Deutschland coronaresistent machen [MIT-Präsidium]

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Der Beschluss wurde als

Der Beschluss wurde als Antrag der Mittelstands- und Wirtschaftsunion an den 35. Parteitag der CDU eingereicht.

Datum des Artikels 11.08.2022
Beschluss

Corona wird unser Land weiter beschäftigen. Vorsicht und Fürsorge sind weiterhin geboten. Doch nach über zwei Jahren internationaler Erfahrung im Umgang mit dem Virus muss die Politik die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und konkrete, vorbereitende Maßnahmen für eine mögliche Rückkehr der Corona-Pandemie im Herbst ergreifen. Unnötige Belastungen müssen vermieden werden, zumal Wirtschaft, Gesellschaft und Politik durch den russischen Überfall auf die Ukraine, die steigende Inflation und Energieversorgungsengpässe mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert sind.

Eine wichtige Lehre ist: Klare Regeln im Umgang mit Corona sind zielführender als willkürliche Staatseingriffe, Entlastungen von Unternehmen besser als schuldenbasierte Hilfszahlungen. Jede Krise, die mit Staatsschulden bekämpft wird, nimmt uns Möglichkeiten zur Bekämpfung kommender Krisen. Auch nachfolgende Generationen haben das Recht, gegen Krisen vorgehen zu können. Notwendig ist der Aufbau von „echtem“ Sondervermögen anstatt immer findigerer Tricks zur Ermöglichung immer neuer Staatsschulden (Nachtragshaushalt). Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie muss die betriebliche Eigenverantwortung mit klugen Hygienekonzepten immer an erster Stelle stehen. Pauschale Schließungen von Betrieben mit Hygienekonzepten sind ohne eine valide wissenschaftliche Grundlage weder wirksam noch verfassungsrechtlich angebracht.

Auch gesundheitspolitisch muss Deutschland endlich umfassend, konsequent und evidenzbasiert auf kommende Corona-Wellen sowie mögliche andere pandemische Ereignisse vorbereitet werden. Derzeit gibt es eine kritische Auseinandersetzung mit den politischen Entscheidungen zu Grunde liegenden Datengrundlagen. Zuletzt mahnten hier der Bericht des Sachverständigenausschusses zur Evaluation der Maßnahmen der Pandemiepolitik sowie der Expertenrat der Bundesregierung eindringlich vorhandene Defizite an. Kritisiert werden die mangelnde Aussagekraft der genutzten Datenlagen sowie die fehlende Einbindung wichtiger Fachgremien und -instrumente (z.B. IQWiG und NAKO). Zentrale Daten in Bezug auf wichtige Referenzen zur Krankheitsverbreitung, zu Wirkzusammenhängen und zur Krankheitsübertragung werden immer noch nicht auf die konkrete Situation in Deutschland erhoben und genutzt. Auch wenn wir nicht verkennen, dass weitere Mutationen von SARS-CoV-2 nicht oder nur schwer für die Zukunft abbildbar sind, sind zukünftig alle politischen Entscheidungen zur Grundrechtseinschränkung, zum Bildungsbereich etc. nur mit hoher Sensibilität und hoher Wahrscheinlichkeit für eine effektive Wirkung verantwortungsvoll zu treffen. Es bedarf einer konsentierten Strategie zur Erhebung und Nutzung der dafür erforderlichen Daten.

Die Wirtschaft braucht zudem dringend ordnungspolitische Maßnahmen, die auch unter Pandemiebedingungen die Entfesselung von Marktkräften ermöglichen. Und bei allem muss gelten: Vorfahrt für Bildung, denn die kommende Generation darf nicht erneut zum Lastesel der Corona-Bekämpfung werden.

Die CDU Deutschlands fordert:

1. Gesundheitssystem coronaresistent machen

Deutschland muss fit gemacht werden für die Abwehr von und den Kampf gegen Corona. Es bleibt viel zu tun, die bisherigen Erfahrungen müssen genutzt werden.

