Die Forderung des Europäischen Parlaments nach einer EU-Initiative zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie ist vom Grundsatz her abzulehnen und von den konkreten Inhalten her inakzeptabel. Es gibt schon keine Anhaltspunkte dafür, dass Änderungen an der gesetzlichen Grundlage notwendig sind. Auch die Kommission sah 2018 in ihrem Umsetzungsbericht keinen Bedarf an einer Überarbeitung der geltenden Regeln. Die bestehenden Strukturen sowie die bisherige Funktionsweise der EBR haben sich in der Praxis bewährt. Die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments könnten deshalb im Gegenteil dazu führen, dass sich betriebliche Prozesse in vielerlei Hinsicht verschlechtern und verlangsamen. Dies gilt insbesondere für die bereits in den 90er-Jahren gegründeten EBR, deren unternehmensindividuelle Vereinbarungen auch weiterhin unter Bestandsschutz bleiben müssen. Darüber hinaus fallen viele der geforderten Änderungen der Richtlinie in den Bereich „Mitbestimmung“ und damit unter die Rechtsgrundlage des Art. 153 I f i.V.m. II AEUV samt Einstimmigkeitsvorbehalt. Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren ist damit für dieses Initiative ausgeschlossen (Art. 153 AEUV).
Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) fordert:
• Die Europäische Kommission solle die Forderung des EPs nach einem Legislativvorschlag zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie zurückweisen.
• Der EBR muss auch in Zukunft ein Gremium für die frühzeitige Information und Anhörung zu grenzüberschreitenden Angelegenheiten vergleichbar mit dem Wirtschaftsausschuss im Betriebsverfassungsrecht bleiben. Schon aufgrund der unterschiedlichsten Sozialpartnermodelle und Rechtssysteme zur Arbeitnehmervertretung in Unternehmen innerhalb der EU kann es darüber hinaus keine Zwangsharmonisierung geben.
• Das deutsche Mitbestimmungsmodell, das über Jahrzehnte gewachsen ist und dessen zahlreiche Rechtsfragen die Rechtsprechung beantworten musste, kann nicht EU-weit als Maßstab für einen EBR dienen. Keinesfalls dürfen die Vorgaben noch über die Rechte des deutschen Betriebsrats hinausgehen und zu erheblichen Verzögerungen von Management-Entscheidungen führen.
• Es gibt keine One-size-fits-all Lösungen für die Information und Konsultation der Arbeitnehmer über sie betreffende Maßnahmen in international agierenden Unternehmen. Neben dem Erhalt des Bestandsschutzes für bestehende EBR-Vereinbarungen, die z. T auch internationale Standorte einbeziehen, sollte für Neuvereinbarungen ausreichend Flexibilität für unternehmensindividuelle Lösungen gewährleistet werden.
• Während der Corona-Pandemie hat der deutsche Gesetzgeber ermöglicht, dass EBR-Sitzungen digital/hybrid durchgeführt werden (§ 41b EBRG) können. Demnach kann die Teilnahme an Sitzungen des EBR sowie die Beschlussfassung auch mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Diese Sonderregel ist aktuell befristet bis zum 07.04.2023. Die Unternehmen berichteten, dass es die Zusammenarbeit mit dem EBR erheblich erleichtert, wenn kurzfristig anberaumte Treffen oder Sondersitzungen digital ausgestaltet werden können. Die Sonderregel sollte dauerhaft verankert werden, damit Unternehmen ein Wahlrecht hinsichtlich der Durchführung von EBR-Sitzungen haben.
• Mitglieder im EBR sollen nicht gleichzeitig Positionen bei Konkurrenzunternehmen innehaben dürfen. Überschneidungen von Zuständigkeiten sind inakzeptabel, insbesondere außerhalb des Unternehmens. Nur so kann der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet werden.
Hintergrund:
Am 02.02.2023 hat das Europäische Parlament einen Initiativbericht (2019/2183 (INL)) zur Revision der Richtlinie über Europäische Betriebsräte (EBR) verabschiedet. Dieses Thema war zuletzt in 2011 aktuell, als die europäische EBR-Neufassungsrichtlinie 2009/38/EG neue Mindestvorgaben für den EBR einführte. In Deutschland wurden diese durch das 2. EBRG-Änderungsgesetz umgesetzt. Der Initiativbericht sieht eine erhebliche Verschärfung der EBR-Richtlinie vor und fordert die Europäische Kommission auf, einen entsprechenden Legislativvorschlag vorzulegen. Beschäftigungskommissar Nicolas Schmit hat schon vor Ablauf der offiziellen dreimonatigen Stellungnahmefrist der Kommission die Einleitung einer Sozialpartnerkonsultation und damit den Start eines Legislativverfahrens angekündigt. Die Initiative des EP wurde maßgeblich vom deutschen CDU-Europaabgeordneten Dennis Radtke betrieben.
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