Überwiesener Antrag A 75 Ungleichbehandlung des Werkunternehmers beim Verbraucherwiderrufsrecht beenden!
Beschluss
Der MIT Bundesvorstand wird gebeten, sich bei der Bundesregierung und gegebenenfalls auf Ebene der EU dafür einzusetzen, dass gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen werden, damit ein Unternehmer, der werkvertragliche Leistungen (Dienstleistungen im Sinne des europäischen Rechts) erbringt, gegenüber einem Unternehmer, der im Rahmen eines Kaufvertrages oder eines sogenannten Werklieferungsvertrages Leistungen erbringt, nicht schlechter gestellt wird. Daher fordern wir, dass das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verbraucherverträgen auch bei Werkverträgen ausgeschlossen wird, wenn Leistungen auf einer individuellen Auswahl oder Bestimmung des Verbrauchers beruhen oder die eindeutig auf dessen persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Begründung Im sogenannten Senkrecht-Treppenlift-Fall hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 30. August 2018 (VII ZR 243/17) entschieden, dass ein Verbraucher einen Werkvertrag auch dann widerrufen darf, wenn eine individuelle Beauftragung für seine speziellen Bedürfnisse erfolgt ist. Die enormen und letztlich gleichheitswidrigen Auswirkungen des Urteils bzw. der gesetzlichen Regelung mögen die beiden folgenden Sachverhalte beleuchten:
Ein Handwerker hat den Auftrag zur Erneuerung der Fenster in einem Wohnhaus. Nachdem er Erdgeschoss und Obergeschoss weitgehend fertiggestellt hat, ruft der Bauherr den anwesenden Gesellen und bittet diesen, sich das Dachgeschoss einmal näher anzuschauen. Man wolle dort eigentlich nichts weiter machen, aber einer der Räume solle zukünftig doch genutzt werden als Gästezimmer. Daher überlege man sich, dort den Fußboden neu zu machen. Der Geselle schaut sich die Situation an und schlägt vor, den vorhandenen Teppichboden zu entfernen und das darunter liegende alte Eicheparkett zu überarbeiten. Der Bauherr ist einverstanden. Am nächsten Tag beginnt der Geselle in der besagten Dachkammer, da er mit den übrigen Arbeiten weitgehend fertig geworden ist und der Auftrag seinem Chef gerade gut passt. Nachdem drei Wochen später die Rechnung des Wohnhandwerkers eingegangen ist, meldet sich die Ehefrau des Bauherrn und fragt nach, was das mit der Dachkammer solle. Wieder eine Woche später erhält der Wohnhandwerker eine E-Mail der Eheleute, in der diese den Auftrag bezüglich der Dachkammer widerrufen.
Ein anderer Wohnhandwerker arbeitet wenig später im gleichen Wohnhaus und baut eine neue Küche ein. Im Abnahmetermin vor Ort erklärt die Kundin, sie wünsche den Austausch des Fensters in besagter Dachkammer. Der Wohnhandwerker macht gleich sein Aufmaß und einen guten Preis. Der Vertrag wird per Handschlag besiegelt und am nächsten Tag der Auftrag schriftlich bestätigt. Der Wohnhandwerker bestellt das Fenster beim Hersteller. Nachdem er vier Wochen später den Bauherren den Einbautermin mitteilt, erklären diese, dass sie vom Auftrag zurücktreten und den Vertrag widerrufen.
Nach der Rechtsprechung des BGH sind beide Sachverhalte unterschiedlich zu beurteilen: Sie scheinen sehr ähnlich zu sein, unterscheiden sich jedoch in der rechtlichen Bewertung des jeweiligen Vertrages und sind daher unterschiedlich in der Frage des Widerrufs zu behandeln. Das liegt an der etwas seltsam anmutenden Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Kaufvertrag. Das europäische Recht unterscheidet zwischen Dienstleistung und Kauf. Dabei gilt ein Werkvertrag im Sinne des deutschen Rechts als eine Dienstleistung. Eine Zwitterstellung nimmt dabei der sogenannte Werklieferungsvertrag nach deutschem Recht ein. Kaufverträge sind darauf gerichtet, Waren zu liefern und das Eigentum an ihnen zu übertragen. Werklieferungsverträge erfassen die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen und deren Übereignung. Sie schließen es auch ein, wenn der Unternehmer zudem die Montage der zu liefernden Sachen übernimmt. Bei Werkverträgen schuldet hingegen der Unternehmer zwar auch unter Umständen die Lieferung von Sachen, aber der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt in der Herstellung eines funktionstüchtigen Werks, beispielsweise bei Reparaturarbeiten.