Die Regeln und die institutionelle Ausgestaltung der Pandemiebekämpfung müssen verbessert werden:

  • In der Krise hat die private Wirtschaft ihre Leistungs- und Innovationsfähigkeit bewiesen und maßgeblich zur Bewältigung beigetragen. Darum muss auch in Krisen gelten: Der Staat muss sich auf seine Kernfunktionen beschränken. Privat vor Staat.
  • Die CDU fordert die Bundesregierung auf, auf Grundlage der vorliegenden Expertisen und unter Einbeziehung aller vorhandenen Ressourcen der evidenzbasierten Medizin, zeitnah eine Daten- und Forschungsstrategie mit klar zugewiesenen Aufgabenstellungen und klaren Verantwortlichkeiten unter stringenter Führung des BMG umgehend vorzulegen. Nur auf dieser Grundlage ist eine zielführende Pandemiepolitik verantwortbar.
  • Sämtliche vorgeschlagenen Maßnahmen sollen engmaschig extern evaluiert und die Ergebnisse der Evaluation sollen transparent gemacht werden. Die Ergebnisse des Sachverständigenausschusses sind in diesem Zusammenhang sorgfältig zu prüfen. Jedes Jahr muss ein Krisenpräventionsgipfel mit den Entscheidungsträgern von Bund, Ländern und Kommunen, Hilfsorganisationen, Wirtschaft und Wissenschaft durchgeführt werden, auf dem die Zwischenergebnisse ausgewertet werden. Alle staatlichen Maßnahmen müssen sich an den Ergebnissen der wissenschaftlichen Evaluation orientieren. Zur Anwendung sollen nur noch solche Maßnahmen kommen, die aus wissenschaftlicher Sicht erfolgversprechend sind.
  • Wir fordern einen Stresstest unseres Gesundheitssystems. Insbesondere personell müssen wir in der Lage sein, Infektionswellen besser durchzustehen. Die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes muss erhalten und gestärkt werden.
  • Die bisherigen Funktionen des RKI als ausführende Bundesbehörde und als politikberatender Think Tank müssen institutionell getrennt werden.
  • Bei Parlamentsbeschlüssen zu einer epidemischen Lage mit schwerwiegenden Grundrechtseingriffen müssen Verordnungen und Erlasse der Exekutive unter einen Parlamentsvorbehalt gestellt werden. Gleichzeitig muss ein Sonderrechtsweg eröffnet werden, damit verfassungsrechtliche Fragen schnell geklärt werden.
  • Es müssen klare Indikatoren für Ausnahmezustände – besonders freiheitsbeschränkende Maßnahmen – definiert werden und die Dauern, wie lange sonst allgemein gültige Regelungen außer Kraft gesetzt werden dürfen.

Digitalisierung des Gesundheits- und Meldewesens weiter vorantreiben:

  • Die Digitalisierung und Vernetzung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes muss weiter vorangetrieben werden. Dazu gehört auch der Aufbau eines Impf-Informationssystems.
  • Die Dezentralität von IT-Lösungen in Bund, Ländern und Kommunen steht Effizienz und schnellen Lösungen erheblich im Wege. Hier müssen alle Prozesse auf den Prüfstand gestellt und Systemlandschaften bundesweit vereinheitlicht werden. Nicht schnittstellentaugliche Systeme sind aufzugeben. Der Datenschutz ist ein wichtiges, aber kein absolutes Rechtsgut. Er muss da zurückstehen, wo überwiegende Interessen dies gebieten.

Versorgung mit Schutzausrüstung, Medizintechnik und Medikamenten verbessern:

  • Der freie Personen- und Warenverkehr in der EU muss sichergestellt werden. Mangelsituationen, insbesondere im medizinischen Bereich, müssen vermieden werden. Fragen zur Reservehaltung sind darum ebenso zu klären wie die Produktionsfähigkeit in Deutschland oder zumindest in Europa. Die Wirtschaft ist insbesondere in Krisenzeiten frühzeitig einzubinden.
  • Beteiligt werden muss neben öffentlichen Stellen zwingend auch die Wirtschaft, vertreten durch die betroffenen Verbände, deren schnelles Handeln sich an die Bedarfsfeststellung anschließt. Der enge Austausch und die Einbindung der Wirtschaft sind hier in jeder Phase unverzichtbar. Eine entsprechende Aufbau- und Ablauforganisation muss geplant sein und sofort in einer Krise aktiviert werden.

