Bürokratieabbau. Leistungsfähigkeit. Deutschland modernisieren.

Datum des Artikels 04.09.2021
Beschluss

Die Corona-Pandemie hat schonungslos aufgedeckt, was die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) seit vielen Jahren beklagt: Deutschland ist satt und behäbig. Wir wollen die Kräfte der Sozialen Marktwirtschaft neu entfesseln. Der Staat muss den Rahmen dafür setzen, dass der Mittelstand seine Stärken Flexibilität, Dynamik und Verantwortungsbereitschaft frei entfalten kann. Das gibt unserem Land den nötigen Schub, wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren.

In den ersten 100 Tagen der neuen Regierung erwartet die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) folgendes Entfesselungspaket für die Wirtschaft:

1. Mentalität des Machens: Gründerschutzzone in den ersten beiden Gründungsjahren
Wir brauchen eine Gründerschutzzone in den ersten zwei Jahren nach Gründung. In dieser Zeit müssen wir junge Unternehmen von vielen bürokratischen Einschränkungen freistellen, um die sie sich in dieser wichtigen Startphase nicht oder nur zu für sie kaum tragbaren Kosten kümmern können.

2. One-in-two-out
Die Bürokratiebremse, das „One in, one out“-Prinzip, war ein wichtiger Schritt, um überflüssige Bürokratie abzubauen.  Danach müssen neue Bürokratiekosten, die sich auf die Wirtschaft auswirken, an anderer Stelle wieder eingespart werden. Um Unternehmen spürbar und nachhaltig zu entlasten, fordern wir eine Weiterentwicklung der Bürokratiebremse von dem aktuellen „One in, one out“ zu einem „One in, two out“.

3. EU-Recht in die Bürokratiebremse einbeziehen, nur 1:1 umsetzen und „Goldplating“ vermeiden
Die 1:1 Umsetzung von EU-Recht ist nicht von der Bürokratiebremse umfasst. Hier liegt großes Einsparpotenzial. Für Unternehmen macht es hinsichtlich der bürokratischen Belastung keinen Unterschied, ob Regelungen ihren Ursprung im europäischen oder nationalen Bereich haben. Wir fordern, dass jede neue EU-Richtlinie oder Verordnung, die für den deutschen Mittelstand zusätzlichen Aufwand bedeutet, mit nationalen Regulierungsentlastungen einhergehen muss. Der Staat muss zudem verbindlich, transparent und detailliert dokumentieren und begründen, wenn er bei der Umsetzung Europäischer Gesetzgebung über EU-Vorgaben hinausgeht (sogenanntes „Goldplating“).

4. Transparenz bei der Bürokratiebremse stärken
Das „One in, one out“-Prinzip enthält Transparenzlücken. Wir fordern, diese zu schließen und damit die Wirksamkeit und den Informationsgehalt der Bürokratiebremse für Bürger und Mittelstand zu erhöhen. Einmaliger Umstellungsaufwand etwa im IT-Bereich ist von dem Prinzip nicht erfasst. Für die Wirtschaft sind jedoch gerade die Investitionen zur Implementierung einer Neuerung häufig besonders belastend. Einmaliger Umstellungsaufwand muss daher - wie der laufende, jährliche Aufwand – in die Bürokratiebremse einbezogen und kompensiert werden. Darüber hinaus fehlt in den Gesetzesbegründungen ein detaillierter Hinweis, welche Maßnahmen neue Bürokratie ausgleichen. Wir fordern, dass die Kompensation konkret betitelt und beziffert wird. Schließlich sollte der Ausgleich nicht mehr bereichsübergreifend erfolgen, sondern sachlich mit dem Bürokratieaufbau verknüpft werden. Für Bürger und Mittelstand ist es deutlich nachvollziehbarer, wenn Mehraufwand etwa aus steuerlichen Regelungen durch Neuerungen in diesem Bereich abgemildert wird.

5. Praxistauglichkeit von Regelungen erhöhen – Mehraufwand verhindern
Häufig fehlte in den letzten Jahren die Zeit, komplexe Maßnahmen auf ihre Praktikabilität hin zu kontrollieren und so unnötige Kosten und Widerstand zu vermeiden. Wir fordern, dass angemessene Beteiligungsfristen die Regel werden. Insbesondere im steuerlichen Bereich erhielten die Praxis, die Fachkreise, die mitberatenden Ministerien und auch die Länder häufig keine hinreichende Frist zur Beurteilung – wie bei der Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer. Dies ist ein Paradebeispiel, wie in Windeseile durchgepeitschte Gesetze den Rechtsstaat erodieren. Die Aushöhlung von Beteiligungsprozessen ist ein eklatanter Verstoß gegen die Geschäftsordnung der Bundesministerien. Die Folgen sind belastende Regelungen für Bürger und den Mittelstand und Inakzeptanz für staatliches Handeln. Diese Abwärtsspirale ist zu stoppen.

6. Mehr Freiheit bei der Arbeitszeitgestaltung
Die Arbeit im Home-Office ist für viele Menschen eine große Chance, trotz familiärer oder anderer Verpflichtungen einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Corona-Krise hat zudem gezeigt, dass in vielen Betrieben die Bereitschaft für Home-Office und mobiles Arbeiten besteht und für ein pauschales gesetzliches Recht kein Bedarf besteht. Wir wollen das Arbeitszeitgesetz so ändern, dass es mehr Flexibilität für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bietet. Es soll keine tägliche Höchstarbeitszeit geben, sondern die Höchstarbeitszeit soll auf die Woche gerechnet werden. Die Unterbrechung der Ruhezeiten in der Heimarbeit soll auf Wunsch des Arbeitnehmers möglich sein, sofern es seine Gesundheit nicht beeinträchtigt.

7. Mindestlohn praxistauglicher organisieren
Der gesetzliche Mindestlohn wird gemeinsam von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern definiert und von den Unternehmen akzeptiert. Allerdings ist er gerade für Mittelständler sehr bürokratisch und zum Teil auch arbeitnehmerfeindlich. Wir fordern die Abschaffung der Dokumentationspflichten für Branchen mit hohen Einstiegsgehältern, außerdem keine Mindestlohn-Dokumentationspflichten bei Mini-Jobs, wenn Arbeitszeiten vertraglich geregelt sind. Und für Praktika sollen die ersten drei Monate generell vom Mindestlohn befreit werden, unabhängig von Anlass und Dauer des Praktikums.