Gesundheit in Deutschland: Zukunft der ambulanten Versorgung – Fremdkapital und Kontrolle

Aktueller Status:

Der Beschluss wurde mit Bitte

Der Beschluss wurde mit Bitte um Berücksichtigung  an den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden für Gesundheit, Neue Länder, Sport und Ehrenamt, Petitionen der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Sepp Müller MdB, an den Vorsitzenden der AG Gesundheit der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge MdB, an die zuständigen Berichterstatter der AG Gesundheit Stephan Pilsinger MdB, Dietrich Monstadt MdB, Erich Irlstorfer MdB, an den gesundheitspolitischen Sprecher der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, Dr. Peter Liese MdEP, sowie an den Fachreferenten des Konrad-Adenauer-Hauses geschickt.

Datum des Artikels 04.07.2023
Beschluss

Eine gute medizinische Versorgung ist wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft. Funktionierende Versorgungsstrukturen sind als Teil der Daseinsvorsorge zudem eine zentrale Voraussetzung, um als Wohn- und Arbeitsort attraktiv zu sein. Davon profitieren nicht zuletzt auch Fachkräftegewinnung und -bindung. Zudem beeinflusst eine gute Gesundheitsversorgung auch direkt die Arbeitsfähigkeit und Fehlzeiten von Beschäftigten in den Betrieben. Von der Entfaltung der Potenziale der Gesundheitswirtschaft profitiert somit die gesamte Wirtschaft.

Wichtig ist daher, dass die Politik in der Frage der Organisation der ambulanten Gesundheitsversorgung die Rahmenbedingungen so setzt, dass sie einen Beitrag für funktionierende Versorgungstrukturen und damit für das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse leistet. Dies gilt erst recht für Fälle, in denen fachfremdes Kapital Zugang zur ambulanten Gesundheitsversorgung erhält. Aktuelle Relevanz erhält dieses Fragestellung im Zusammenhang mit der Diskussion um die sog. investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ).
  
Lösungsvorschläge
Die MIT nähert sich dieser Fragestellung aus sozial-marktwirtschaftlichem Blickwinkel und spricht sich für sich ergänzende sozial- und berufsrechtliche Regelungen aus, mit denen eine qualitätsorientierte, nachhaltige und flächendeckende Gesundheitsversorgung im Sinne der Patientinnen und Patienten sowie der Unternehmen sichergestellt werden kann, ohne dass in Zeiten immer knapper werdender öffentlicher Ressourcen Fremdkapital von der Versorgung gänzlich ausgeschlossen wird.

1. Ausweitung der Monopolbeschränkung bei den Ärzten
Ein zahnärztliches MVZ kann nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil 10 Prozent nicht überschreitet. Es ist prüfen, inwieweit die bestehende sog. Monopolbeschränkung aus § 95 1b SGB V auch auf den ärztlichen Bereich ausgedehnt werden kann. Dabei wäre jedoch den Besonderheiten der verschiedenen Facharztgruppen durch Anwendung unterschiedlicher Kennziffern Rechnung zu tragen.


2.Wiedereinführung der Zulassungsbeschränkung bei Zahnärzten
Es ist zu prüfen, ob die in der - anders als in der ärztlichen Versorgung - Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte nicht mehr vorgesehene Zulassungsbeschränkung zur vertragszahnärztlichen Versorgung wieder eingeführt werden sollte. Gegebenenfalls könnte damit bestehenden Verteilungsproblemen begegnet und damit gleichzeitig die Gefahr von (i)MVZ-Großstrukturen insbesondere in bereits überversorgten Bereichen begegnet werden.

3. Transparenzvorschriften zur Gesellschafter- und Inhaberstruktur
Nach der aktuellen Rechtslage bestehen keinerlei Transparenzvorschriften hinsichtlich der Gesellschafter- und Inhaberstrukturen bei (i)MVZ. Die Kenntnis dieser Strukturen ist jedoch erforderlich, um eine tatsächliche Bewertung hinsichtlich des Abrechnungsverhaltens und der Qualität der in (i)MVZ erbrachten Leistungen vornehmen zu können.

Daher sollten geeignete Maßnahmen geschaffen werden, die der Transparenz der Gesellschafter- und Inhaberstrukturen bei (i)MVZ dienen. Dazu bieten sich ein sog. Transparenzregister und Transparenzanforderungen für das Praxisschild an. Damit würde man auch die für Patientinnen und Patienten notwendige Transparenz für die freie Arztwahl sicherstellen.