2. Produktions- und Geschäftsbetrieb coronaresistent machen

Staatliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung bleiben weiterhin notwendig. Die Maßnahmen müssen jedoch verhältnismäßig und wirksam sein und so ausgestaltet werden, dass der wirtschaftliche Betrieb der Unternehmen auch unter Pandemiebedingungen gewährleistet bleibt. Mit entsprechenden Hygienekonzepten können vermeintlich unsichere Bereiche sicher gemacht werden. Eine gute Daten- und Studienlage ist für evidenzbasiertes politisches Handeln unbedingt erforderlich.

Mittelstandsfreundliche Corona-Regeln:

  • Es braucht robuste Regeln dafür, dass es in Krisenzeiten nicht zu einer übermäßigen Verschuldung und einer Kollektivierung von Haushaltsrisiken kommt. Mit (beginnender) Beendigung der Krise sind zusätzliche Staatstätigkeiten sofort zurückzufahren, eine Verstetigung darf nicht stattfinden.
  • Die Hilfen von heute sind die Schulden von morgen: Die Krisenkosten müssen transparent in den öffentlichen Haushalten und Sozialversicherungssystemen bilanziert werden. Nach Überwindung einer Krise bedarf es einer fairen Lastenverteilung bei Steuer- und Beitragszahlern. Krisenbedingte Ausgaben der Sozialversicherungssysteme sind aus dem Steuerhaushalt auszugleichen, um den Gesamtsozialversicherungsbeitrag stabil zu halten.
  • Wird zum Bevölkerungsschutz die wirtschaftliche Betätigung staatlich eingeschränkt oder verboten, dürfen Unternehmen nicht nur auf staatliche Unterstützungsleistungen verwiesen werden. Vielmehr sind für diese Fälle im Infektionsschutzgesetz ausdrücklich Ausgleichsansprüche zu normieren. Solche Entschädigungsleistungen und unmittelbare Folgekosten müssen von der Allgemeinheit getragen werden. Wir brauchen möglichst viel allgemeine und aufeinander abgestimmte Instrumente, die sektorübergreifend zum Einsatz kommen, und möglichst wenige „Branchenlösungen“ oder gar Einzelmaßnahmen für Unternehmen. Die Hilfsmaßnahmen müssen zielgenau ausgerichtet und laufend evaluiert werden. Gleichzeitig müssen die Antragstellung, Bewilligung und Auszahlung der Hilfen schnell, einheitlich und digital erfolgen. Dazu sollen die Strukturen der Finanzverwaltung zwingend genutzt werden.
  • Das Volumen und die Dauer sämtlicher Krisenmaßnahmen (z.B. Lockdown) und insbesondere der Hilfsmaßnahmen sollten zielgenau ausgerichtet und laufend evaluiert und nachjustiert werden – nach dem Prinzip: So viel wie nötig, so wenig wie möglich und so schnell wie möglich, so kurz wie nötig. Es muss auf eine Gleichwertigkeit der Maßnahmen im privaten, beruflichen und betrieblichen Umfeld geachtet werden. Jeder Lebens- und Arbeitsbereich muss seinen Beitrag leisten. Jegliche Auszahlung der Hilfen nach dem Gießkannenprinzip („Helikoptergeld“), die Fehlanreize und Mitnahmeeffekte mit sich bringt, lehnen wir ab.
  • Nach Überwindung der Krise bedarf es strikter Ausgabenbegrenzungen, um die wieder deutlich erhöhte Staatsverschuldung abzubauen. Denn Steuererhöhungen wären Gift für die Konjunktur. Langfristig kann davon ausgegangen werden, dass ein Prozent nominales Wirtschaftswachstum auch ein Prozent mehr Steueraufkommen erbringt. Dies sind rund 9 bis 10 Milliarden Euro, bei höherem Wachstum entsprechend mehr. Diese zusätzlichen Mittel sollten vorwiegend zum Schuldenabbau eingesetzt werden.
  • Ob und in welchem Umfang Homeoffice genutzt werden kann, obliegt der Gestaltungsfreiheit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Einen generellen Rechtsanspruch auf Homeoffice lehnen wir ab.

