Handwerk im Fokus: Fundament des Mittelstands stärken

Datum des Artikels 30.01.2025
Beschluss

BESCHLUSS DES MIT-BUNDESVORSTANDS AM 28. JANUAR 2025.

Das deutsche Handwerk beschäftigt 5,6 Mio. Menschen in einer Million Handwerksunternehmen mit 343.000 Auszubildenden. Es erzielte 2023 einen Umsatz von 766 Milliarden Euro. Traditionell gehört das Handwerk zum Fundament des deutschen Mittelstands. Als besonders standorttreuer Wirtschafts- und Gesellschaftsbereich, der nicht für Geschäftsverlagerungen ins Ausland steht, ist das Handwerk in besonderem Maße auf gute Standortbedingungen angewiesen. In den letzten Jahren hat sich die Lage des deutschen Handwerks allerdings deutlich verschlechtert. Das Geschäftsklima in der Branche befindet sich auf einem 10-Jahres-Tief. Ob Insolvenzen, Personalbestand oder Investitionen: Nahezu alle wichtigen Kennzahlen haben sich negativ entwickelt. Außerdem leidet das Handwerk, das nicht über große Stabsabteilungen verfügt, im besonderen Maße unter stetig steigenden Bürokratielasten sowie Berichtspflichten. Wir brauchen deshalb rasch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Handwerk am Standort Deutschland.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert:

Fachkräfte für das Handwerk mobilisieren: Der Arbeits- und Fachkräftemangel hat besorgniserregende Ausmaße erreicht. Im Handwerk ist er längst zur Wachstumsbremse geworden.

  • Vielfalt und Weltoffenheit werden in allen Regionen als unverzichtbare Voraussetzungen für einen attraktiven Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort Deutschland gelebt und unterstützt. Die Arbeitsmöglichkeiten für ausländische Fachkräfte im Handwerk sollen erleichtert werden.
  • Die Selbständigkeit und die Beschäftigung von Frauen im Handwerk sind gleichermaßen wichtig, Schwangerschaft und Mutterschaft von Unternehmerinnen werden besser abgesichert.

Bildung fürs Handwerk stärken: Eine solide berufliche Ausbildung ist essenziell für die Qualität und Innovationskraft des Handwerks. Die duale Ausbildung, die zu den besten der Welt gehört, muss weiter gestärkt werden.

  • Die oft beschworene Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung, insbesondere im Hinblick auf die gesellschaftliche Anerkennung, ist nicht einmal ansatzweise realisiert. Verdienst- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die gesellschaftliche Bedeutung von Ausbildungsberufen müssen stärker thematisiert werden.
  • Die Mittel für die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) bei Handwerkskammern und Verbänden müssen deutlich erhöht werden, um ausbildungswillige Betriebe zu entlasten.
  • Zur Gleichstellung von beruflicher und schulischer Bildung müssen Fortzubildende bei der Meisterausbildung und weiteren Abschlüssen der höheren Berufsbildung weitergehend von Fortbildungskosten entlastet werden.
  • Bundesweit soll an allen Schulen bis zum Schulabschluss eine verpflichtende Berufsorientierung angeboten werden. Berufspraktika sollten an allen Schulen verbindlich einführt werden. Verdienst- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die gesellschaftliche Bedeutung von Ausbildungsberufen müssen an Schulen stärker thematisiert werden.
  • Unterstützungsangebote von Auszubildenden müssen gestärkt werden, etwa bei der Bereitstellung von Wohnraum, der Zentralisierung von Ausbildungsangeboten oder bei Mobilitätsangeboten. Die Mobilität von Auszubildenden wird durch ein kostengünstiges Azubi-Ticket und mehr Azubiwohnangebote unterstützt.
  • Die Finanzierungsmittel des Bundes zur Modernisierung und beim Neubau von handwerklichen Bildungsstätten muss erhöht werden.
  • Das Stipendienprogramm in der Begabtenförderung für berufliche Bildung wird aufgestockt.

