EU-Politik: Wirtschaftswachstum durch eine realisierbare Klimapolitik, mehr Digitalisierung und nachhaltige Investitionsstrukturen

Aktueller Status:

Der Beschluss wurde an den

Der Beschluss wurde an die Sprecher des PKM Europe, Dr. Markus Pieper MdEP und Markus Ferber MdEP sowie an den Fachreferenten im Konrad-Adenauer-Haus geschickt.

Datum des Artikels 11.12.2021
Beschluss

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) spricht sich dafür aus, dass auf EU-Ebene Klimapolitik marktwirtschaftlich und effizient umgesetzt, die Digitalisierung auf allen Ebenen vorangetrieben, keine zusätzlichen Verpflichtungen für unternehmerische Lieferketten geschaffen sowie die Ausgestaltung von Berichtspflichten im Zusammenhang mit nachhaltigen Investitionen mit Augenmaß betrieben wird und keine weiteren Schritte hin zu einer Transferunion unternommen werden.

Die Europäische Kommission hat sich Klimaschutz und Digitalisierung als Schwerpunkte für ihre Amtszeit gesetzt und wird dabei grundsätzlich vom Rat und dem Europäischen Parlament unterstützt. Bei der konkreten Umsetzung kommt es jedoch auf zielgerichtete Maßnahmen an. Als Mittelstands- und Wirtschaftsunion setzen wir uns für marktgerechte und technologieoffene Lösungen ein, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands stärken. Mittelständische Unternehmen aus Deutschland sind im Europäischen Binnenmarkt auf einen leichten Zugang zu Finanzierungsmitteln, bezahlbare Energie und Energiesicherheit sowie möglichst geringe bürokratische Hürden angewiesen, damit sie sowohl die digitale als auch grüne Transformation umsetzten und die Geschäftsmodelle von morgen entwickeln können.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion spricht sich daher auf Ebene der Europäischen Union für folgende Forderungen aus:

(1) Klimaschutz marktwirtschaftlich und effizient umsetzen

Wir unterstützen den Green Deal der EU und die Erreichung der Ziele zur Verringerung der klimaschädlichen CO2-Emissionen bis 2030 um 55% sowie der Klimaneutralität bis 2050. Die EU-Mitgliedstaaten stehen allerdings zusammen für weniger als 8% des globalen CO2-Ausstoßes. Wir brauchen daher möglichst verbindliche, globale Klimaziele. Ansonsten werden europäische Arbeitsplätze durch den steigenden Kosten- und Wettbewerbsdruck stark gefährdet; mit entsprechend ausufernden Sozialkosten und Finanzierungslücken. Um industrielle Abwanderungen und eine massive Verteuerung von Energieträgern zu verhindern, bedarf es günstiger Energieproduktions- und Nutzungsbedingungen vor Ort, wettbewerbsfördernder Investitions- und Förderprogramme, Importstrategien für nachhaltige Energieträger wie bunten Wasserstoff sowie einer EU-Grenzabgabe für CO2. Diese Grenzabgabe sollte jedoch nur ein-geführt werden, wenn sie die Aspekte der globalen Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt, auf eine geringe Anzahl spezifischer Sektoren angewandt wird und mit geltenden WTO-Regeln vereinbar ist. Nur so können potentielle Vergeltungsmaßnahmen von Nicht-EU-Staaten verhindert werden.

Die EU hat die Chance nachzuweisen, dass Klimaschutz auch zu vertretbaren Koste umsetz-bar ist. Wir sprechen uns daher für eine technologieoffene, innovationsfördernde Politik aus. Klimaschutz und Wirtschaftskraft sind zwei Seiten derselben Medaille. Über eine Technologie-führerschaft der EU lässt sich Klimawohlstand für Europa schaffen. Europäische und deutsche Unternehmen können so ihre Innovationskraft bei Umwelt- und Low-Carbon-Technologien ausbauen. Insofern steht einer Ausweitung des EU-Emissionshandels auf den Gebäude- und Verkehrssektor nichts im Wege. Über dieses marktwirtschaftliche Instrument lässt sich der effizienteste Reduktionspreis über alle Sektoren hinweg erreichen. Ebenso wie für einen glo-balen Mindeststeuersatz sollte sich Europa für einen weltweiten CO2-Mindestpreis einsetzten. Er kann dabei helfen, gleiche Ausgangsbedingungen für einen fairen, globalen Wettbewerb zu schaffen.

(2) Digitalisierung in der EU vorantreiben

Die EU kann im internationalen Wettbewerb digitaler Dienstleistungen und Geschäftsmodelle nur bestehen, wenn sie die Digitalisierung in allen Bereichen schneller vorantreibt. Die Kom-mission hat ihre Zielvorstellung für einen erfolgreichen digitalen Wandel Europas bis 2030 bereits vorgelegt. Wir unterstützen ihr Konzept der „digitalen Souveränität“ Europas, mit dem sich die EU gegenüber den USA und China als eigenständiger und selbstbestimmter Akteur in der digitalen Welt behaupten kann. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion spricht sich zudem für einen schnelleren und sicheren Ausbau der digitalen Infrastruktur, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im ländlichen Raum, eine moderne Regulierung digitaler Dienstleistungen, insbesondere hinsichtlich digitaler Torwächter und deren Wettbewerbs- und Steuerpraktiken, einen weitgehend barrierefreien Zugang der KMU zu Daten in einem europäischen Datenraum, eine Verbesserung des Rechtsrahmens für Cybersicherheit sowie eine wertebasierte Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI) aus. Auch muss die digitale Bildung von Nachwuchskräften bei gleichzeitiger Finanzierung von innovativen Start- und Scale-Ups im KI-Bereich gefördert werden. Besondere Bedeutung hat die schnelle Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und Justiz zur Vereinfachung und Beschleunigung unbürokratischer Prozesse und Behördengänge.

