CO2-Grenzausgleich: Kooperation statt Protektionismus

Aktueller Status:

Der Beschluss wurde mit Bitte

Der Beschluss wurde mit Bitte um Berücksichtigung an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Thomas Bareiß MdB, an den Vorsitzenden der AG Wirtschaft und Energie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer MdB, an den Fachreferenten des Konrad-Adenauer-Hauses sowie an einen Fachverteiler geschickt.

Datum des Artikels 26.03.2021
Beschluss

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion

• fordert die EU und die Bundesregierung auf, die sich bietende Chance aus der Wahl von Joe Biden zum amerikanischen Präsidenten für ein international koordiniertes Vorgehen beim Klimaschutz zu nutzen
• unterstützt eine auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit und auf Innovationen ausgerichtete europäische Energie- und Klimapolitik. Das BMWi wird aufgefordert, die neuen ETS-Beihilfeleitlinien zur Strompreiskompensation zügig in einer nationalen Förderrichtlinie umzusetzen.
• lehnt protektionistische Alleingänge im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts hingegen ab.
• Verweist darauf, dass einseitige europäische Schutzmechanismen, die internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz zudem erschweren werden.
• spricht sich gegen die Entwicklung von einseitigen, CO2-basierten, möglicherweise WTO-kompatiblen Importsteuern für die EU aus.
• lehnt den ersatzlosen Wegfall der heutigen industriellen Entlastungsregelungen bei Strom und CO2-Kosten ab, wenn eine CO2-Grenzausgleich eingeführt wird.
• fordert die Bundesregierung und die EU-Kommission auf, wirkungsvolle Alternativen für Instrumente zum Schutz von Carbon Leakage zu entwickeln und sich nicht allein auf einen Grenzausgleichsmechanismus zu versteifen.
• Weist zudem darauf hin, dass ein Abbau der Belastungen aus den zahlreichen Klimaschutzmaßnahmen gegenüber einer Importsteuer das sinnvollere Instrument zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie ist.

Begründung:
Mit der Wahl von Joe Biden wird es eine klimapolitische Neuausrichtung der USA geben. Dazu unternimmt China erste Gehversuche mit einem CO2-Handel, der sich allerdings nur auf die Stromerzeugung erstreckt und anders als in Europa die Industrie nicht mit einbezieht. Dennoch gibt es damit wichtige Anknüpfungspunkte für ein gemeinsames internationales Vorgehen zumindest auf Ebene der G20-Staaten. Die EU sollte diese Chance dringend ergreifen und den erfolgreichen Emissionshandel international ausdehnen und mit den Systemen anderer Wirtschaftsräume verknüpfen. Klimaschutz ist eine globale Herausforderung und muss als solche auch global angepackt werden. Ein einseitiger europäischer CO2-Grenzausgleich würde hingegen dieses greifbare Ziel auf absehbare Zeit torpedieren und gegebenenfalls sogar den Protektionisten Aufwind geben.

Im Rahmen des sogenannte Green Deals werden verschiedene Instrumente diskutiert, um erhöhte Belastungen der Wirtschaft aufgrund einer verschärften EU-Klimapolitik auszugleichen. Veränderte Produktionsmethoden mit einem geringeren Treibhausgasausstoß weisen meist spezifisch höhere Kosten auf. Zudem besteht keine oder eine nur minimale Mehrzahlungsbereitschaft für industrielle grüne Vorprodukte wie Aluminium, Kupfer, Stahl oder Glas. Konkret diskutiert wird die Einführung eines Grenzausgleichs auf Basis der CO2-Emissionen, die in den importierten Produkten faktisch enthalten sind. Damit soll die Rolle der EU als Vorreiter bei der Klimapolitik abgesichert werden, ohne wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Klimaschutz kann aber nur durch internationale Kooperation und nicht durch internationales Gegeneinander erfolgreich sein. Es ist daher unwahrscheinlich, dass eine europäische Abschottung bei einer erforderlichen, global ausgerichteten Kooperationsstrategie, auch im Wettbewerb mit China und der USA, hilft. Dafür ist alleine eine Strategie hilfreich, die die rein wirtschaftlich basierte Nachfragemacht der EU stärkt.