Gründungen und Übernahmen fördern: Die Gründer von heute sind der Mittelstand von morgen, das gilt auch im Handwerk. Existenzgründer und diejenigen, die Betriebe übernehmen, sind unsere wirtschaftliche Zukunft. Aber immer weniger sehen für sich eine Perspektive in der Selbstständigkeit.

  • Übernahme- und Gründungswillige brauchen solide Beratung in allen Phasen der Gründung.
  • Wir wollen, dass die Unternehmensgründung als „One-Stop-Shop“ auf einer digitalen Plattform möglich wird. Dafür muss der gesamte Bearbeitungsprozess digital stattfinden. Im Rahmen von Gründungen wollen wir auch, dass das Notariat zukunftsfähig und modern weiterentwickelt wird.
  • Frauen muss die Selbstständigkeit erleichtert werden. Schwangerschaft und Mutterschaft von Unternehmerinnen werden besser abgesichert.
  • Selbstständigkeit und Unternehmertum gehören in die Lehrpläne. Wir wollen das Thema Existenzgründung und Unternehmertum stärker in der schulischen und akademischen Bildung verankern.

Rahmenbedingungen an das Handwerk anpassen: Deutschland ist nicht nur ein Hochsteuerland im internationalen Vergleich. Deutschland leidet an Überregulierung. Für Handwerk und Mittelstand kommt es darauf an, die Steuerbelastung zu senken und die Bürokratie zu vereinfachen.

  • Jede Substanzbesteuerung durch Erbschaft- oder Vermögensteuer vertreibt Einkommen und Kapital aus dem Land, erschwert die Übergabe von Handwerksbetrieben und ist deshalb abzulehnen.
  • Die Steuerbelastung der Unternehmen muss auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von maximal 25 Prozent gesenkt werden. Steuern und Abgaben belasten die Unternehmen in Deutschland so stark wie in fast keinem anderen Land. Dies gilt sowohl für Kapital- als auch Personengesellschaften, deshalb müssen Steuerreformen beide Rechtsformen abdecken.
  • Die Sozialabgaben müssen wieder bei 40 Prozent gedeckelt werden. Dafür muss die zuletzt ungebremste Expansion der Sozialausgaben gestoppt werden - ohne Denkverbote. Tarifpartnerschaft und Tarifautonomie wird gelebt. Es gilt der Grundsatz, dass Lohnfindung ausschließlich Sache der Sozialpartner ist und es keine politische Einflussnahme geben darf.
  • Steuern auf Energie und Strom müssen dauerhaft und nicht nur auf das produzierende Gewerbe beschränkt auf das europarechtliche Mindestmaß gesenkt, Netzentgelte erheblich reduziert werden. 
  • Bei der Einführung der elektronischen Rechnungstellung muss sichergestellt werden, dass die technische Infrastruktur reibungslos funktioniert. Mittelstand und Handwerk müssen bei der Schaffung der technischen Voraussetzungen möglichst entlastet werden.
  • Die Ist-Versteuerung bei der Umsatzsteuer ist ein wichtiges Instrument zur Erhaltung der Liquidität kleiner Betriebe. Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen von Ist-Versteuerern muss deshalb weiterhin nach Leistungserbringung und Erhalt der Rechnung möglich sein, damit kleine künftig Betriebe nicht von der Auftragsvergabe ausgeschlossen werden. Hierfür müssen die europäischen Rechtsgrundlagen geschaffen werden.
  • Wir wollen den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen erleichtern. Das Primat der Fach- und Teillosvergabe bei öffentlichen Ausschreibungen sowie eine mittelstandsfreundliche Vergabepraxis werden gestärkt. Handwerker müssen bei regionalen Förderinstrumente wie der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) oder der Gemeinschaftsaufgabe der Agrarstruktur und es Küstenschutzes (GAK) stärker berücksichtigt werden.

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