Das Unternehmertum und der Mittelstand erfahren in Gesellschaft und Politik insgesamt eine zu geringe Wertschätzung. Es besteht zu wenig Wissen über die Wirkzusammenhänge im Mittelstand und über den Alltag unserer Unternehmerinnen und Unternehmer. Der Mittelstand wird zwar von der Politik stets als „Rückgrat der Wirtschaft“ bezeichnet, Beschlüsse, Verordnungen und Gesetze tragen der Unterstützung des Mittelstands aber zu geringe Rechnung. Im Gegenteil: Es entstehen zu häufig Regeln, die dem Mittelstand das operative Handeln erschweren, statt es ihm zu erleichtern. Das ist umso unverständlicher, wenn wir folgende Fakten betrachten:
- Unternehmen: 99,4% aller Unternehmen in Deutschland sind kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Dies sind 2,5 Millionen Unternehmen. 99,4%, dies entspricht etwa der Fläche von ganz Deutschland ohne die Flächen der vier einwohnerstärksten Städte Berlin, Hamburg, München, Köln.
- Erwerbstätige: 55,1% – 17,5 Millionen – aller Erwerbstätigen arbeiten in KMU. Das entspricht der Einwohnerzahl der Niederlande. Davon arbeiten 70% – etwa 11 Millionen Menschen – in Klein- oder gar Kleinstunternehmen. Das entspricht der Einwohnerzahl Schwedens.
- Umsatz: KMU sind für ein Drittel (33,3%) des Gesamtumsatzes in Deutschland verantwortlich. Jeder der 17,5 Millionen Erwerbstätigen erwirtschaftet im Durchschnitt über 130.000 Euro pro Jahr. Jeder einzelne KMU-Mitarbeiter schafft also eine Wertschöpfung von etwa 4,5 neuen VW Golf 8 pro Jahr.
- Ausgewählte Branchenzahlen:
- IT & Kommunikation: Fast alle (99,3%) Unternehmen sind KMU. Diese Unternehmen erwirtschafteten im Jahr 2020 in Deutschland mit 100 Milliarden Euro den 3,5-fachen Umsatz von Amazon, dem im Jahr 2020 größten US-Konzern
- Baugewerbe: Fast alle (99,8%) Unternehmen sind KMU. 91% der Mitarbeiter der Branche arbeiten in KMU und sind für fast 80% des gesamten Branchenumsatzes im deutschen Baugewerbe verantwortlich.
- Gastgewerbe: Fast alle (99,9%) Unternehmen sind KMU. 91% der Mitarbeiter der Branche arbeiten in KMU und sind für 85% des gesamten Branchenumsatzes im deutschen Gastgewerbe verantwortlich.
- Investitionen: KMU tätigten im Jahr 2020 Bruttoinvestitionen in Höhe von 120 Milliarden Euro in Sachanlagen. Das entspricht etwa der Summe aller geplanten Ausgaben im Bundeshaushalt 2023 des Bundesministeriums der Verteidigung (50 Mrd. Euro), des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (35,5 Mrd. Euro), des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (21,5 Mrd. Euro) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (14,5 Mrd. Euro) oder dem mehr als 2,5-fachen aller Investitionen der deutschen Automobilindustrie im Jahr 2021 (VDA).
- Ausbildung: 90% der Auszubildenden werden in KMU ausgebildet. Bei 1,22 Millionen Ausbzubildenden in 2022 sind dies fast 1,1 Millionen junge Menschen, entsprechend der Einwohnerzahl von Köln.
Trotz dieser Faktenlage werden politische Entscheidungen getroffen, die direkt oder indirekt negative Auswirkungen auf den Mittelstand haben. Der Mittelstand gerät angesichts der zunehmenden Komplexität von Entscheidungen zunehmend aus dem Fokus. Es ist wichtig und richtig, den politischen Entscheidungsträgern – im Bund, in den Ländern, in den Kommunen, im EU-Parlament und auch in parteiinternen Gremien – ein Instrument an die Hand zu geben, welches die Einschätzung potentieller Beschlüsse auf eine mittelstandspolitische Relevanz und Bewertung ermöglicht oder ob sie sich auch potenziell über Fernwirkungen negativ auf den Mittelstand auswirken. Ein solches Instrument existiert bis heute nicht.
Die Mittelstands-und Wirtschaftsunion (MIT) fordert die Einführung einer MITTELSTANDSAMPEL:
Jeder relevante Beschluss, jede Verordnung, jedes Gesetz soll auf Mittelstandsfreundlichkeit/-tauglichkeit geprüft werden. Vor Abstimmungen soll selbstverständlich die MITTELSTANDSAMPEL angewendet werden. Eine Ampel ist nicht erklärungsbedürftig. Jeder kennt sie aus dem täglichen Leben und die Signal-Farbgebung rot, gelb, grün ist gelebte Praxis. Auf diese Weise sollen Fehlentwicklungen vermieden und das Bewusstsein für den Mittelstand gestärkt werden. Das Instrument soll idealerweise allen politischen Entscheidungsträgern der CDU/CSU verfügbar gemacht werden.
Anwendung der MIT-Mittelstandsampel:
Sechs Kriterien bilden die Bewertungsbasis für die Mittelstandskompatibilität eines Beschlusses. Die Frage lautet stets:
„Welche Auswirkungen hat der vorliegende Beschluss für den Mittelstand im Hinblick auf …“
- Bürokratie (Aufwand und Kompliziertheit)
- Kosten (auch Steuerlast)
- Arbeitsplätze/Beschäftigung (Sicherung, Ausbau)
- Wettbewerbsfähigkeit
- Standort-Attraktivität
- Infrastruktur
Jedes Kriterium erhält:
- „1“ für „positive, fördernde Auswirkung“
- „0“ für „potenziell negative Auswirkung“
Die Punkte werden addiert. Maximal 6 Punkte sind möglich.
- Erhält ein potenzieller Beschluss 5 oder 6 Punkte, steht die Mittelstandsampel auf grün:
Grün = Der Beschluss ist mittelstandsfreundlich und kann getroffen werden. - Bei 3 oder 4 Punkten steht die Ampel auf gelb:
Gelb = Vorsicht! Der Beschluss muss nachgebessert werden. - Bei weniger als 3 Punkten steht die Ampel auf rot:
Rot = Stop! Der Beschluss schwächt den Mittelstand.
Die Anwendung soll Freude machen und zur Routine werden. Durch das wiederholte Anwenden wird das Bewusstsein für Auswirkungen politischer Entscheidungen auf den Mittelstand nachdrücklich verstärkt.
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