Die Ausgestaltung eines CO2-Grenzausgleichs wäre gleichbedeutend mit einer teilweisen Abkehr von der Erfassung der produktionsbasierten Emissionen hin zu einer verbrauchsbezogenen Erfassung.  Für die Ausgestaltung eines CO2-Grenzausgleichs müssten die CO2-Mengen von importierten Produkten bewertet und mit Zahlungen belegt werden. Hingegen müssten bei exportierten Produkten die zusätzlichen Kosten einer treibhausgasärmeren Produktion entlastend wirken. Die Erfassung bei unendlich vielen Produkten ist aufwändig. Daher wird über einen Fokus auf bestimmte Produkte bzw. Branchen wie Stahl und Zement diskutiert und über den Fokus auf Produkte, die weiter vorne in der Wertschöpfungskette rangieren.

Heute findet für besonders belastete deutsche Unternehmen eine Entlastung über die besondere Ausgleichsregelung und die CO2-Preisentlastung statt, die über den Energie- und Klimafonds aus der Versteigerung der Emissionshandelszertifikate gespeist wird. Dieses kann zielsicher erfolgen und entzieht sich nicht der politischen Abwägung.

Wenn Vorprodukte mit CO2-Kosten belastet werden und Endprodukte nicht, dann wird eine Verschiebung der Produktion in das Ausland erfolgen. So ist die handelspolitische Dimension der Klimapolitik entscheidend. Damit ein CBAM wirkt, darf er nicht nur bei Primärerzeugnissen ansetzen, sondern muss auch Halbzeuge und Endprodukte einbeziehen, da sonst ein Großteil der gehandelten Erzeugnisse unberücksichtigt bleibt. Andernfalls würde zusätzliches Abwanderungsrisiko auf die nächste Stufe der Wertschöpfungskette verlegt werden, mit negativen Folgen für die Volkswirtschaften der EU. Für einen Automobilhersteller z. B. wäre es demnach deutlich sinnvoller, in einem Drittstaat zu produzieren als in der EU, weil er dort seine Grundstoffe und Halbzeuge günstiger bekommt und diese dann ohne Zuschlag in der EU absetzen kann. Bei der Erfassung von Endprodukten wäre dies nicht der Fall. Allerdings ist eine exakte Erfassung aller relevanten CO2-Kosten entlang der Wertschöpfungskette kaum möglich. Sie erfordert viele Daten aus allen Ländern, die Güter in die EU liefern. Wie sichergestellt werden kann, dass die EU belastbare Daten aus Drittstaaten erhält, ist nicht abzusehen.

Sehr fragwürdig sind auch Bestrebungen seitens der EU-Kommission einen Grenzausgleichsmechanismus als Einnahmequelle zu nutzen. Wenn mit einer CO2-Grenzsteuer vorrangig finanzielle Ziele für den EU-Haushalt verfolgt werden, dann ist eine parallele Entlastung von Exporten aus finanziellen Gründen tendenziell nicht möglich.

Die WTO stellt Anforderungen an tarifäre und nicht tarifäre Handelshemmnisse. Es ist denkbar, dass eine einseitige Besteuerung von CO2-Kosten in bestimmten Branchen im Rahmen der WTO-Konventionen möglich ist. Dennoch drohen Retorsionsmaßnahmen wichtiger Handelspartner, die sich sehr nachteilig auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft auswirken können. Ob eine WTO-konforme Ausgestaltung in der Höhe unbegrenzt und dem Transparenzgrad offen ist, ist aufgrund der Handelsauswirkungen fraglich. Jedoch ist der WTO-Rahmen nicht allein ausschlaggebend. Eine Synchronisation mit dem Pariser Abkommen ist zusätzlich entscheidend. Sowohl hinsichtlich der einheitlichen Bewertung von Emissionen als auch der zulässigen Gegenmaßnahmen. Andernfalls ist zu befürchten, dass die zukünftige Kooperation unter dem Pariser Abkommen durch einseitige europäische Maßnahmen torpediert wird. Die EU hätte dem Klimaschutz damit einen Bärendienst erwiesen.

Zusammenfassend wirft das Instrument eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus mehr Fragen auf als es löst und beinhaltet auch verschiedene, gravierende Risiken für den Wirtschaft- und Industriestandort Deutschland und die Europäische Union. Die EU-Kommission und die Bundesregierung dürfen die Diskussion um Lösungen zum Schutz vor Carbon Leakage daher nicht allein auf dieses Instrument verengen, sondern müssen in einem breiten Ansatz Alternativen entwickeln und andere wirkungsvolle Varianten aufzeigen, wie dieses Ziel erreicht werden kann.