4. Fachlich-räumlicher Bezug
Eine weitere wirksame Forderung könnte die fachlich-räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis zwischen (i)MVZ und Trägerkrankenhaus darstellen. Voraussetzung für die Berechtigung zur Gründung von (zahn)ärztlichen MVZ durch ein Krankenhaus könnte demnach sein, dass das aufzukaufende Krankenhaus über den anvisierten (zahn)medizinischen Fachbezug verfügt und ein (i)MVZ nur innerhalb seines Planungsbereiches gründen darf.

Diese Beschränkung auf den räumlichen Einzugsbereich und den fachlichen Bezug soll gewährleisten, dass keine „fachfremden autonomen Satelliten“ mit wechselnden und im Zweifel nicht erreichbaren Ansprechpartnern und Verantwortlichen entstehen. Fachliche und räumliche Nähe dienen damit auch unmittelbar dem Schutz der Patientinnen und Patienten.

5. Ausweitung der Gründungsberechtigung/Trägervielfalt
In Ergänzung zu den Forderungen aus Ziffer 4 und zur Förderung gerade auch innovativer Versorgungsideen sollte zudem eine Ausweitung der Gründungsberechtigung geprüft werden. Dies könnte dazu beitragen, den bestehenden Investitionsstau ab- und eine modernere Gesundheitsversorgung aufzubauen. Demnach könnten neben Krankenhäusern und nichtärztlichen Dialyseleistungserbringern auch andere Leistungserbringer wie Apotheken, stationäre und ambulante Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie Sanitätshäuser allein oder gemeinsam mit anderen Leistungserbringern (Mit-)Träger sein. Auch Privatärzte oder Kommunen sollten (i)MVZ (mit)gründen dürfen, auch wenn sie nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen.

6. Stärkung des ärztlichen MVZ-Leiters
Der berufsrechtliche Grundsatz der freien Arzt- und Therapiewahl erfordert es, dass auch im Falle einer Fremdkapitalbeteiligung sichergestellt wird, dass Therapieentscheidungen allein im Sinne des Patientenschutzes und damit im Sinne einer erfolgversprechenden Behandlung sowie frei von Interessen Dritter getroffen werden. Daher erscheint es angezeigt, eine Stärkung der Position des (zahn)ärztlichen (i)MVZ-Leiters auch über die geltende Regelung in § 95 Abs.1 SGB V hinaus zu verankern. Zu diesem Zwecke sollte berufsrechtlich klargestellt werden, dass dieser in medizinischen Fragen stets weisungsfrei agiert und die (fachliche) Verantwortung trägt.

Dies könnte z.B. mittels eines besonderen Kündigungsschutzes oder darüber hinaus durch ein gesetzliches Verbot sachfremder monetärer Anreize für (zahn)ärztliche (i)MVZ-Leiter sichergestellt werden. Weiterhin könnte eine Schilderpflicht verankert werden, wonach an jeder (i)MVZ-Betriebsstätte deren (zahn)ärztlicher Leiter sowie Träger anzugeben sind.

7. Berufszugang für juristische Personen
Für juristische Personen, die Heilkunde als eigene Leistung durch angestellte, zugelassene Heilberufler erbringen, sollte zudem ein staatlicher Zugang zur Berufsausübung analog den bestehenden Regelungen anderer freier Berufe eingeführt werden. Der Berufszugang sollte an qualitätssichernde und patientenschützende Voraussetzungen - etwa die Sicherung der ärztlichen Unabhängigkeit, ausreichender Versicherungsschutz etc. – geknüpft werden. Auf diesem Wege würde auch das Sonderproblem gewerblichen Anbieter (zahn)ärztlicher Leistungen ohne Einbindung von Heilberuflern (z.B. sog. Aligner-Behandlungen) mitgeregelt.

8. Kontrolle der Einhaltung des Berufsrechtes durch Selbstverwaltung
Das Berufsrecht freier Berufe regelt, wann und wie eine (frei)berufliche Tätigkeit aufgenommen und ausgeübt werden kann. Im Gegensatz zu anderen Freien Berufen ist die Unterwerfung unter des Berufsrecht bei Heilberufen an die (staatliche) Zulassung zum Beruf geknüpft, die sog. Approbation. Sofern jedoch juristische Personen (zahn)ärztliche Leistungen (un)mittelbar erbringen, besteht keine Bindung an das sonst geltende Berufsrecht. Daher erscheint es im Sinne gleicher Marktbedingungen sinnvoll, das Berufsrecht auch auf juristische Personen anwendbar zu machen. Dies kann durch die gesetzliche Mitgliedschaft heilberufliche Leistungen erbringende juristischen Personen in der jeweils zuständigen Berufskammer abgesichert werden.