überschreiten darf.

Deshalb fordert die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT):

  • Der Staat ist gefordert Werte und Standards zunächst über staatliche Maßnahmen wie die Nutzung diplomatischer Beziehungen oder die Aushandlung völkerrechtlicher Abkommen zur Durchsetzung zur verhelfen. Bundesregierung und Europäische Kommission müssen sich dazu bekennen, dass der Schutz staatlich vorgegebener Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales und Menschenrechte zuerst eine staatliche Aufgabe ist. Das gilt insbesondere, wenn es um die Einhaltung und Durchsetzung dieser Standards außerhalb der eigenen Jurisdiktion geht. Die Einführung von Pflichten zur Umsetzung dieser Standards für Unternehmen kann kein Ersatz für die Erfüllung dieser staatlichen Aufgabe sein. Unternehmen dürfen nicht zu Lückenbüßern für das Nichterreichen außen-, umwelt- oder menschenrechtspolitischer Ziele des Staates werden.
  • Die Politik muss entschieden auf die Erhöhung und Umsetzung von Standards im außereuropäischen Ausland hinwirken, bevor von Unternehmen im Inland oder der EU die Einhaltung zusätzlicher Standards abverlangt wird. Denn: Internationaler Wettbewerb erfordert ein faires Level Playing Field. In Deutschland und Europa hat der Schutz von Umwelt, Arbeits- und Menschenrechten ein im internationalen Vergleich sehr hohes Niveau erreicht. Darauf sind mittelständische Unternehmen stolz, obwohl die hohen Standards mit Wettbewerbsnachteilen einhergehen. Der neuerliche Verweis in der EU-Gesetzgebung auf die zwingende Anwendung des Industriestandards des Greenhouse Gas Protokoll (GHG-Protokoll) aus dem Jahr 2014 als alleiniger maßgeblicher Standard engt die nationalen Spielräume für bestimmte Branchen und den deutschen Mittelstand zu sehr ein.
  • Angesichts der Belastungen gerade mittelständischer Unternehmen muss ein „Gold Plating“ in Deutschland unbedingt verhindert werden. Die Umsetzung der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in nationales Recht darf nur im geringstmöglichen Umfang und zum spätestmöglichen Zeitpunkt erfolgen.
  • Nachhaltigkeitsberichtspflichten müssen möglichst bürokratiearm und verhältnismäßig ausgestaltet werden. Es muss dringend darauf geachtet werden, dass die vorgeschlagenen Berichtspflichten auch für kleine und mittlere Unternehmen umsetzbar sind. Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern müssen von den Nachhaltigkeitsberichtspflichten ausgenommen werden.
  • Beratungen in der EU zu einer europäischer Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive CSDDD) und die Planungen zur Ausweitung der EU-Taxonomie auf soziale Kriterien müssen gestoppt werden. Zudem muss die bereits geplante Taxonomie zielgerichtet angepasst werden, um zu verhindern, dass sie zu einem bremsenden Faktor für die europäische Wirtschaft wird.
  • Die Überwälzung gesetzlicher Anforderungen durch besonders regulierte Großunternehmen und Banken auf nicht direkt betroffene KMU muss möglichst verhindert werden. Der Gesetzgeber muss Ausnahmeregelungen für kleine und mittlere Unternehmen schaffen. Für KMU, die mit ESG-Transformationskosten überfordert sind, muss die Möglichkeit einer finanziellen Kompensation sowie die Schaffung von möglichst langen Übergangsfristen geprüft werden.
  • Klagen gegen die Nichteinhaltung von Nachhaltigkeitsstandards, fehlerhafte Berichte oder vermeintlich nicht-nachhaltige Geschäftsmodelle dürfen nicht zum Geschäftsmodell von Anwaltskanzleien oder Nichtregierungsorganisationen werden. Auch muss die Möglichkeit von Prozessstandschaften ausgeklammert bleiben.
  • Doppelte Berichtspflichten müssen verhindert werden, mittelfristig muss ein Single-Reporting Instrument entwickelt werden. Es muss vermieden werden, dass sich Umfang und Details laufend ändern und der einzureichende Bericht schleichend immer größer wird. Mittelfristig sollte das Ziel sein, dass Unternehmen einen einzigen Nachhaltigkeitsbericht formulieren, der alle wichtigen Informationen gebündelt enthält.
  • Bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards muss die Regierung verständliche und einfach umzusetzende Hilfestellungen für Unternehmen von den Behörden zur Verfügung gestellt werden.