Güter- und Warenverkehr und Geschäftsreiseverkehr gewährleisten:

  • Grenzschließungen, Einschränkungen der Lieferketten, Stilllegungen von Betrieben und Infrastruktur etc. führten zu erheblichen Produktionsausfällen und Lieferengpässen.
  • Der freie Personen-, Waren- und Wirtschaftsverkehr in der EU muss sichergestellt bleiben. Offene Märkte und länderübergreifende Zusammenarbeit können die negativen Auswirkungen auf den EU-Binnenmarkt und die Lieferketten reduzieren. Dies ist auch Voraussetzung für eine leistungsfähigere Gesundheitsversorgung. Dies gilt natürlich unter der Voraussetzung des entsprechenden gegenseitigen Verhaltens aller Staaten. Nationale und europäische Behörden müssen sich besser abstimmen. Die Health Emergency Preparedness and Response Authority (HERA) muss die europäische Säule für große Krisenlagen sein.

3. Schulen, Universitäten und berufliche Ausbildung coronaresistent machen

Deutschland muss seine Widerstandsfähigkeit gegen Corona stärken. Dabei muss bei allen Maßnahmen gelten, dass unsere Widerstandskraft nicht auf Kosten der Chancen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gehen darf. Schüler, Auszubildende und Studenten sind die Zukunft unserer Gesellschaft, aber auch unserer Unternehmen. Die kommende Generation darf nicht noch einmal der Lastesel der Pandemiebekämpfung sein.

  • Lockdowns von Kitas, Schulen, Hochschulen oder Berufsschulen darf es nur noch in gut begründeten Ausnahmefällen geben.
  • Die Maßnahmen der Corona-Politik sind darauf auszurichten, den Weiterbetrieb von Bildungseinrichtungen zu gewährleisten. Leitlinie der Corona-Politik muss sein: Vorfahrt für Bildung.
  • Technische Maßnahmen zur Reduzierung der Virenlast an Kitas, Schulen, Universitäten müssen stärker ergriffen werden. Die Gewährung von Zuschüssen zur Anschaffung von Luftfiltern ist nicht ausreichend. Bildungseinrichtungen müssen auch bei der Anschaffung und Installation aktiv unterstützt werden, die Erfolge müssen durch die Landesregierungen quartalsweise veröffentlicht werden. Die Durchführung von Präsenzunterricht darf nicht noch einmal an fehlender technischer Ausstattung scheitern.
  • Die Digitalisierung an Schulen, Universitäten und Berufsschulen muss weiter vorangetrieben werden. Unabhängig von etwaigem Heimunterricht und eingeschränkten Bildungs-Lockdowns ist eine Stärkung digitaler Kompetenzen und der digitalen Infrastruktur an Schulen, Universitäten und Berufsschulen allein als technische Grundlage für zukunftsrelevante Bildung zwingend notwendig und längst überfällig. Die Zulassung digitaler Lernmittel muss beschleunigt werden. Alle Länder sollen verpflichtet werden, ein jährliches Digitalisierungsmonitoring für Schulen, Berufsschulen und Universitäten vorzulegen, in dem dargestellt wird, wie viel Prozent der Schüler und Lehrer voll digital angebunden sind. (Verpflichtende) Schulungen für das Bildungspersonal in Digital- und Medienkompetenzen sollten entsprechend umgesetzt werden.