Die Schleif- und Versiegelungsarbeiten am alten Parkett sind typische Werkvertragsleistungen. Bei der Lieferung und Montage des Fensters handelt es sich jedoch um einen Werklieferungsvertrag. Im Sinne der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie der EU liegt ein Kaufvertrag vor, wenn die Montage, also die Dienstleistung, im Verbund mit dem Kauf vorgesehen ist und die Montage den Verkauf lediglich ergänzt. Ist jedoch die Dienstleistung, zum Beispiel die Reparatur, Hauptgegenstand des Vertrages, gilt kein Kaufrecht. Als Beispiel nennt in diesem Zusammenhang die EU-Richtlinie einen Wintergartenanbau als Dienstleistungsvertrag. Der BGH sieht in dem Senkrecht-Treppenlift eine ähnliche Situation und geht ebenfalls von einem Werkvertrag bzw. Dienstleistungsvertrag aus, obwohl die rein wertmäßige Betrachtung ergibt, dass sowohl der Wintergarten wie auch der Treppenlift einen erheblichen Materialwert haben, und die Kosten der Dienstleistung, nämlich der Errichtung und Anpassung an das bestehende Gebäude, darunter liegen. „Die auch geschuldete Montage stellt nicht eine bloße Ergänzung der Lieferung der einzelnen Elemente des Lifts dar.“ Nach der zu erstellenden Planung war eine den konkreten örtlichen Verhältnissen angepasste, funktionstüchtige Liftanlage zu errichten.
Nach dem Wortlaut von § 312 g Abs. 2 Ziff. 1 BGB ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers ausgeschlossen, wenn es sich um einen Kaufvertrag über die Lieferung von Waren handelt, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung/Erstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf dessen persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Eindeutig sind die Parkettarbeiten auf eine individuelle Auswahl und Bestimmung durch den Verbraucher zurückzuführen und auf dessen persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten. Waren werden aber nicht (oder nur im geringen Maße, zum Beispiel Lack) geliefert und daher liegt kein Kaufvertrag vor. Das Widerrufsrecht ist nicht ausgeschlossen. Der Wohnhandwerker hätte ausdrücklich über das Widerrufsrecht, dessen Bedingungen, die Fristen und das Verfahren über die Ausübung desselben sowie das Muster-Widerrufsformular unterrichten müssen. Ganz anders bei dem Fenster für die Dachkammer: Sein Materialwert liegt über den Kosten des Einbaus. Es wurde aber nach Aufmaß speziell für diese Baustelle hergestellt und erfüllt die Bedingungen von § 312 g Abs. 2 Ziff. 1 BGB! Die Bauherren können also nicht unter Bezugnahme auf die Verbraucherrechte den Vertrag widerrufen, sondern können allenfalls eine rechtsgrundlose freie Bestellerkündigung gemäß § 648 BGB aussprechen. Diese hat zur Folge, dass dem Handwerker ein Entschädigungsanspruch abzüglich seiner ersparten Aufwendungen (hier der Montage) zusteht.
Der andere Handwerker hingegen hat den Parkettboden in der Dachkammer renoviert, ohne dass er dafür einen Cent sieht. Denn die Rückgewähr seiner Leistung ist nicht möglich.
Der BGH meint den Werkunternehmer damit trösten zu können, dass ihm zwar der Ausschluss des Widerrufsrechtes nicht gewährt wird, aber zu seinen Gunsten § 347 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB einen Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Dienstleistung einräumt. Dummerweise wird der Wertersatz aber nur gewährt, wenn der Verbraucher dem Unternehmer sein Verlangen nach Leistungserbringung vor Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist von 14 Tagen vor Beginn der Arbeiten auf einem dauerhaften Datenträger (zum Beispiel Papier) übermittelt hat. Das war bei unserem Parkettleger nicht der Fall. Zudem muss die ordnungsgemäße Information über das Widerrufsrecht noch vor dem ausdrücklichen Leistungsverlangen des Verbrauchers erfolgt sein. Der vermeintliche und vom BGH angenommene Schutz des Unternehmers beim Werkvertrag ist also schlicht und ergreifend Makulatur und wird in der Realität des Bauwesens keine Bedeutung haben. Durch die EU-Verbraucherrichtlinie und deren Umsetzung ins BGB wird, wie an diesem konkreten Beispiel deutlich wird, der Handwerker gegenüber dem Verbraucher benachteiligt und gar schutzlos gestellt. § 357 Abs. 8 BGB stellt den Erbringer von Dienstleistungen, also den Werkunternehmer, interessanterweise gleich mit dem Lieferanten von Wasser, Gas, Strom oder Fernwärme. Das zeigt, dass der eigentliche Anwendungsbereich des Verbraucherschutzes in einem ganz anderen Spielfeld liegt und Handwerkern völlig undifferenziert die Wirtschaftsmacht von Großkonzernen unterstellt wurde.
Daher muss das Widerrufsrecht für Verbraucher unter den Voraussetzungen einer individuell angepassten Leistung im Falle eines Werkvertrages ebenso ausgeschlossen werden wie bei einem Kaufvertrag. Der Gesetzgeber muss insoweit tätig werden.
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