(3) Keine zusätzlichen Verpflichtungen für unternehmerische Lieferketten

Mit dem im Juni 2021 verabschiedeten deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wurde eine der weitreichendsten Gesetzgebungen ihrer Art beschlossen. Der Anwendungsbereich und die umfassenden Sorgfaltspflichten können den Mittelstand hart treffen. Umso wichtiger ist es, dass der geplante Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz keine zusätzlichen Belastungen für mittelständische Unternehmen in Deutschland schafft. Die Einführung einer zivil-rechtlichen Haftung von Unternehmen für das Verhalten von Geschäftspartnern und Dritten ist den europäischen Rechtsordnungen fremd und muss daher ausgeschlossen werden. Um die Unternehmen nicht zu überfordern und Rechtssicherheit zu schaffen, sollte sich die Sorgfalts-pflicht für das Einhalten der Mindeststandards nur auf die direkten Zulieferer in der Lieferkette erstrecken. Wir fordern zudem einen risikobasierten Ansatz. Denn eine pauschale Sorgfaltspflicht ohne Rücksicht auf tatsächliche Risiken überfordert nicht nur Großunternehmen, sondern insbesondere KMU die besonders von der Durchreichung von Verantwortlichkeiten betroffen wären.  Zudem muss auf die unterschiedliche Durchsetzungsfähigkeit auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene geachtet werden. Betroffenen Großunternehmen müssen Beratungs- und Umsetzungshilfen über die Auslandskooperationen Deutschlands und der EU zur Verfügung gestellt werden.

(4) Augenmaß bei Berichterstattung nachhaltiger Investitionen

Die EU möchte die Ausweitung nachhaltiger Investitionen mittels eines Klassifikationssystems (sog. Taxonomie) fördern, um die notwendigen Finanzmittel zur Umsetzung des europäischen Green Deals zu generieren. Die Kommission schlägt dazu Kriterien vor, anhand derer bestimmt werden kann, ob Wirtschaftstätigkeiten ökologisch nachhaltig sind oder nicht. Einen Ordnungsrahmen, der am Markt zu mehr Transparenz und effizienter Ressourcenverteilung führt, begrüßen wir. Die Taxonomie sollte jedoch ein reines Transparenzinstrument bleiben und nicht für den Versuch missbraucht werden, das gesamte Wirtschaftsleben auf Mikroebene steuern zu wollen. Deshalb sehen wir eine potentielle Ausweitung der Taxonomie um Sozial-kriterien oder einer Kategorie vermeintlich nicht nachhaltiger Sektoren kritisch und lehnen die-se genauso ab, wie ideologische Vorgaben, insbesondere im Energiesektor. Wichtige Übergangstechnologien dürfen auf europäischer Ebene als Beitrag zum Klimaschutz nicht ausgeklammert werden.

Auch darf der Zugang mittelständischer Unternehmen zu benötigtem Kapital nicht unnötig durch zusätzliche Berichts- und Offenlegungspflichten behindert werden. Deshalb darf es auch nicht zu einer Ausweitung der aktuell geltenden Nachhaltigkeitsberichtspflichten auf den Mittelstand kommen. Nur 32% der aktuell betroffenen 11.600 Großunternehmen in Europa berichten freiwillig. Deshalb muss, bevor bislang fakultative Vorgaben zu verbindlichen Pflichten für knapp 50.000 Unternehmen werden, sichergesellt werden, dass Unternehmen die Standards nur dann verwenden müssen, wenn sie ihnen einen belegbaren Kosten-Nutzen-Vorteil bieten.

(5) Transferunion in Europa verhindern

Der Europäische Aufbauplan war angesichts der Corona-Krise notwendig, um allen Mitglied-staaten einen Weg aus der Pandemie zu ebnen. Mit den Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung kann die EU stärker aus der Krise hervorgehen. Gerade KMU können bei Innovation und Transformation unterstützt werden. Es kommt aber darauf an, dass die Mittel tatsächlich in produktivitätssteigernde Investitionen fließen und gleichzeitig notwendige Strukturreformen umgesetzt werden. Daher muss sichergestellt werden, dass EU-Mittel in den kommen-den Jahren, insbesondere vom Mittelstand, auch vollständig abgerufen werden können. Hier-zu müssen die Antragsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Allerdings muss es bei der Einmaligkeit der Hilfen ohne Gegenleistung bleiben. Das Haftungsprinzip gilt weiterhin. Nicht umsonst verbietet der Maastricht-Vertrag die Übernahme der Schulden eines Mitgliedslandes durch die Europäische Union oder durch andere Mitgliedstaaten. Eine Abkehr von den europäischen Stabilitätskriterien lehnen wir insofern entschieden ab. Die zeitnahe Deaktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakt begrüßen wir hingegen.

Außerdem muss ein gangbarer Weg aus der ultralockeren EZB-Geldpolitik vorbereitet werden. Zumal die aktuelle Nullzinspolitik und die massiven makroprudenziellen Maßnahmen der EZB den Reformdruck auf einige Mitgliedstaaten der EU verringert. Das gilt, gerade im Hinblick auf die dortigen hohen Kreditkosten für private Unternehmen im Vergleich zu den Refinanzierungskosten der hochverschuldeten Mitgliedstaaten. Auch das Mandat der EZB von der Marktneutralität zur Markteffizienz zu führen oder den Fahrplan zur Ökologisierung der Geld-politik sehen wir kritisch. Für wirtschaftliche Reformen und eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik sind weiterhin die Nationalstaaten zuständig.